Karl C. Mayer, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse

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Lese-Rechtschreibstörung (Legasthenie)

Verwaltungsvorschrift Baden- Württemberg

Verdachtsmomente

ICD-10- Definition der WHO

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Alternativmethoden

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Legasthenie heißt wörtlich "Leseschwäche". Da aber viele Kinder ihre Lesebücher auswendig können, fällt ihr Unvermögen zu lesen oft lange Zeit nicht auf.Von Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) oder Legasthenie sprechen wir, wenn ein Kind das Lesen oder Schreiben in der dafür vorgesehenen Zeit nicht oder nur sehr unzureichend erlernt hat. Oft ist in diesem Fall auch das allgemeine Verhalten auffällig: Resignation, Aggressivität, Schulangst u.ä.

Der Begriff "Legasthenie" als Synonym für Leseschwäche wurde erstmals von Paul Ranschburg (1916) eingeführt. An schwerer Legasthenie leiden 3–4 Prozent der Menschen. Sie ist bei Jungen häufiger als bei Mädchen (je nach Studie bis zu 3 fach häufiger). Legasthenie ist als »umschriebene Entwicklungsstörung des Lesens und Schreibens« definiert. Das bedeutet, dass biologische Ursachen das Erlernen von Funktionen beeinträchtigen oder verzögern, die mit der Reifung des zentralen Nervensystems verbunden sind. Legastheniker brauchen ein spezielles Training, das ihre jeweiligen Teilleistungsschwächen berücksichtigt, damit ihr Bildungsanspruch auf eine Schullaufbahn, die ihren intellektuellen Fähigkeiten entspricht, nicht gefährdet ist. Legasthenie ist nicht heilbar. Aber mit gezielter Förderung lassen sich die Defizite oft gut kompensieren. Zu unterscheiden ist eine Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie, Dyslexie) mit teilweise hirnorganisch bedingten, gravierenden Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsstörungen von einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS), die in mehr oder minder starker Ausprägung eine Verzögerung im individuellen Lese- und Schreiblernprozess darstellt. Zu unterscheiden sind zusätzlich Erscheinungsformen der Lese- und Rechtschreib-schwäche bei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.  Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) Legasthenie ist eine Störung des Lesens und Rechtschreibens, die entwicklungsbiologisch und zentralnervös begründet ist. Die Lernstörung besteht trotz normaler oder auch überdurchschnittlicher Intelligenz und trotz normaler familiärer und schulischer Lernanregungen. Die Beeinträchtigung oder Verzögerung beim Erlernen grundlegender Funktionen, die mit der Reifung des zentralen Nervensystems verbunden ist, hat demnach biologische Ursachen, deren Entwicklung lange vor der Geburt des Kindes angelegt oder durch eine Schädigung im zeitlichen Umkreis der Geburt bedingt ist. Legasthenie ist eine nur schwer therapierbare Krankheit, die zu teilweise erheblichen Störungen bei der zentralen Aufnahme, Verarbeitung und Wiedergabe von Sprache und Schriftsprache führt. Individuelle Ausprägungen und Schweregrade dieser Lernschwierigkeit ergeben sich durch unterschiedliche Kombinationen von Teilleistungsschwächen der Wahrnehmung, der Motorik und der sensorischen Integration. Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS) Im Gegensatz zur anhaltenden Lese- und Rechtschreibstörung können Schüler ein vorübergehendes legasthenes Erscheinungsbild aufweisen, das auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen ist. Ursache dafür kann z.B. eine Erkrankung, eine besondere seelische Belastung oder ein Schulwechsel sein. Rund 7 bis 10 % aller Schüler im Einschulungsalter haben Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens.  Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Lese- und Rechtschreibschwächen im Rahmen einer allgemeinen Minderbegabung treten bei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf, die aber nicht so schwach begabt sind, dass sie eine Schule zur individuellen Lernförderung besuchen müssten. Diese Schüler haben jedoch in allen Bereichen schulischen Lernens und Arbeitens teilweise erhebliche Schwierigkeiten, die über die gesamte Schulzeit anhalten. 40 Prozent der Legastheniker leiden zusätzlich unter einer Dyskalkulie (Rechenschwäche). Gedächtnisdefizite, raumanalytische Schwierigkeiten, auditiv-sprachliche Schwierigkeiten und Konzentrationsstörungen spielen bei beiden Störungen eine Rolle. Unter einer Dyskalkulie versteht eine Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar ist.
 

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Leseschwäche als Hirnfunktionsstörung

Nicht nur die Tatsache, dass die Leseschwäche auf eine Hirnsstoffwechselstörung zurückgeht, lässt sich inzwischen zuverlässig bildlich darstellen, auch die Normalisierung dieser Hirnfunktionsstörung konnten Forscher jetzt bei Kindern die sich einem Trainingsprogramm unterzogen nachweisen.

