Karl C. Mayer, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse

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Vorschläge für eine kooperative Konfliktlösung

Konflikte sind im Umgang von Menschen miteinander ein zunächst normales Phänomen. Dies gilt auch für Gruppen und Gesellschaften, sie haben dort auch eine positive sozialisatorische bzw. systemintegrative Funktion. Sie sind Auslöser bzw. Förderer sozialen Wandels,  geregelte Konflikt werden vielfach als  gleichbedeutend mit Freiheit angesehen. Konflikte sind integraler Bestandteil jeglichen Zusammenlebens. Da Konflikte häufig als Kampfsituationen wahrgenommen werden, die gewonnen werden müssen, entfaltet sich oft eine innere Konfliktdynamik, die eine friedliche, konstruktive und gewaltfreie Regelung nicht mehr möglich macht. Dabei ist die Einstellung, daß der eigene Gewinn nur durch den Verlust des Gegners zu erzielen sei (sogenanntes Nullsummenspiel) weit verbreitet. Untersuchungen über das Verhalten von Menschen in Konfliktsituationen haben gezeigt, daß eine Mehrheit der Versuchspersonen dazu neigt, den eigenen Vorteil durch immer intensiveren Einsatz oder striktes Beharren auf der eigenen Position wahrzunehmen und dies selbst dort, wo sich Mißerfolge abzuzeichnen begannen. Dieses Verhaltensmuster wurde begleitet durch eine fortschreitende Einschränkung der Wahrnehmungs- und Entscheidungsfähigkeit. Die Überprüfung der Wahrnehmung kann am ehesten durch die Einbeziehung einer unabhängigen Dritten Partei geschehen. Diese kann als Vertrauensinstanz für beide Seiten dazu beitragen, eine gemeinsame Sicht der Dinge zu erreichen. Auch bei ausgehandelten Verfahrensregeln setzt dies die Akzeptanz des Schlichters durch beide Parteien voraus. Der Wille zu einer kooperativen Lösung ist in der Regel eine Voraussetzung für eine Lösung von Konflikten.

Streiten, das Führen einer Auseinandersetzung kann man lernen.

Mißverständnisse vermeiden, Gefühle klar aussprechen und respektieren,  über konkrete Dinge und über konkrete Lösungen sprechen.

Andauernde Konflikte zwischen 2 oder mehr Menschen haben nur sehr selten ihre Ursache in einer der beteiligten Personen. Meist haben alle an der Entstehung ihren Anteil. Dies sollte nicht mit Schuld verwechselt werden. Konflikte sind auch Teil eines normalen Anpassungsprozesses in einer Beziehung. Es ist also ganz normal, daß es zwischen Menschen Auseinandersetzungen über bestimmte Dinge gibt. Ein Gespräch kann hier helfen, eine Lösung für diese Auseinandersetzungen zu finden. Doch genau dies ist oft gar nicht so einfach. Gerade im Streit liegen sachliche Aussagen und Gefühle von Wut und Verletzung oft nahe beieinander - und das macht eine Lösung oft unmöglich. Grundvoraussetzung beim Versuch einen Konflikt zu lösen, ist dann beide Parteien sich gegenseitig erlauben, das Gesicht zu wahren.

Selbstverständlich gibt es auch Situationen in denen eine reine Opfer/Täterkonstellation besteht. Dann muss diese auch so benannt werden. In Opfer/Täterkonstellationen ist nur sehr selten eine Konfliktlösung ohne Hilfe von außen möglich. Die folgenden Infos sind deshalb hierfür nicht gedacht. Sie sollen vielmehr als Anregung in Konflikten zwischen freiwillig und längerfristig aneinander gebundenen Personen dienen. Auch wenn bereits Gewalt unmittelbar angedroht wurde oder bereits ausgeübt wird, sollte man unbedingt sich selber schützen - Weglaufen ist dabei zunächst oft der beste Schutz, keine Heldentaten! Man sollte dann immer professionelle Hilfe suchen, auch wenn Unbekannte betroffen sind, Kleidung, das Aussehen und Fluchtrichtung eines Täters sich merken und der Polizei weitergeben. Auf genügend Abstand achten, auch dem der droht einen Fluchtweg offen lassen. Wenn nötig sollte man sich um Opfer kümmern. Auch wenn bereits Gewalt unmittelbar angedroht wurde, ist ohne die Hilfe von Dritten meistens keine Konfliktlösung möglich. Notruf 110.  Tipps zur gewalttätigen Auseinandersetzungen bei http://www.polizei.hamburg.de
 

