Umgang mit Hyperventilation K Karl C. Mayer Heidelberg, Friedrich Ebert Anlage 7 www.neuro24.de Menschen, die zu Ängsten neigen, haben eine erhöhte
Empfindlichkeit gegenüber der Gefahr ersticken zu können. Das macht sie anfällig
bei empfundener Angst oder dem Gefühl, eingeschlossen zu sein, schneller zu atmen.
Hyperventilation ist eine beschleunigte Atmung, die schneller und manchmal
tiefer ist als es der Stoffwechsel des Körpers erfordert. Es wird mehr CO2
ausgeamtet als der Köper produziert, der
C
Druck im Blut nimmt ab. Hyperventilation spielt wahrscheinlich eine Rolle bei
verschiedenen psychosomatischen Störungen, wie der Panikstörung, dem chronischen
Müdigkeitssyndrom, MCS, chronischen Schmerzen und Somtisierungsstörungen
und spielt
wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei durch Stress ausgelösten körperlichen
Symptomen allgemein. ILSE VAN DIEST, et al., Imagined Risk of
Suffocation as a Trigger for Hyperventilation Psychosomatic Medicine 67:813–819
(2005) Wenn Sie verstehen was bei Hyperventilation passiert, haben Sie
bessere Aussichten die Symptome unter Kontrolle zu bekommen.
Eine Möglichkeit, diesen Blutspiegel an Kohlendioxid zu erhöhen, ist in eine Plastik- oder Papiertüte ein- und auszuatmen. Ein großer Teil der Luft, die Sie ausatmen, besteht aus Kohlendioxid. So können sie dadurch, dass sie ihre "verbrauchte Luft wieder einatmen, wieder größere Mengen an Kohlendioxid in Ihre Lungen bringen. Dabei sollte nach 10 Atemzügen wieder ohne die Plastiktüte geatmet werden und dabei bewusst tief ein- und ausgeatmet werden, der Einsatz der Plastiktüte kann dann bei Bedarf nach 2-3 Minuten wiederholt werden. In eine Plastik- oder Papiertüte ein- und auszuatmen ist einfach und effektiv. Es ist allerdings nicht in allen Situationen angebracht, sich mit einer Plastiktüte vor dem Mund sehen zu lassen. Ein weiterer Nachteil ist, dass obwohl das Rückatmen in eine Plastik- oder Papiertüte während einer Panikattacke wirksam ist, kann es keine weiteren (zukünftigen) Panikattacken verhindern. Eine andere Methode, die den Vorteil hat, dass sie nicht jeder sehen kann, ist zu üben langsamer zu atmen. Diese Methode kann helfen längerfristig 'Hyperventilation' zu kontrollieren und zu verhindern. Dadurch werden auch die anderen Symptome der Panikattacken seltener. Die folgende Übung sollte mindestens 4x täglich für 5 Minuten durchgeführt werden. Sie sollte auch bei den ersten Zeichen einer Panikattacke oder von Angst durchgeführt werden. Eine Kombination mit Entspannung ist besonders wirksam. Muskelentspannungsübungen werden hier besonders empfohlen.
Obwohl Hyperventilation am häufigsten bei Angst und Stress auftritt, müssen andere Ursachen ausgeschlossen werden - Insbesondere bei erstmaligem Auftreten ist eine ärztliche Untersuchung erforderlich. Spritzen mit Beruhigungsmitteln oder Kalzium schaden eher. Hyperventilation kommt häufig bei Angstzuständen wie Panikattacken, aber auch allgemein im Stress oder beispielsweise bei starken Schmerzen vor. Etwa 50% der Patienten mit reinen Panikstörungen neigen zu Hyperventilationszuständen, ebenso 60% der Patienten mit Agoraphobie aber nur 25% der Patienten mit Hyperventilationszuständen haben eine Panikstörung. Bei ungeschulten Tauchern kann Hyperventilation ebenfalls ein Problem darstellen. Hyperventilation ist die Ursache von 25% aller Schwindelzustände. Jeder der schon einmal seine Luftmatratze oder sein Schlauchboot mit dem Mund aufgeblasen hat, kennt diesen Schwindel. Drogen insbesondere Stimulantien wie auch Coffein (auch Ritalin besonders am Anfang der Behandlung) können eine Hyperventilation auslösen, ebenso bestimmte Medikamente wie Aspirin. Auch bei bestimmten organischen Erkrankungen ist Hyperventilation häufig. Dies betrifft vor allem eine große Anzahl von Herz und Lungenerkrankungen, sie kann auch ein Symptom einer diabetischen Ketoazidose sein. Mögliche Ursachen sind auch Infekte, Kalzium- und Magnesiummangel, Hyperkaliämie, Hyperparathyreoidismus, Enzephalitis oder Hirntumoren. Hyperventilation ist also ein nur Symptom einer Störung oder Krankheit. Im Zweifel ist immer eine ärztliche Abklärung erforderlich. Oft ist es hilfreich, (sofern keine schweren zerebrovaskulären und kardialen Erkrankungen oder ein Asthma bronchiale vorliegt) beim Arzt oder beim Psychotherapeuten bewusst eine Hyperventilation auszulösen um die Diagnose zu bestätigen und den Umgang damit in der Situation zu erlernen. 