Karl C. Mayer, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse

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Dissoziative Störungen [Konversionsstörungen]

ausführliches auch im Kapitel Posttraumatische Belastungsstörung

zunächst ein Zitat aus: Ulrich Tiber Egle - Marie-Luise Ecker-Egle -Psychogene Störungen in der Neurologie, Psychotherapeut 1998 - 43:247–261 © Springer-Verlag 1998

Häufigkeit Knapp 10% der an einer neurologischen Universitätsklinik stationär aufgenommenen Patienten leiden unter psychogenen Störungen (Lempert et al. 1990) bzw. der Somatisierung eines psychischen Konflikts oder einer psychosozialen Belastung mit neurologischer Leitsymptomatik. Symptomatisch stehen bei knapp 25%Schmerzen, bei weiteren 20% motorische Störungen (Paresen, Astasie/Abasie, Tremor), bei 18% Schwindel, bei 15% Anfälle und bei 14% sensorische Störungen (Parästhesie, Hypästhesie) im Vordergrund. Diese relativ hohen Prävalenzwerte – in britischen Studien liegen sie noch um mehr als das Doppelte höher – weisen auf die differentialdiagnostiche Bedeutung psychischer Störungen mit neurologischer Leitsymptomatik hin. Leider werden diese Patienten nach Ausschluss einer neurologischen Störung immer noch häufig als „Simulanten" eingeordnet oder pauschal als „larvierte Depression" etikettiert
Das allgemeine Kennzeichen der dissoziativen oder Konversionsstörungen besteht in teilweisem oder völligen Verlust der normalen Integration der Erinnerung an die Vergangenheit, des Identitätsbewusstseins, der Wahrnehmung unmittelbarer Empfindungen sowie der Kontrolle von Körperbewegungen. Alle dissoziativen Störungen neigen nach einigen Wochen oder Monaten zur Remission, besonders wenn der Beginn mit einem traumatisierenden Lebensereignis verbunden ist. Eher chronische Störungen, besonders Lähmungen und Gefühlsstörungen, entwickeln sich, wenn der Beginn mit unlösbaren Problemen oder interpersonalen Schwierigkeiten verbunden ist. Diese Störungen wurden früher als verschiedene Formen der "Konversionsneurose oder Hysterie" klassifiziert. Sie werden als ursächlich psychogen angesehen, in enger zeitlicher Verbindung mit traumatisierenden Ereignissen, unlösbaren oder unerträglichen Konflikten oder gestörten Beziehungen. Die Symptome verkörpern häufig das Konzept der betroffenen Person, wie sich eine körperliche Krankheit manifestieren müsste. Körperliche Untersuchung und Befragungen geben keinen Hinweis auf eine bekannte somatische oder neurologische Krankheit. Zusätzlich ist der Funktionsverlust offensichtlich Ausdruck emotionaler Konflikte oder Bedürfnisse. Die Symptome können sich in enger Beziehung zu psychischer Belastung entwickeln und erscheinen oft plötzlich. Nur Störungen der körperlichen Funktionen, die normalerweise unter willentlicher Kontrolle stehen und Verlust der sinnlichen Wahrnehmung sind hier eingeschlossen. Störungen mit Schmerz und anderen komplexen körperlichen Empfindungen, die durch das vegetative Nervensystem vermittelt werden, sind unter Somatisierungsstörungen (F45.0) zu klassifizieren. Die Möglichkeit eines späteren Auftretens ernsthafter körperlicher oder psychiatrischer Störungen muss immer mitbedacht werden.