 

Was ist kooperative Konfliktlösung

Die Möglichkeiten der kooperativen Konfliktlösung bieten nicht nur Vorteile. Der Zeitaufwand ist im Verhältnis zu anderen Formen der Konfliktbewältigung größer, und auch bei diesem Aufwand ist keine Lösung garantiert. Konfliktbewältigungsgespräche sind besonders dann sinnvoll, wenn die Konfliktparteien noch längere Zeit miteinander zu tun haben Wichtige Schritte bei diesem Vorgehen sind:

  1. wenigstens eine der Parteien sollte zu Beginn an einer wirklichen Lösung interessiert sein.
  2. In schwierigen Situationen muß wenigstens eine Partei als positives Verhaltensmodell dienen können und ihre eigene Erregung unter Kontrolle haben.
  3. Man sollte systematisch vorgehen, d.h. eine Rangfolge der Bearbeitung festlegen.
  4. ein Machtungleichgewicht sollte nicht dazu benutzt werden, Gewalt anzuwenden, denn es soll ja für beide die beste Lösung gesucht werden.
  5. Es sollten die Annahmen, Erwartungen und Lösungsvorschläge verbalisiert werden und damit dem anderen zugänglich gemacht werden.
  6. Unter einer gewissen Kontrolle der Gefühlsprozesse sollte versucht werden, tragfähige Lösungen zu finden. Die augenblickliche Wut oder Enttäuschung über etwas sollte in einer nicht verletzenden Weise ausgedrückt werden
  7. Bevor man sich für eine Lösung entscheidet, sollte man sich viele verschiedene Handlungsmöglichkeiten überlegen.
  8. Man sollte sich nicht auf die Positionen, sondern auf die Interessen beziehen, damit die Bedürfnisse, die zu diesen Positionen geführt haben, berücksichtigt werden.
  9. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen der Person und dem Problem
  10. Der richtige Zeitpunkt: Zwischen "Tür und Angel" oder unter Hektik scheitern Gespräche fast zwangsläufig. Es kann dann besser sein, den Zeitpunkt der Klärung zu verschieben, um später in Ruhe, nachdem sich der akute Ärger etwas gelegt hat, das Problem anzugehen

 

Als destruktiv gelten Konflikte, die bei den Teilnehmern Unzufriedenheit und das Gefühl, "verloren zu haben," hinterlassen; als produktiv die Konflikte, die den Teilnehmern das Gefühl geben, daß der Konflikt einen Gewinn gebracht hat. Der destruktive Konflikt hat die Tendenz, sich auszubreiten und hochzuschrauben. So neigt jede Seite dazu, ihre eigenen Motive und Verhaltensweisen für angebrachter und berechtigter zu halten als die der anderen Seite. Oft hat dann der Konflikt mit den anfänglichen Ursachen nichts mehr gemein und hält auch dann noch an, wenn sie belanglos geworden oder schon vergessen sind

Neben dieser positiven Konfliktbearbeitung lassen sich noch andere Lösungsstrategien aufzeigen. Diese führen zwar nicht dazu, daß die Konfliktursachen ausgeschaltet werden, aber durch den Zeitgewinn und Abstand können sich neue Sichtweisen eröffnen. Außerdem haben sie den Vorteil, daß das Tagesgeschäft im Augenblick weitergehen kann. Das ist besonders bei kleinen Konflikten manchmal sinnvoll. Doch langfristig betrachtet, sind diese Formen der Konfliktbewältigung meist unbefriedigend.