3 Minuten schnelles flaches Atmen reichen hierfür meist aus. Kurze Pathophysiologie Der normal Blut pCO2 liegt zwischen 36 und 44 mm Hg; Bei Hyperventilation sinkt er unter 36 mm Hg, je niedriger der Wert unter 36 umso schlimmer die Symptome. Bei Menschen die zu Hyperventilation neigen, ist oft auch ohne Symptome in Ruhe bereits der pCO2 (Partialdruck des Kohlendioxids) erniedrigt, da sie oft auch wenn sie keine Symptome haben flacher atmen, sie benutzen überwiegend die Brustatmung und weniger die Bauch- oder Zwerchfellatmung. Das Atemzentrum im Gehirn stell sich oft auf diesen niedrigeren pCO2 ein, deshalb wird seitens des Atemzentrum bereits dann eine Atembeschleunigung initiiert, wenn der pCO2 noch unter dem normalen Wert liegt. Ganz physiologisch führt eine Hyperventilation zu einer Hypokapnie, respiratorischen Alkalose, Anstieg des Adrenalinspiegels, vermehrte Sauerstoffbindung des Hämoglobins (Bohreffekt) und damit verminderter Sauerstoffabgabe an das Gewebe, zu einer Hypophosphatämie, zu anfänglicher Gefäßerweiterung und rascher darauffolgender Gefäßverengung, Verminderter Blutversorgung des Gehirns, sehr selten auch zu koronaren Vasospasmen. Alle Veränderungen normalisieren sich schnell bei Normalisierung der Atmung. Die Symptome mit schnellem Atmen, Taubheitsgefühlen an Händen, Mund und Füßen, Muskelverkrampfungen, trockener Mund, Unruhe, Bauchschmerzen, Brustschmerzen, Kopfweh, Schwindel, Benommenheit, Schwächegefühl, Gähnen, Synkopen, Schweißausbrüche, verwaschene Sprache, verschwommenes Sehen und Angst erklären sich zwar alleine aus der Hyperventilation, "ganz physiologisch", sollten aber bis eine organische Erkrankung ausgeschlossen ist, zunächst Anlass zur organischen Abklärung sein. Denkbare körperliche Ursachen sind beispielsweise Lungenerkrankungen, Herzinsuffizienz, Kalzium- und Magnesiummangel, Hyperkaliämie, Hyperparathyreoidismus, sehr selten Enzephalitis oder Hirntumore, Tetanus oder Vergiftungen. Nach entsprechender Ausschlussdiagnostik ist es aber sinnvoll selbst zu lernen mit den Symptomen umzugehen. Wenn Hyperventilation zur Ohnmacht führt.
Hyperventilation führt nur selten zur Ohnmacht. Es gibt aber Menschen, die
allgemein, ohne dass man eine Ursache findet schnell ohnmächtig werden.
Auslösend sind manchmal Schmerzen, Blutabnahmen, Blutverlust oder großer "orthostatische
Stress". Bei manchen Menschen reicht sogar ein leichterer "orthostatischer
Stress" im Sinne eines schnellen Aufrichtens etc. Auch hier scheint die
Hyperventilation entscheidend auslösend zu sein, ursächlich ist die Veranlagung
so sensitiv auf eine HV zu reagieren. In einer Studie hatten Menschen die zu
solchen Ohnmachten neigten eine Übersensibilität der Blutgefäße im Gehirn auf
den abgesunkenen
pCO2
im Vergleich zu Kontrollpersonen. Die Hirngefäße haben sich sehr schnell
kontrahiert, eine kompensatorische adrenerge Antwort blieb aus. Die
Einschränkung der Blutzufuhr für das Gehirn wurde bei diesen Personen noch
dadurch verschlimmert, dass sich die peripheren Gefäße auf den abgesunkenen
pCO2
im Vergleich zu Kontrollpersonen erweiterten, so dass die daraus resultierende
Blutdruckabsenkung zusätzlich zur Verminderung des cerebralen Blutflusses
beitrug. Menschen die zu solchen Ohnmachten neigen, können daher von einem
besseren Umgang mit der unbewussten Hyperventilation profitieren. (Ann Neurol
2008;63:288–294) Karl C. Mayer Heidelberg,
Friedrich Ebert Anlage 7 www.neuro24.de
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