Dissoziative Störungen und Konversionsstörungen sind im ICD 10 synonym verwandt. Vorrangig gemeint sind hier rein psychogene Störungen mit überwiegend neurologischen Symptomen- im Gegensatz zu den anderen somatoformen Störungen. Auch hier handelt es sich zunächst um eine Ausschlussdiagnose, wobei vor allem neurologische Erkrankungen ausgeschlossen werden müssen. Dissoziation heißt wörtlich Spaltung (des Bewusstseins). Der Begriff wurde von Janet zur Erklärung hysterischer Phänomene verwendet. Beispiele für dissoziative Phänomene sind Depersonalisation, Derealisation, Fuguezustände und Amnesien.
Allen diesen Zuständen ist gemein, dass die integrative Leistung des Bewusstseins, der Identität, des Gedächtnisses oder der Wahrnehmung gestört ist. Dissoziative Zustände spielen sonst bei den posttraumatischen Belastungsstörungen eine wesentliche Rolle. Nur in sehr seltenen Fällen werden die Symptome willentlich und wissentlich hervorgerufen und sind dann als Simulation (zur Erlangung eines persönlichen Vorteils) oder als so genannte „Artifizielle Störung“ (mit zugrunde liegenden unbewussten Motiven zum Erreichen der Krankenrolle; hierher gehört auch das Münchhausensyndrom) anzusehen, entsprechen dann also keiner Konversionsstörung. Im Einzelfall kann eine Abgrenzung zur vorgetäuschten Störung schwer zu treffen sein. Diese Störung wird teilweise noch hysterische Neurose, und psychogene Organfunktionsstörung genannt. Die Bezeichnung Konversionssyndrom geht auf Freud zurück. Hier wird bei Stellung der Diagnose nicht nur die Phänomenologie sondern auch die vermutete Ursache berücksichtigt. Freud glaubte, dass von der Vorstellung abgetrennte, und verdrängte libidinöse Energie in sensomotorische Kanäle abgedrängt werde. Beim Prozess der Konversion werden unbewusste psychische Wünsche, Strebungen, Konflikte und Triebe in körperlichen Ausdruck mit oft dramatisierendem Darstellungsstil verwandelt. Ein zentraler Mechanismus ist die Abspaltung vom Bewusstsein in Form der Dissoziation. So könne es geschehen, dass seelische Konflikte und Angst in körperliche Symptome „konvertiert“= umgewandelt würden, ein Umwandlungsprozess vom Psychischen ins körperliche (oder somatoforme). Viele der Symptome von Patienten mit Konversionsstörung ähneln neurologischen Erkrankungen.  Bei Konversionsstörungen wird also per Definition neurotisches Erleben und Verhalten körperlich manifestiert. Bei der Konversion handelt es sich um eine Symptombildung mit symbolhafter Somatisierung. Das Symptom hat Ausdruckscharakter. Die Konversionsstörung drückt entweder einen symbolischen Konflikt aus oder führt für den Betroffenen zu vorteilhaften Konsequenzen. Ein Beispiel hierfür ist die Einsatzunfähigkeit eines Soldaten nach Lähmung seiner Hand. Das DSM-IV verlangt den auch ausdrücklich das Vorhandensein einer psychosozialen Belastungssituation während des Ausbruchs der Krankheit. Diese Übertragung von psychischen Konflikten auf körperliche Störungen erfolgt dabei unbewusst, d.h. der Patient hat keine direkte, willentliche Kontrolle über die Störung. Durch die Scheinlösung des Konfliktes bekommt das Symptom einen Angst-reduzierenden Charakter („primärer Krankheitsgewinn“). Der sekundäre Krankheitsgewinn spielt bei der Chronizierung eine wesentliche Rolle, aus der Symptomatik wird ein subjektiver Nutzen gezogen, dieser Nutzen ist ein Ersatz für das Misslingen der Lösung des eigentlichen Konflikts. Zuwendung, Fürsorge und  die Möglichkeit den Anforderungen der Gesellschaft oder Familie zu entgehen sind der Ersatz. Die Häufigkeit ist umstritten. In manchen Bereichen stellt die Konversionsstörung aber eine häufige Differenzialdiagnose dar. Beispiel: 5–20 % aller Patienten mit therapieresistenten Anfällen in einer Epilepsieambulanz bzw. 10–40 % aller Patienten, die zum prolongierten Epilepsie-Monitoring zugewiesen werden, leiden an psychogenen Anfällen. 