Ein wesentlicher neuer Forschungszweig der Neuropsychologie bedient sich der funktionellen Bildgebung. Mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomographie (PET-)und der funktionellen Kernspintomographie ist es möglich, funktionelle Abläufe im Gehirn sichtbar zu machen. Die Hirnfunktionen während einer Wahrnehmung oder einer Aktivität werden damit darstellbar.  Regeneration nach diffusen oder umschriebenen Hirnschädigungen wird damit auch in Bildern des Gehirns sichtbar, mit Auswirkungen auf die Therapieplanung. Die Plastizitätsforschung stellt damit die Behandlung von Schlaganfällen oder Schädelhirntraumen auf eine neue Grundlage. Möglich wird durch das Verfahren auch eine bildliche Darstellung von Veränderungen bei Schizophrenie, Depressionen und anderen affektiven Störungen, eine Früherkennung von Demenzen lange vor sie ausbrechen. Darstellen lässt sich damit auch das Craving bei Süchtigen, damit lässt sich eine relativ zuverlässige Prognose hinsichtlich seiner Abstinenz sichern.

Die Leseschwäche ist eine Hirnfunktionsstörung und zeigt sich mit vermehrten Schwierigkeiten das Lesen zu erlernen. Verarbeitungsschwierigkeiten für Gehörte konnten schon vor Jahren in  funktionellen Kernspinbildern bei Betroffenen Kindern wie Erwachsenen nachgewiesen werden. In einer aktuellen Studie mit 20 betroffenen Kindern zeigte sich, dass die Hirnfunktionsstörungen sich durch ein Trainingsprogramm genauso besserten, wie die Fähigkeit zu lesen sich normalisierte. Es stellte sich dabei nur teilweise eine identische Verteilung des Hirnsstoffwechsel beim Lesen wie bei nicht betroffenen Kindern ein. Zum Teil aktivierten die Kinder auch andere Hirnregionen kompensatorisch mit. Im wesentlichen näherten sich die Bilder in der funktionellen Kernspintomographie aber denen gesunder Kinder an. Übung mit einem speziellen Programm führte bei diesen Kindern zu einer eindeutigen vermehrten Aktivierung der Hirnrinde des linken Schläfen- und Scheitellappens sowie der linken unteren Windung des Vorderlappens in diesen Hirnregionen näherte sich der Stoffwechsel damit dem gesunder Kinder an. Zusätzlich aktivierten sie in der rechten Gehirnhälfte den Schläfenlappen und Vorderlappen kompensatorisch. Insgesamt bleibt aber Übung, orientiert an den Defiziten, die Methode der Wahl um die Defizite zu verbessern. "Im Gegensatz zur Popularität der Förderung von basalen Wahrnehmungsfunktionen bei der Lese-Rechtschreib-Störung ist die Wirksamkeit dieser Methoden kaum untersucht und die bisher vorliegenden Untersuchungen zeigen keine Wirksamkeit. Daher sollte die Förderung bei der Legasthenie, wie bereits dargestellt, auf die symptomorientierten Verfahren aufbauen, die sich an dem Schriftspracherwerbsmodell orientieren. Hierzu liegen international Wirksamkeitsstudien vor"  Remschmidt, et al.

Die Studie zeigt erneut, dass Leserechtschreibschwächen auf Hirnfunktionsstörungen zurückgehen und damit Gehirnfunktionsstörungen entsprechen. Sie zeigt auch, dass eine Hirnfunktionsstörung kein dauerhaftes Schicksaal bleiben muss. Übung bessert auch die gestörte Funktion. Die Verarbeitung des Gehörten normalisiert sich. Auch in anderen Bereichen von Leistungsstörungen oder Verhaltensstörungen werden funktionellen Kernspintomographien langfristig eine Therapiekontrolle ermöglichen. Damit werden sich nicht nur Behandlungsverfahren an sich auf ihre Wirksamkeit überprüfen lassen auch Verlaufsuntersuchungen beispielsweise bei Straftätern sind denkbar. Wichtiger ist aber vielleicht, dass durch die Möglichkeit der Darstellung der Funktionsstörungen weit verbreitete Vorurteile über viele psychische Störungen mehr in den Hintergrund treten werden.