Möglichkeiten hierfür sind :

  1. Ignorieren des Konfliktes
  2. Vertagen
  3. Abreagieren des aufgestauten Ärgers (z.B. Sport treiben, musizieren usw.)
  4. Entspannungsübungen, um ruhiger zu werden.
  5. Eine Zufallsentscheidung wäre eine weitere Möglichkeit der Konfliktaustragung. Sie hat den Vorteil, daß dieses Verfahren sehr schnell vonstatten geht und zu einer klaren Entscheidung führt. Ein weiterer Vorteil liegt darin, daß vorher die Form der Konfliktbewältigung von beiden Parteien festgelegt werden mußte. Ein Nachteil ist darin zu sehen, daß es immer eine Gewinnerin und Verliererin gibt, was dann zu neuen Konflikten beitragen kann.

Weitere Lösungsstrategien dienen in erster Linie der eigenen Beruhigung und nicht der Verbesserung des menschlichen Zusammenlebens:

  1. Abbrechen der Beziehung,
  2. Abreagieren an unbeteiligten Personen
  3. sich auf anerkannte Regeln, Normen oder Rechtspositionen berufen und daraus ableiten, wer im Recht ist,
  4. durch Macht eine Lösung erzwingen.

 

 

Die Sprecher- und Zuhörerfertigkeiten bei kooperativen Konfliktlösungen sind aus Gründen der Übersichtlichkeit im folgenden getrennt beschrieben, im realen Gespräch vermischen sie sich, jeder Partner ist abwechselnd Sprecher und Zuhörer.

  

Sprecherfertigkeiten

 In einem Konfliktgespräch ist es günstig, wenn der Sprecher folgende Regeln beachtet:

 

,,Ich"-Gebrauch: jeder Partner soll von seinen eigenen Gedanken und Gefühlen sprechen. Kennzeichen dafür ist der Ich-Gebrauch:

-   Äußerungen mit Du-Bezug sind meist Vorwürfe oder Anklagen, die als Auslöser für Gegenangriffe oder Verteidigung wirken. (und damit eine kooperative Lösung verhindern

-  Äußerungen mit ,,man" sind meist sehr allgemein und normorientiert; sie lassen nicht erkennen, ob der Sprecher tatsächlich von eigenen Erfahrungen spricht.

 

Ansprechen konkreter Situationen oder Ereignisse: jeder Partner soll konkrete Situationen oder Anlässe ansprechen, so daß Verallgemeinerungen (immer, nie) vermieden werden. Verallgemeinerungen rufen meist sofortigen Widerspruch hervor und lenken vom eigentlichen Inhalt des konkreten Ereignisses ab. Der Zuhörer fühlt sich als ganze Person kritisiert, kann auf den Inhalt oft nicht mehr eingehen.

 

Ansprechen konkreten Verhaltens: günstig ist es auch, wenn jeder Partner von konkretem Verhalten in bestimmten Situationen spricht, so daß vermieden wird, dem anderen negative Eigenschaften zuzuschreiben. Die Unterstellung negativer Eigenschaften ruft ebenfalls Widerspruch hervor. Kennzeichen solcher ,,Eigenschaftszuschreibungen" sind häufig Adjektive wie ,,typisch", ,,unfähig", ,,immer langweilig", ,,nie aktiv" u.a.

 

Vom ,,Hier und Jetzt" sprechen: jeder Partner sollte vom ,,Hier und Jetzt" sprechen, um Abschweifungen' unzulässige Verallgemeinerungen und Verkürzungen der Realität zu vermeiden:

-   Sprechen über die Vergangenheit führt oft in eine Sackgasse, wenn beide Partner eine unterschiedliche Erinnerung gegenüberstellen. (Unser Gedächtnis ist kein Filmarchiv, wir speichern Ereignisse nach unserem Empfinden ab, wenn wir sie erinnern, prägen unsere Gefühle was wir erinnern.

-   Rückblenden lenken schnell vom Thema ab.

-   Sprechen über Vergangenes ist wie ,,über vergossene Milch jammern": an der Vergangenheit ist nichts mehr zu ändern. Damit werden nur Gefühle der Hilflosigkeit und Resignation erzeugt.