11–23 % der Patienten, die wegen eines vermeintlichen Status epilepticus an einer Intensivstation aufgenommen werden, befinden sich im psychogenen Status epilepticus. Die Komorbidität von psychogenen und epileptischen  Anfällen liegt bei 5–40 %. Th. Kapitany und Ch. Baumgartner  Man geht davon aus, dass 1-9% aller stationären neurologischen Patienten unter einer Konversionsstörung leiden. Gemeint sind nach dem DSM IV  (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders oder dem ICD-10, Symptome, die eine Neurologische Diagnose vermuten lassen, die nicht auf Simulation zurückgehen und als “psychogen,” “nicht -organisch erklärbar, ”“hysterisch,” “und manchmal “funktionelle Symptome” benannt werden.  Slater publizierte 1965 eine Studie bei der sich die Diagnose Konversionsstörung bei 33% der Patienten als Fehldiagnose herausstellte. Im Nachhinein geht man davon aus, dass seine und ähnliche Studien aus den 50er und 60er Jahren bei schlechter Qualität ein Artefakt produziert haben. Seit 1970 hat sich dieses Bild aber grundlegend gewandelt, was nicht  auf die Einführung der Computertomographie und andere verbesserter Diagnosemöglichkeiten im organischen Bereich zurückführbar ist (da vor der Verbreitung des CT), sondern auch auf sorgfältigere psychiatrische Diagnostik und bessere Studien zum Thema zurückgeht. Auch die weite Verbreitung des CT und der Kernspintomographie seit 1970 hat die seit dem konstant Rate von 4% Fehldiagnosen nicht wesentlich verändert.  Seit 1970er Jahre ergeben Studien regelmäßig eine Fehldiagnoserate von etwa 4% bei der Diagnose einer Konversionsstörung, wenn versucht wird, diese durch sorgfältige organische Ausschlussdiagnostik und mindestens 6-monatige Nachbeobachtung zu relativieren. Die Trefferwahrscheinlichkeit ist damit mit 96% tatsächlich zutreffender Diagnosen hoch. So jedenfalls das Ergebnis auch einer neuen Metaanalyse von 1466 Fällen die jetzt im BMJ veröffentlich wurde.   Bedenken muss man, dass der umgekehrte Fall häufiger ist. Etwa 25% der Patienten, bei denen eine Epilepsie diagnostiziert wird, hatten ganz einfach eine Synkope, immerhin 8% der Patienten, bei denen eine MS diagnostiziert wird, stellen sich hinterher als Konversionsstörung heraus. Fehldiagnosen mit erheblicher Konsequenz sind also in die umgekehrte Richtung häufiger. Patienten mit Konversionsstörungen oder somatoformen Störungen berichten in der Anamnese häufig über gesicherte Erkrankungen, die nicht vorliegen. Nach Studien stellt sich bei genauer Nachforschung in vielen Fällen heraus, dass die angegebene Diagnose ausgeschlossen worden war. Die Konversionsstörung geht mit dem Verlust oder aber mit Veränderungen von Körperfunktionen einher. Eine organische Ursache lässt sich jedoch nicht finden. Am häufigsten sind Stimmverlust; Lähmung bestimmter Körperteile, vornehmlich der Extremitäten; Bewegungsunfähigkeit; Koordinationsstörungen; Blindheit oder Sehstörungen wie Einschränkung des Gesichtsfeldes (Tunnelgefühl). Bei etwa einem Drittel der Patienten zeigt sich eine sog. „La belle indifference“ d.h. die Patienten legen, trotz objektiv starker Beeinträchtigung eine besonders gleichgültige Haltung gegenüber der Krankheit an den Tag. Manche Patienten sind mit dieser Störung zufrieden und heiter gestimmt. Sie zeigen kein Interesse daran die Konversionsstörung loszuwerden. Meist verschwindet die im frühen Erwachsenenalter abrupt auftretende Störung so abrupt, wie sie aufgetreten ist. Tritt die Störung daraufhin ein zweites mal auf, zeichnet sich dadurch ein chronischer Verlauf ab. Die Zahl der fälschlicherweise diagnostizierter Konversionssymptome ist nach manchen Veröffentlichungen erschreckend hoch. Oft stellt sich in der Katamnese heraus, dass doch eine organische Störung vorliegt.  