 

 

  1. Elise Temple, Gayle K. Deutsch, Russell A. Poldrack, Steven L. Miller, Paula Tallal, Michael M. Merzenich, and John D. E. Gabrieli, Neural deficits in children with dyslexia ameliorated by behavioral remediation: Evidence from functional MRI, PNAS 2003 100: 2860-2865; [Abstract] [Full Text] [PDF]
  2. F. Ramus, S. Rosen, S. C. Dakin, B. L. Day, J. M. Castellote, S. White, and U. Frith Theories of developmental dyslexia: insights from a multiple case study of dyslexic adults Brain, April 1, 2003; 126(4): 841 - 865. [Abstract] [Full Text] [PDF]
  3.  M. A. Eckert, C. M. Leonard, T. L. Richards, E. H. Aylward, J. Thomson, and V. W. Berninger Anatomical correlates of dyslexia: frontal and cerebellar findings Brain, February 1, 2003; 126(2): 482 - 494.  [Abstract] [Full Text] [PDF]
  4.  
  5. E. Temple, R. A. Poldrack, A. Protopapas, S. Nagarajan, T. Salz, P. Tallal, M. M. Merzenich, and J. D. E. Gabrieli Disruption of the neural response to rapid acoustic stimuli in dyslexia: Evidence from functional MRI PNAS, December 5, 2000; 97(25): 13907 - 13912. [Abstract] [Full Text] [PDF]
  6.  
  7. Brunswick, N. , McCrory, E. , Price, C. J. , Frith, C. D. & Frith, U. Explicit and implicit processing of words and pseudowords by adult developmental dyslexics(1999) Brain 122, 1901-1917[Abstract/ Full Text].
  8. Cabeza, R. & Nyberg, L.Imaging Cognition II: An Empirical Review of 275 PET and fMRI Studies (2000) J. Cogn. Neurosci. 12, 1-47[Abstract/Full Text].
  9. Schulte-Körne, Priv.-Doz. Dr. med. Gerd; Remschmidt, Prof. Dr. med. Dr. phil. Helmut, Legasthenie – Symptomatik, Diagnostik, Ursachen, Verlauf und Behandlung Diskussion Schlusswort Deutsches Ärzteblatt 100, Ausgabe 33 vom 15.08.2003, Seite A-2169
     