 

Sich öffnen: hilfreich ist, wenn jeder Partner versucht, sich zu öffnen und zu beschreiben, was in ihm vorgeht. Anklagen und Vorwürfe lassen sich vermeiden, wenn jeder seine Gefühle und Bedürfnisse direkt äußert. Dann kann auch ein weiterer häufiger Fehler, das ,,negative Gedankenlesen" vermieden werden. Darunter versteht man Äußerungen, die Reaktionen des Partners vorwegnehmen, z.B. ,,auf andere Art kann man ja mit dir nicht reden", ,,ich würde ja, aber du magst ja immer nicht". Der Sprecher sichert sich mit dieser Strategie gegen mögliche Reaktionen des Partners ab. Im öffentlichen Leben kann dies eine angemessene und nützliche Reaktion sein, bei einer Aussprache unter Partnern erzeugt sie Mißtrauen und Rückzug statt Vertrauen.

 

Zuhörerfertigkeiten

 Für den Verlauf eines Gesprächs wirken sich die folgenden Zuhörerfertigkeiten günstig aus:

 Aufnehmendes Zuhören: Der Partner sollte dem Sprecher nonverbal deutlich machen, daß er ihm zuhört und Interesse an seinen Äußerungen hat (Nicken, unterstützende Gesten, Kurzäußerungen' ,,aha"' ,,hm" etc.).

 Rückmeldung: Hilfreich ist es, dem Partner dessen Äußerungen möglichst in eigenen Worten rückzumelden um zu zeigen, wie er verstanden wurde. Dadurch lassen sich Mißverständnisse über das ,,Gemeinte" rechtzeitig erkennen. Darüber hinaus ist die Rückmeldung auch ein deutliches Zeichen dafür, daß die Partner an einem Austausch interessiert sind.

 Fragen formulieren: Fragen helfen, ein besseres Verständnis über die Position des anderen zu erhalten; der Zuhörer sollte daher Fragen stellen. Wichtig ist dabei:

 -   Offene Fragen stellen. Geschlossene Fragen sind Fragen, auf die nur mit ,,ja" oder ,,nein" geantwortet werden kann. In einer Aussprache engt diese Frageart den Sprecher unnötig ein und gibt dem Gespräch leicht einen ,,Verhörcharakter". Wenn diese Frageart im öffentlichen Leben oft auch nützlich ist, so schadet sie meist in persönlichen Aussprachen. Besser als zu sagen ,,du möchtest also nicht ausgehen?", ist es offen zu fragen: ,,Was möchtest du gerne machen?"

-   Positive Fragen stellen: Das Beispiel macht auch deutlich, daß die positiv formulierte Frage zu konstruktivem Weiterdenken anregt, während die erste, negativ formulierte Frage leicht als Vorwurf verstanden werden kann und dann Widerstand hervorruft.

-   Keine rhetorischen Fragen stellen: ,,Das liegt also an deiner Unsicherheit?" gegen ,,Warst du dann unsicher?". Im ersten Fall muß sich der Sprecher verteidigen, wenn die Aussage nicht zutrifft, während er im zweiten Fall problemlos zustimmen oder ablehnen kann.

 Rückmeldung des eigenen Gefühls: Ist der Partner durch Äußerungen des Sprechers gefühlsmäßig so betroffen, daß er nicht akzeptierend auf den anderen ein­gehen kann, kann er seine Gefühle direkt ausdrücken. In einem solchen Fall soll­ten indirekte Aussagen vermieden werden, z. B. statt ,,aber das stimmt doch nicht!", ,,ich bin völlig überrascht, daß du das so siehst".

 Manchmal sind Konflikt schon in der Partnerwahl angelegt und haben im Verlauf des Zusammenlebens immer das selbe Thema. Hier ist es oft wichtig die dahinter liegenden Strukturen der Partner zu erkennen. Beispiele in den Diagrammen.

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Ausführliches zu Konfliktlösestrategien auch beim Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, Soest

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