Aufgrund der verbesserten diagnostischen Möglichkeiten, gerade im neurologischen Bereich (z.B. durch neue radiologische Methoden) sind Fehldiagnosen vermutlich wesentlich seltener geworden. Eine Studie mit Hirn- SPECT zeigte bei Patienten mit Konversionsstörungen (1) eine selektive Unteraktivierung bestimmter tiefer liegender Gehirnregionen (Thalamus und gezähnte Kerne), die an der bewussten Bewegungskontrolle beteiligt sind; (2) eine Normalisierung dieser Aktivierung, wenn die hysterischen Konversionsstörungen verschwinden und die Patienten den normalen bewussten Gebrauch ihres betroffenen Körperglieds zurückerhalten haben; (3) die Schwere der anfänglichen zerebralen Unteraktivierung ist bei Patienten, deren Störungen mehr als ein Jahr anhalten, ausgeprägter und scheint so potentiell den Heilungszeitraum  vorherzusagen. Ergebnisse auch übereinstimmend mit anderen Forschungsgebieten der Neurowissenschaft, die vermuten lassen, dass psycho-affektive Prozesse in "automatischer" und unbewusster Weise, unabhängig vom menschlichen Willen arbeiten und potentiell in der Lage sind, die Aktivität der zerebralen Bereiche, die bei der sensorischen Perzeption beteiligt sind, zu verändern (P. Vuilleumier, C. Chicherio, F. Assal. S. Schwartz, D. Slosman, T, Landis Functional neuroanatomical correlates of hysterical sensorimotor loss, Brain 2001, 174: pp. 1077-1090)
Die meisten dissoziativen Störungen neigen nach einigen Wochen oder Monaten zur Remission. Psychoanalyse oder tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie sind bei dieser Störung die Behandlung der Wahl. Wichtig in der Behandlung, ist dass Patienten nicht das Gefühl bekommen "überführt" zu werden, eine Unterstützung bei der Aufgabe eines Symptoms durch den Patienten ist nur unter „Wahrung des Gesichts“ möglich. Weitere Interventionen sind das Ignorieren appellativ dargebotener Symptome, wiederholte Ermutigung zur Aufgabe derselben, Verstärkung symptomantagonistischer Verhaltensweisen, mithin Anbahnung grundlegender Veränderungen der bisherigen (auch familiären) Kommunikation um das Symptom.  Training sozialer Kompetenzen bei entsprechenden Defiziten, Einzel- und Gruppenpsychotherapie, bei Bedarf (z.B. fortwirkende Entwicklungsstörungen) entsprechende Übungsbehandlungen bzw. Reduktion von (Selbst-)überforderungen.  Im Verlauf der Behandlung soll Psychogeneseverständnis erworben werden, wichtig ist eine leistungsabhängige und leistungsunabhängige Stabilisierung des Selbstwertgefühls, eine Verbesserung der emotionalen Ausdrucksfähigkeit und sozialen Kompetenz, der Ausbau und die Erprobung von alternativen Konfliktbewältigungsmöglichkeiten, Aufbau von Gesundheitsverhalten und Reduktion des Krankheitsverhaltens, die Erarbeitung von Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des eigenen Körpers sowie der psychischen und sozialen Handlungs- und Erlebnisfähigkeit. F Ovsiew, What is wrong in conversion disorder? J. Neurol. Neurosurg. Psychiatry, May 1, 2003; 74(5): 557 - 557. [Full Text]  A J Carson, S Best, K Postma, J Stone, C Warlow, and M Sharpe The outcome of neurology outpatients with medically unexplained symptoms: a prospective cohort study J. Neurol. Neurosurg. Psychiatry, July 1, 2003; 74(7): 897 - 900. [Abstract] [Full Text] [PDF] J. STONE, M. ZEIDLER, and M. SHARPE Misdiagnosis of Conversion Disorder Am J Psychiatry, February 1, 2003; 160(2): 391 - 391. [Full Text] [PDF] J Stone, A Zeman, and M Sharpe Functional weakness and sensory disturbance J. Neurol. Neurosurg. Psychiatry, September 1, 2002; 73(3): 241 - 245. [Abstract] [Full Text] [PDF] M. Ron Explaining the unexplained: understanding hysteria Brain, June 1, 2001; 124(6): 1065 - 1066. [Full Text] A. J Carson, B. Ringbauer, J. Stone, L. McKenzie, C. Warlow, and M. Sharpe Do medically unexplained symptoms matter? A prospective cohort study of 300 new referrals to neurology outpatient clinics J. Neurol. Neurosurg. Psychiatry, February 1, 2000; 68(2): 207 - 210. [Abstract] [Full Text]  J. Stone, R. Smyth, A. Carson, S. Lewis, R. Prescott, C. Warlow, and M. Sharpe Systematic review of misdiagnosis of conversion symptoms and "hysteria"BMJ, October 29, 2005; 331(7523): 989. [Abstract] [Full Text] [PDF] M Reuber, A J Mitchell, S J Howlett, H L Crimlisk, and R A Grunewald Functional symptoms in neurology: questions and answers J. Neurol. Neurosurg. Psychiatry, March 1, 2005; 76(3): 307 - 314.