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    Schwierigkeiten der sprachlichen und visuellen Informationsverarbeitung, insbesondere der phonologischen Information sind für die Entstehung der Defizite verantwortlich. Auch ein Zeitfaktor spielt eine wichtige Rolle. Differenzialdiagnostisch geht es um die Abgrenzung von neurologischen Erkrankungen, Sinnesstörungen (Seh- oder Hörstörungen) sowie von Störungen der Lese-Rechtschreib-Fähigkeit infolge anderer psychiatrischer Erkrankungen (zum Beispiel Schizophrenie). Die Analyse einer Familienstichprobe von 32 rechtschreibschwachen Kindern zeigte, daß abhängig von dem verwendeten diagnostischen Kriterium 52.3%-61.9% der Eltern der Probanden ebenfalls rechtschreibschwach waren.. Der Anteil der betroffenen Geschwister lag zwischen 26%-34% (siehe Schulte-Körne, G., Deimel, W., Müller, K., Gutenbrunner, C. & Remschmidt, H. 1996. Familial aggregation of spelling disability. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 37, 817-822.) Auch Zwillingsuntersuchungen zeigen ein hohe genetische Verursachung  der Rechtschreibstörung und der Lesestörung. Es ist davon auszugehen, daß hierfür ebenfalls eine erbliche Veranlagung wesentlich für die Entstehung ist.  . Das Muster der Vererbung ist am besten im einem autosomal-dominanten Erbgang zu vereinbaren. Dennoch sind Eltern unter Anleitung in der Lage, die Rechtschreibleistung ihres Kindes zu verbessern. Z.B.: Das Marburger Eltern-Kind-Rechtschreibtraining G. Schulte-Körne, J. Schäfer, W. Deimel, H. Remschmidt Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie,25, 151-159, 1997Artikel (Word7): ISBN 3-89325-790-X; Waxmann-Verlag Die LRS weist eine hohe Persistenz bis ins Erwachsenenalter auf, insbesondere die Rechtschreibstörung (Im Erwachsenenalter haben lese-rechtschreibschwache Kinder häufig noch Probleme in der Rechtschreibung). . Häufig treten eine Reihe von weiteren Störungen assoziiert auf, insbesondere Störungen von Aufmerksamkeit und Gedächtnisfunktionen. Zusätzlich werden bei den Betroffenen gehäuft psychische Störungen wie z.B. Angststörungen, depressive Verstimmungen, Enuresis und Enkopresis sowie Störungen des Sozialverhaltens beobachtet. Diese assoziierten psychischen Störungen werden u.a. als Folge der anhaltenden Belastungssituation, der häufig erlebten Mißerfolgserlebnisse und persönlicher Entwertung aufgefaßt. Zugrunde liegen diesen Erscheinungsbildern jeweils unterschiedliche Kombinationen von Teilleistungsschwächen der Wahrnehmung, Motorik und der sensorischen Integration (Zusammenspiel verschiedener Wahrnehmungsbereiche). So ergeben sich unterschiedliche Schweregrade und Schwerpunkte der Lernschwierigkeiten des einzelnen Kindes. Die Teilleistungsschwächen erschweren insbesondere die Unterscheidung von Buchstabenformen (visuelle Detailerfassung) und/oder die Unterscheidung von ähnlichen Sprachlauten (auditive Diskrimination). Die Teilleistungsschwächen gehen ursächlich auf Erbfaktoren oder auf Hirnreifungsverzögerungen durch Infekte oder andere Risiken zurück, die vor, während oder nach der Geburt aufgetreten sind, bzw. auf das Zusammenwirken beider Ursachen.  Legasthenie scheint auch sonst zu Störungen in der Sprachentwicklung zu führen. Eine Verlangsamung der Benennungsgeschwindigkeit läßt sich auch bei den Personen nachweisen, die früher eine Legasthenie hatten, aber inzwischen mit dem Lesen keine größeren Probleme mehr haben.  Die Benennungsgeschwindigkeit korreliert am höchsten mit der Geschwindigkeit und Genauigkeit beim Einzelwortlesen. Abgegrenzt werden muß die Störung von allgemeiner Minderbegabung oder vorrübergehenden durch äußere Belastungen (z.B.: Schulwechsel, häusliche Probleme) verursachten Schulproblemen. Die Augenbewegungen bei "normal" lesenden Kindern und Erwachsenen folgendes sagen Die Augenbewegungen sind nicht kontinuierlich, sondern bestehen aus "Ruhepausen" und "Sprüngen". Die Dauer einer "Ruhepause" beträgt durchschnittlich 250 bis 350 Millisekunden; die Dauer einer "Sprungbewegung" ca. 30 bis 70 Millisekunden. Für das Lesen verwertbare Information wird offenbar nur während der Ruhepausen aufgenommen. Während der "Augensprünge" werden allenfalls Hell-Dunkel-Unterschiede wahrgenommen. Bei normal bzw. gut lesenden Kindern und Erwachsenen bewegen sich die Augäpfel beim Lesen über jede Zeile einigermaßen gleichmäßig und rhythmisch von links nach rechts. Diese Augenbewegungen nennt man "progressive Augenbewegungen". Nur wenige Blicke (ca. 10%) gehen von rechts nach links; sie heißen "regressive Augenbewegungen". Bei leseschwachen Kindern sind die Augenbewegungen beim Lesen weniger gleichmäßig und weniger rhythmisch. Bis zu 45% der Augenbewegungen dieser Kinder gehen von rechts nach links, sind also regressive Augenbewegungen. Dyslexie hängt wie fNMR und PET_ Untersuchungen beweisen in jeder Sprache eindeutig mit einer Stoffwechselstörung im Gyrus angularis zusammen. Trotz zunehmender Lesekompetenz im Verlaufe der Entwicklung bleibt bei Menschen mit Legasthenie ein Defizit erhalten, welches darin besteht, dass die an der Sprachverarbeitung beteiligten Hirnareale nicht synchron aktiviert werden.

    Oft dauert es lange bis die Störung in der Grundschule erkannt wird, da manche (insbesondere die intelligenteren) Schüler durch Auswendiglernen der Texte und auch des Wortbildes diese verschleiern können.

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    Rechtschreibliche Leistungen sind im deutschen Schulsystem immer noch ausschlaggebend für die Schullaufbahn. Im Aufnahmeverfahren in die Realschule und das Gymnasium soll in Baden- Württemberg die Legasthenie berücksichtigt werden. Förderunterricht kann noch in den Klassen 5 und 6 erteilt werden. Kein Notenschutz in weiterführenden Schulen in Baden- Württemberg.  Die Definition die von den Kultusminsistern zugrunde gelegt wird weicht von der medizinischen in wesentlichen Punkten ab.  Entscheidend sind hier die Leistungen. Dies bedeutet gleiche Förderung für alle lese und rechtschreibschwachen Schüler  also auch der LRS bei Minderbegabung und allgemeiner Lernschwäche,  LRS bei sozialer Deprivation, - LRS bei mangelnder Lese-Rechtschreibunterrichtung. Die Schule braucht zwischen verschiedenen Gruppen von lese-rechtschreibschwachen Schülern nicht zu unterscheiden, wenn sie einen (Förder-) Unterricht anbieten kann, in dem förderdiagnostisch auf die jeweiligen Schwierigkeiten des einzelnen Kindes eingegangen wird. Ob aus dieser Position tatsächlich die notwendige differenzierte Förderung relsultiert ist allerdings fraglich. Die seit den siebziger Jahren sehr umstrittene Diskrepanzdefinition der Legasthenie ist auch heute noch von großer Relevanz für Forschung und Praxis. Die diagnostischen Differenzierung rechtschreibschwacher Kinder anhand ihrer Intelligenz wird vielfach hinterfragt.