[Abstract] [Full Text] [PDF] C Toth Hemisensory syndrome is associated with a low diagnostic yield and a nearly uniform benign prognosis Journal of Neurology Neurosurgery and Psychiatry 2003;74:1113-1116 Stone J, Sharpe M, Rothwell PM, Warlow CP. The 12 year prognosis of unilateral functional weakness and sensory disturbance. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2003;74: 591-6 J. Stone, M. Sharpe, and M. Binzer Motor Conversion Symptoms and Pseudoseizures: A Comparison of Clinical Characteristics Psychosomatics, December 1, 2004; 45(6): 492 - 499. [Abstract] [Full Text] [PDF]  A Schrag, R J Brown, and M R Trimble Reliability of self-reported diagnoses in patients with neurologically unexplained symptoms J. Neurol. Neurosurg. Psychiatry, April 1, 2004; 75(4): 608 - 611. [Abstract] [Full Text] [PDF]  Siehe Leitlinie http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/kjpp-009.htm  siehe auch http://www.btonline.de/krankheiten/konversionsstoerungen/konversionsstoerungen.html
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Hysterie
Hysterische Psychose
Konversionhysterie
Konversionsreaktion
Exkl.: Simulation [bewusste Simulation]
Dissoziative Amnesie
Das wichtigste Kennzeichen ist der Verlust der Erinnerung für meist wichtige aktuelle Ereignisse, die nicht durch eine organische psychische Störung bedingt ist und für den eine übliche Vergesslichkeit oder Ermüdung als Erklärung nicht ausreicht. Die Amnesie bezieht sich meist auf traumatische Ereignisse wie Unfälle oder unerwartete Trauerfälle und ist in der Regel unvollständig und selektiv. Eine vollständige und generalisierte Amnesie ist selten, dann gewöhnlich Symptom einer Fugue (F44.1) und auch als solche zu klassifizieren. Die Diagnose sollte nicht bei hirnorganischen Störungen, Intoxikationen oder extremer Erschöpfung gestellt werden.
Exkl.: Alkohol- oder sonstige substanzbedingte amnestische Störung
Amnesie: - anterograd- retrograd - o.n.A. Nicht alkoholbedingtes organisches amnestisches Syndrom, Postiktale Amnesie bei Epilepsie
Dissoziative Fugue
Eine dissoziative Fugue ist eine zielgerichtete Ortsveränderung, die über die gewöhnliche Alltagsmobilität hinausgeht. Darüber hinaus zeigt sie alle Kennzeichen einer dissoziativen Amnesie (F44.0). Obwohl für die Zeit der Fugue eine Amnesie besteht, kann das Verhalten des Patienten während dieser Zeit auf unabhängige Beobachter vollständig normal wirken.
Exkl.: Postiktale Fugue bei Epilepsie
Dissoziativer Stupor                                    zurück zum Seitenanfang  
Dissoziativer Stupor wird aufgrund einer beträchtlichen Verringerung oder des Fehlens von willkürlichen Bewegungen und normalen Reaktionen auf äußere Reize wie Licht, Geräusche oder Berührung diagnostiziert. Dabei lassen Befragung und Untersuchung keinen Anhalt für eine körperliche Ursache erkennen. Zusätzliche Hinweise auf die psychogene Verursachung geben kurz vorhergegangene belastende Ereignisse oder Probleme.
Exkl.: Organische katatone Störung
- depressiv - kataton - manisch
Trance- und Besessenheitszustände
Bei diesen Störungen tritt ein zeitweiliger Verlust der persönlichen Identität und der vollständigen Wahrnehmung der Umgebung auf. Hier sind nur Trancezustände zu klassifizieren, die unfreiwillig oder ungewollt sind, und die außerhalb von religiösen oder kulturell akzeptierten Situationen auftreten.
Exkl.: Zustandsbilder bei:
- Intoxikation mit psychotropen Substanzen - organischem Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma - organischer Persönlichkeitsstörung - Schizophrenie - vorübergehenden akuten psychotischen Störungen
Dissoziative Bewegungsstörungen
Die häufigsten Formen zeigen den vollständigen oder teilweisen Verlust der Bewegungsfähigkeit eines oder mehrerer Körperglieder. Sie haben große Ähnlichkeit mit fast jeder Form von Ataxie, Apraxie, Akinesie, Aphonie, Dysarthrie, Dyskinesie, Anfällen oder Lähmungen.
Psychogen:
- Aphonie
- Dysphonie
1998 Schattauerverlag
Dissoziative Krampfanfälle
Dissoziative Krampfanfälle können epileptischen Anfällen bezüglich ihrer Bewegungen sehr stark ähneln. Zungenbiss, Verletzungen beim Sturz oder Urininkontinenz sind jedoch selten. Ein Bewusstseinsverlust fehlt oder es findet sich statt dessen ein stupor- oder tranceähnlicher Zustand.
Dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen                                      zurück zum Seitenanfang  
Die Grenzen anästhetischer Hautareale entsprechen oft eher den Vorstellungen des Patienten über Körperfunktionen als medizinischen Tatsachen. Es kann auch unterschiedliche Ausfälle der sensorischen Modalitäten geben, die nicht Folge einer neurologischen Läsion sein können. Sensorische Ausfälle können von Klagen über Parästhesien begleitet sein. Vollständige Seh- oder Hörverluste bei dissoziativen Störungen sind selten. Besonders häufig beobachtet wurden psychogene Erblindungen oder Sehstörungen (aber auch andere dissoziative Symptome) beispielsweise in den Weltkriegen oder im Vietnam-Krieg. Auch Hitler soll im ersten Weltkrieg zeitweise eine psychogene Erblindung gehabt haben. Wirklich empfundene Sehstörungen sind dabei oft nicht einfach von Simulation ( Z 76.5) und Aggravation, um z.B. dem Fronteinsatz zu entgehen abzugrenzen. Auch bei sozialmedizinischen Gutachten spielt die Unterscheidung dissoziativer Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen von Aggravation (Übertreiben) und Simulation (bewusstes Vortäuschen) eine Rolle. Grundlage solcher Symptombildungen kann ebenso ein scheinbar unlösbarer Konflikt,  Hilflosigkeit, mangelnde Problembewältigung oder Überforderung sein. Grundlage der Aggravation und Simulation ist aber auch manchmal eine dissoziale Persönlichkeit oder einfach eine Begehrenshaltung. Dabei sind auch Mischbilder zwischen Aggravation und dissoziativen Störungen möglich. Erschwert wird die Diagnostik oft dadurch, dass eine "vollständige Erblindung" bei dissoziativen Störungen selten angegeben wird, häufiger ein Verlust an Sehschärfe, Verschwommen- oder Tunnelsehen. Trotz der Klagen über Sehverlust sind die allgemeine Beweglichkeit und die motorischen Leistungen der betroffenen Personen oft überraschend gut erhalten. Alleine die Tatsache, dass der angegebene Sehverlust nicht mit dem beobachteten Verhalten korreliert bedeutet also nicht, dass es sich um Simulation handelt. Neben Aggravation und Simulation müssen dissoziative Störungen auch von absichtlich erzeugten körperlichen Störungen abgegrenzt werden.  Bei eindeutigen Hinweisen auf eine  Aggravation und Simulation ist auch von einer willentlichen Steuerbarkeit der Symptome auszugehen, was dann deren sozialmedizinische Relevanz sehr relativiert. Zur Diagnose muss immer eine ausreichende organische Ausschlussdiagnostik durchgeführt worden sein. Beispielsweise kann leicht eine Sehnervenentzündung mit einer psychogene Erblindungen oder Sehstörung verwechselt werden. Dissoziative Störungen haben nach (rationaler) Ausschlussdiagnostik eine hohe Spontanheilungsrate (mindestens die Hälfte remittiert rasch). Ein Teil der Kranken entwickelt ein oft ärztlich unterstütztes pathologisches Krankheitsverhalten.
.1. Ein beschreibbarer seelischer Konflikt, der mit Wahrscheinlichkeit in eine unmittelbare Beziehung zur Symptombildung gebracht werden kann, geht der Erkrankung zeitlich voraus.