    Die Kultusbehörden näherten ihre Verwaltungsvorschriften seit den 70er Jahren immer mehr der  Position an, die auf eine Abgrenzung verzichtet.  LRS (oder Legasthenie) ist hier der Sammelbegriff für alle von einer definierten Norm deutlich abweichenden Lese- bzw. Rechtschreibleistungen. Das externe Kriterium "Intelligenz" wird nicht mehr zur Abgrenzung herangezogen (= frühere Diskrepanzdefinition: Lese-Rechtschreibleistungen deutlich schlechter als aufgrund der Intelligenz zu erwarten wäre). Einige Begründungen für diesen Verzicht: Weder in der Erscheinungsform noch in den Ursachen lassen sich klare Grenzen zwischen"Legasthenie" und anderen Lese- /Rechtschreibschwierigkeiten ziehen. "Legastheniker' und allgemein schulschwache Kinder mit LRS unterscheiden sich nicht bedeutsam in kognitiven Merkmalen, die mit den Lesefertigkeiten eng verknüpft sind. Legastheniker" und lese- rechtschreibschwache Kinder mit niedriger Intelligenz reagieren kaum anders auf Fördermaßnahmen. Es gibt keine Legasthenie-typischen Fehler. Alle lese- und rechtschreibschwachen Kinder machen die gleichen Fehler, die auch bei anderen Kindern auftreten. Allerdings treten bei ihnen die Fehler häufiger auf und es dauert länger, bis sie überwunden sind.

    Zugleich rückte der pädagogische Förderauftrag für alle Schüler in den Vordergrund. Im Jahre 1978 verzichtete die Kultusministerkonferenz (KMK) auf die Diskrepanzdefinition. Diese setzt Grenzwerte voraus, die aus mehreren Gründen sehr problematisch sind. Zum Beispiel messen verschiedene Intelligenztests unterschiedliche Intelligenzaspekte und führen damit zu unterschiedlichen Klassifikationen von Kindern. Aus pädagogischer oder ethischer Sicht nicht vertretbar sind Grenzwerte, da sie ebenfalls förderbedürftige Kinder von der Förderung ausschließen. Ähnliche Probleme gibt es bei der Feststellung des Schulleistungsniveaus und seiner Grenzwerte im Lesen und Rechtschreiben. Die KMK einigte sich 1978 auf die Empfehlung, nicht von Legasthenikern, sondern von Kindern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben zu sprechen. Sie entschied, dass alle Kinder als lese-rechtschreibschwach gelten und Anspruch auf Förderung haben, die "die Ziele des Lese- und/oder Rechtschreibunterrichts der Jahrgangsstufe 2 noch nicht erreicht haben, sowie Schüler der Jahrgangsstufen 3 und 4, deren Leistungen über einen Zeitraum von länger als 3 Monate hinweg schlechter als ausreichend bewertet werden". Die baden-württembergische Verwaltungsvorschrift von 1988 orientierte sich an diesem Beschluss der KMK. Sie erweiterte zudem den Anspruch auf Förderung bis zur Jahrgangsstufe 6 aller allgemeinbildenden Schulen. (In Lehrerkreisen wird seit dem Erscheinen dieser VV kolportiert, in Baden- Württemberg habe man damit die Legasthenie "abgeschafft`.) Die überarbeitete Verwaltungsvorschrift von 1997 betont noch einmal die Verantwortung der Schule gegenüber allen Schülern: "Die Schule hat zu gewährleisten, dass möglichst alle Schüler den Grundanforderungen genügen können. " Sie greift die neuere wissenschaftliche Diskussion zur Früherkennung und Frühförderung von LRS-gefährdeten Kindern auf und sieht eine Förderung bereits ab Klasse 1 vor; außerdem berücksichtigt sie mit der Erweiterung der Förderung im Einzelfall ab Klasse 7 die Befunde, dass Lese-Rechtschreibschwierigkeiten durchaus nicht immer auf die Zeit der Grundschule und die Orientierungsstufenjahre beschränkt bleiben. Die Förderung im Grundschulalter orientiert sich am Entwicklungsmodell des Schriftsprachenerwerbs. Unter Berücksichtigung dieser Konzeption werden überwiegend Förderkonzepte eingesetzt, die auf der alphabetischen (phonologischen) und auf der orthographischen Entwicklungsstufe ansetzten (symptomorientierte Förderkonzepte). Zusätzlich zu diesen, deren Wirksamkeit belegt ist, haben Methoden, die ausschließlich auf eine Förderung von Wahrnehmungsvorgängen abzielen, ihre Wirksamkeit noch nicht demonstrieren können. Ein großes Hindernis im Hinblick auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einer Legasthenie sind die sozialrechtlichen Probleme, denn die Legasthenie wird nicht zu den Erkrankungen im Sinne des SGB V gerechnet. Daher, so Schulte-Körne, ist die Abrechnung der Behandlung von Kindern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche auch nicht als vertragsärztliche Leistung möglich. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn zusätzliche Entwicklungsstörungen oder psychische Störungen vorliegen. Die Kosten für die außerschulische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit einer Legasthenie sind jedoch im Rahmen der Bestimmungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) abrechenbar; Entsprechendes ist im § 35 a dieses Gesetzes geregelt. Voraussetzung ist, dass eine drohende seelische Behinderung vorliegt, die die Eingliederung des Betreffenden entscheidend behindert. Diese Voraussetzungen sind allerdings erwartungsgemäß nicht bei allen Kindern mit einer Legasthenie erfüllt. Remschmidt, Prof. Dr. med. Dr. phil. Helmut  MEDIZIN: Kongressberichte und -notizen Hyperkinetisches Syndrom und Legasthenie: Diagnostik, Ätiologie, Krankheitsverlauf und Behandlung Ausgabe Deutsches Ärzteblatt  40 vom 04.10.02 Seite A-2632