2. Eine auslösende soziale Situation, die meist durch eine emotionale (gelegentlich sogar traumatische) Belastung zur Konfliktstimulation beträgt, steht in einem direkten zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Symptomatik.

3. Die Symptomwahl (Art des Symptoms) und/oder die Symptomlokalisation ist über eine konkrete (oft nicht bewußte) Vorstellung oder eine (biographische) Erfahrung stimmig abzuleiten oder über ein Identifizierungsmodell belegbar.

4. Dissoziative Vorgänge vor allem Amnesien, massive Verdrängungen, deutliche „Fehlleistungen" sind aktuell oder anamnestisch nachweisbar.

5. Eine ausgeprägte intrapsychische Entlastung durch das Symptom ist nachweisbar und/oder Konversionssymptome sind für die Vorgeschichte zu belegen.

 

 

 

F44 Dissoziative Störungen [Konversionsstörungen]
Das allgemeine Kennzeichen der dissoziativen oder Konversionstörungen besteht in teilweisem oder völligen Verlust der normalen Integration der Erinnerung an die Vergangenheit, des Identitätsbewußtseins, der Wahrnehmung unmittelbarer Empfindungen sowie der Kontrolle von Körperbewegungen. Alle dissoziativen Störungen neigen nach einigen Wochen oder Monaten zur Remission, besonders wenn der Beginn mit einem traumatisierenden Lebensereignis verbunden ist. Eher chronische Störungen, besonders Lähmungen und Gefühlsstörungen, entwickeln sich, wenn der Beginn mit unlösbaren Problemen oder interpersonalen Schwierigkeiten verbunden ist. Diese Störungen wurden früher als verschiedene Formen der "Konversionsneurose oder Hysterie" klassifiziert. Sie werden als ursächlich psychogen angesehen, in enger zeitlicher Verbindung mit traumatisierenden Ereignissen, unlösbaren oder unerträglichen Konflikten oder gestörten Beziehungen. Die Symptome verkörpern häufig das Konzept der betroffenen Person, wie sich eine körperliche Krankheit manifestieren müßte. Körperliche Untersuchung und Befragungen geben keinen Hinweis auf eine bekannte somatische oder neurologische Krankheit. Zusätzlich ist der Funktionsverlust offensichtlich Ausdruck emotionaler Konflikte oder Bedürfnisse. Die Symptome können sich in enger Beziehung zu psychischer Belastung entwickeln und erscheinen oft plötzlich. Nur Störungen der körperlichen Funktionen, die normalerweise unter willentlicher Kontrolle stehen und Verlust der sinnlichen Wahrnehmung sind hier eingeschlossen. Störungen mit Schmerz und anderen komplexen körperlichen Empfindungen, die durch das vegetative Nervensystem vermittelt werden, sind unter Somatisierungsstörungen (F45.0) zu klassifizieren. Die Möglichkeit eines späteren Auftretens ernsthafter körperlicher oder psychiatrischer Störungen muß immer mitbedacht werden.
Hysterie
Hysterische Psychose
Konversionhysterie
Konversionsreaktion
Exkl.: Simulation [bewußte Simulation]
F44.0 Dissoziative Amnesie
Das wichtigste Kennzeichen ist der Verlust der Erinnerung für meist wichtige aktuelle Ereignisse, die nicht durch eine organische psychische Störung bedingt ist und für den eine übliche Vergeßlichkeit oder Ermüdung als Erklärung nicht ausreicht. Die Amnesie bezieht sich meist auf traumatische Ereignisse wie Unfälle oder unerwartete Trauerfälle und ist in der Regel unvollständig und selektiv. Eine vollständige und generalisierte Amnesie ist selten, dann gewöhnlich Symptom einer Fugue (F44.1) und auch als solche zu klassifizieren. Die Diagnose sollte nicht bei hirnorganischen Störungen, Intoxikationen oder extremer Erschöpfung gestellt werden.