     

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    Verwaltungsvorschrift Baden- Württemberg vom 10. Dezember 1997, Az.: IV/2-6504.2/206

    Förderung von Schülern mit Schwierigkeiten im Lesen und/oder Rechtschreiben Verwaltungsvorschrift vom 10. Dezember 1997

    Az.: IV/2-6504.2/206

    1. Lesen- und Schreibenlernen als Aufgabe der Schule.

    Es ist eine Hauptaufgabe der Schule, Schülern das Lesen, Schreiben und Rechtschreiben zu vermitteln. Die Schule hat zu gewährleisten, daß möglichst alle Schüler den Grundanforderungen genügen können. Bei einer Reihe von Schülern in der Grundschule und auch noch in den auf der Grundschule aufbauenden Schularten ist der Schulerfolg durch Schwierigkeiten im Lesen und/oder Rechtschreiben (Lese-und/oder Rechtschreibschwäche - LRS -, in besonderen Fällen Legasthenie) beeinträchtigt. Die folgenden Regelungen sollen dazu beitragen, diesen Beeinträchtigungen soweit wie möglich vorzubeugen oder diese zu beheben. Ziel Ist es, die vorhandenen Begabungen zu entwickeln, den Schülern eine ihrem individuellen Leistungsvermögen angemessene Schullaufbahn zu ermöglichen und auftretende Lese- und/oder Rechtsebreibschwierigkeiten im Laufe der Schulzeit durch entsprechende Hilfen weitgehend zu belieben.

    2. Früherkennung als Aufgabe der Schule

    Im Anfangsunterricht sind die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen zu beobachten und beim Leselernprozeß und Schriftspracherwerb angemessen zu berücksichtigen; ggf. sind hieraus besondere Fördermaßnahmen abzuleiten. Ausgangspunkt für die Einleitung besonderer Fördermaßnahmen ist eine differenzierte Lernstandsbeschreibung des; Deutschlehrers im Laufe des 1. Schuljahres, verbunden mit einer kontinuierlichen Lernprozeßbeobachtung von Anfang an. Dazu gehören Beobachtungen zum laut- und schrift- sprachlichen, kognitiven, emotionalen, sozialen und motorischen Entwicklungsstand sowie zur Sinnestüchtigkeit des einzelnen Kindes. Bei Bedarf ist ein an der Schule tätiger Beratungslehrer, gegebenenfalls ein Sonderschullehrer hinzuzuziehen. Erforderlichenfalls ist die örtlich zuständige Schulpsychologische Beratungsstelle des Oberschulamts einzuschalten. Der Schulleiter ist für die Einhaltung und Koordination des Verfahrens verantwortlich.

    3 Fördermaßnahmen

     3.1 Allgemeines

    Fördermaßnahmen für Schüler mit Lernschwierigkeiten haben größere Aussicht auf Erfolg, wenn deren Ursachen bekannt sind. Die Feststellung der Erscheinungsformen und des Ausmaßes der Schwierigkeiten, z. B. durch Fehleranalysen und normorientierte Tests, soll deshalb immer ergänzt werden durch eine Klärung der Ursachen. Besteht eine Vermutung für gesundheitliche Beeinträchtigungen, so ist den Erziehungsberechtigten eine ärztliche Untersuchung zu empfehlen oder mit Einverständnis der Eltern der Schulärztliche Dienst des Gesundheitsamtes einzuschalten.