Exkl.: Alkohol- oder sonstige substanzbedingte amnestische Störung Amnesie: - anterograd - retrograd
-Nicht alkoholbedingtes organisches amnestisches Syndrom
Postiktale Amnesie bei Epilepsie
F44.1 Dissoziative Fugue
Eine dissoziative Fugue ist eine zielgerichtete Ortsveränderung, die über die gewöhnliche Alltagsmobilität hinausgeht. Darüber hinaus zeigt sie alle Kennzeichen einer dissoziativen Amnesie (F44.0). Obwohl für die Zeit der Fugue eine Amnesie besteht, kann das Verhalten des Patienten während dieser Zeit auf unabhängige Beobachter vollständig normal wirken.
Exkl.: Postiktale Fugue bei Epilepsie
F44.2 Dissoziativer Stupor
Dissoziativer Stupor wird aufgrund einer beträchtlichen Verringerung oder des Fehlens von willkürlichen Bewegungen und normalen Reaktionen auf äußere Reize wie Licht, Geräusche oder Berührung diagnostiziert. Dabei lassen Befragung und Untersuchung keinen Anhalt für eine körperliche Ursache erkennen. Zusätzliche Hinweise auf die psychogene Verursachung geben kurz vorhergegangene belastende Ereignisse oder Probleme.
Exkl.: Organische katatone Störung
Stupor:
- depressiv
- kataton
- manisch (
- o.n.A.
F44.3 Trance- und Besessenheitszustände
Bei diesen Störungen tritt ein zeitweiliger Verlust der persönlichen Identität und der vollständigen Wahrnehmung der Umgebung auf. Hier sind nur Trancezustände zu klassifizieren, die unfreiwillig oder ungewollt sind, und die außerhalb von religiösen oder kulturell akzeptierten Situationen auftreten.
Exkl.: Zustandsbilder bei:
- Intoxikation mit psychotropen Substanzen , vierte Stelle .0)
- organischem Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma
- organischer Persönlichkeitsstörung (
- Schizophrenie
- vorübergehenden akuten psychotischen Störungen
F44.4 Dissoziative Bewegungsstörungen
Die häufigsten Formen zeigen den vollständigen oder teilweisen Verlust der Bewegungsfähigkeit eines oder mehrerer Körperglieder. Sie haben große Ähnlichkeit mit fast jeder Form von Ataxie, Apraxie, Akinesie, Aphonie, Dysarthrie, Dyskinesie, Anfällen oder Lähmungen.
Psychogen:
- Aphonie
- Dysphonie
F44.5 Dissoziative Krampfanfälle
Dissoziative Krampfanfälle können epileptischen Anfällen bezüglich ihrer Bewegungen sehr stark ähneln. Zungenbiß, Verletzungen beim Sturz oder Urininkontinenz sind jedoch selten. Ein Bewußtseinsverlust fehlt oder es findet sich statt dessen ein stupor- oder tranceähnlicher Zustand.
F44.6 Dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen
Die Grenzen anästhetischer Hautareale entsprechen oft eher den Vorstellungen des Patienten über Körperfunktionen als medizinischen Tatsachen. Es kann auch unterschiedliche Ausfälle der sensorischen Modalitäten geben, die nicht Folge einer neurologischen Läsion sein können. Sensorische Ausfälle können von Klagen über Parästhesien begleitet sein. Vollständige Seh- oder Hörverluste bei dissoziativen Störungen sind selten.
Psychogene Schwerhörigkeit oder Taubheit
F44.7 Dissoziative Störungen [Konversionsstörungen], gemischt
Kombinationen der unter F44.0-F44.6 beschriebenen Störungen.
F44.8 Sonstige dissoziative Störungen [Konversionsstörungen]
Ganser-Syndrom
Multiple Persönlichkeit(sstörung)
Psychogen:
- Dämmerzustand
- Verwirrtheit
F44.9 Dissoziative Störung [Konversionsstörung], nicht näher bezeichnet

 

Links

 

Leitlinie Dissoziative Störung der Bewegung und Empfindung / Konversionsstörung

Dissoziative Strörungen (Konversionsstörungen)(bei Kindern)

 

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