     

    Fördermaßnahmen werden bei Bedarf durchgeführt. Sie sind bereits während der Klassen 1 und 2 möglich, da davon ausgegangen werden kann, daß durch eine möglichst frühe Förderung die besonderen Schwierigkeiten im Lesen und/oder Rechtschreiben in der Regel behoben werden können; gegebenenfalls können diese Fördermaßnahmen in den weiterführenden Schularten fortgeführt werden. Der Bildungsplan für die Grundschule führt eine Reihe von Maßnahmen auf, wie Lese- und/Oder Rechtschreibproblemen frühzeitig begegnet werden kann. Am wirksamsten sind gezielte Übungen und Hilfen für einzelne Schüler, wenn sie - nach deren Leistungsvermögen differenziert - direkt im Klassenverband auf die Unterrichtsinhalte bezogen werden.  Wenn eine solche Individualisierung im Unterricht durch zusätzliche Förderung in Kleingruppen ergänzt werden muß, soll diese vom Deutschlehrer selbst, mindestens aber in enger Absprache mit ihm durchgeführt werden.

    3,2 Einleitung besonderer Fördermaßnahmen

    Sofern durch allgemeine Fördermaßnahmen die besonderen Schwierigkeiten nicht behoben werden können, ist von der Schule ein besonderes Förderverfahren einzuleiten: Die Schüler erhalten zusätzlich zum Deutschunterricht bis zu zwei, in Ausnahmefällen bis zu drei Wochenstunden Förderunterricht. Dieser Förderunterricht Ist in klasseninternen oder klassenübergreifenden, In jahrgangs- oder schul- bzw. schulartübergreifenden Gruppen durchzuführen, In der Regel sollen diese Gruppen mindestens vier Schüler umfassen. Die Förderung einzelner Schüler Ist grundsätzlich möglich. Die für die Fördermaßnahrnen notwendigen Lehrerwochenstunden sind dem Ergänzungsbereich nach den Regelungen in der jeweiligen Verwaltungsvorschrift Unterrichtsorganisation zu entnehmen. Deutschunterricht und Förderunterricht sind untereinander abzustimmen. Diese Abstimmung erfolgt in einer Klassenkonferenz, um so auch die übrigen Fachlehrer zu informieren und eine angemessene Berücksichtigung In allen Fächern und insbesondere in den Fremdsprachen sicherzustellen. Falls auf einer Jahrgangsstufe mindestens zehn Schüler besonderer Fördermaßnahmen bedürfen, kann für sie eine eigene Klasse gebildet werden. Derartige Klassen können auch an einer zentral gelegenen Schule für Schüler mehrerer Schulen eingerichtet werden. Eingeschlossen ist damit auch die Bildung von Intensivkursen. Für Schüler, die außerhalb des Schulbezirks der zentralen Schule wohnen, trifft das Staatliche Schulamt eine Entscheidung nach § 76 Abs. 2 Nr. 3 SchG. Die Einrichtung der besonderen Förderrnaßnahmen obliegt dem Schulleiter bzw. dem Staatlichen Schulamt, wenn die Fördermaßnahme schulübergreifend eingerichtet wird. Wegen der erforderlichen sachlichen und räumlichen Mehraufwendungen bedarf die Einrichtung besonderer Förderklassen der Zustimmung des Schulträgers. Im Regelfall sind solche Klassen an Standorten einzurichten, an denen die erforderlichen Räume zur Verfügung stehen.

     

     

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    3.3 förderbedürftige Schüler

    Die Entscheidung über die Förderbedürftigkeit des einzelnen Schülers trifft die Klassenkonferenz unter dem Vorsitz des Schulleiters, gegebenenfalls unter Hinzuziehung des Beratungslehrers, eines Sonderschullehrers oder der örtlich zuständigen Schulpsychologischen Beratungsstelle. Besondere Fördermaßnahmen sind ' einzuleiten: - für Schüler während der Klassen 1 und 2, denen die notwendigen Voraussetzungen für das Lesen und/oder Schreibenlernen noch fehlen und die die grundlegenden Ziele des Lese- und/oder Rechtschreibunterrichts nicht erreichen,

    - für Schüler der Klassen 3 bis 6, deren Leistungen im Lesen und/oder Rechtschreiben dauerhaft geringer als 'ausreichend' beurteilt wurden.

     In begründeten Einzelfällen kann eine Förderung auch für Schüler ab Klasse 7 erfolgen. Die Einbeziehung eines Schülers in Fördermaßnahmen men bedarf des Einverständnisses der Erziehungsberechtigten.

    3.4 Beendigung besonderer Fördermaßnahmen

    Die besonderen Fördermaßnahmen sind in der Regel zu beenden, wenn die Leistung des Schülers über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten den Anforderungen der Klassenstufe im Lesen und/oder Rechtschreiben entspricht und gewährleistet erscheint, daß der Schüler in Zukunft entsprechende Leistungen erbringt und dem Regelunterricht seiner Klasse ohne besondere Beeinträchtigung folgen kann.

    4. Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung

     4.1 Soweit nachstehend nichts Abweichendes bestimmt ist, gelten für Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und/oder Rechtschreiben die allgemeinen Bestimmungen aber die Leistungsfeststellung und -Beurteilung. Für Schüler, bei denen eine Lese- und/oder Rechtschreibschwäche festgestellt wurde, gilt:

    - Bei einer schriftlichen Arbeit oder Übung zur Bewertung der Rechtschreibleistung kann der Lehrer im Einzelfall eine andere Aufgabe stellen, die eher geeignet ist, einen individuellen Lernfortschritt zu dokumentieren; im Einzelfall kann auch mehr Zeit zur Erfüllung der Aufgabe eingeräumt oder der Umfang der Arbeit begrenzt werden.

    - Außer bei Nachschriften sind die Rechtschreibleistungen nicht in die Beurteilung von Arbeiten einzubeziehen; unter ausreichend" liegende Beurteilungen von Nachschriften sind durch eine Leistungsbeschreibung zu erläutern.

    - im Verhältnis zu anderen Lernbereichen sind die Anteile des Lesens und/oder Rechtschreibens bei der Bildung der Gesamtnote im Fach Deutsch zurückhaltend zu gewichten. Diese Gewichtung liegt in der pädagogischen Verantwortung des Fachlehrers.

    4.2 Im Zeugnis ist unter "Bemerkungen` festzuhalten,daß eine Lese- und/oder Rechtschreibschwäche festgestellt wurde und daß der Anteil des Lesens und/oder Rechtschreibens bei der Bildung der Deutschnote zurückhaltend gewertet wurde. Könnte ein Schüler der Klassen 2 bis 6 nur wegen nicht ausreichender Leistungen ins Fach Deutsch nicht versetzt werden, kann ihn die Klassenkonferenz in Klasse 2 bis 4 mit einfacher Mehrheit und in Klasse 5 bis 6 mit Zweidrittelmehrheit versetzen, wenn die nicht ausreichende Leistung im Fach Deutsch auf eine festgestellte Lese- und/oder Rechtschreibschwäche zurückzuführen ist.
    4.3 Für Schüler der Klasse 4 der Grundschule, bei denen eine Lese- und/oder Rechtschreibschwäche festgestellt wurde, wird auf § 4 Abs. 3 letzter Satz, § 4 Abs. 4 letzter Satz und § 10 Abs. 4 der Verordnung des Kultusministeriums über (das Ausnahmeverfahren für die Realschulen und die Gymnasien der Normalform (Aufnahmeverordnung) vom 10. Juni 1983 (K.u.U. S. 475) besonders hingewiesen. Zur Information der weiterführenden Schulen bietet die Grundschule den Eltern in, auf einem Beiblatt zur Grundschulempfehlung die festgestellte Lese und/oder Rechtschreibschwäche einschließlich der durchgeführten Fördermaßnahmen zu dokumentieren. 5. Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten

    Bei Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Legen und/oder Rechtschreiben ist der regelmäßige Kontakt und Erfahrungsaustausch mit den Erziehungsberechtigten besonders wichtig, weil sowohl hinsichtlich der Ursachen für diese Beeinträchtigung als auch der davon ausgehenden Wirkungen das familiäre Umfeld eine große Rolle spielt. Die Erziehungsberechtigten sind deshalb über Erscheinungsformen der Schwierigkeiten und die vorhandenen Möglichkeiten, diese zu überwinden, zu informieren. Dabei sollen Hinweise darauf gegeben werden, mit welchen Maßnahmen die Eltern den Lese- und/oder Rechtschreibunterricht unterstützen können. Für den Lehrer können die Beobachtungen der Eltern vor al fern auch bei der Klärung der Ursachen von Bedeutung sein. Die Erziehungsberechtigten sind aber die schulischen Fördermaßnahmen und deren Verlauf frühzeitig zu unterrichten. Im Einzelfall sollten Hinweise für weitergehende Untersuchungen gegeben werden.

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    6. Inkrafttreten

     

    Die. Verwaltungsvorschrift tritt am 1. Januar 1998 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verwaltungsvorschrift"Förderung von Schülern mit Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben' vom 27. Mai 1988 (K.u.U.S. 339, berechtigt S. 359) aufgrund der Bereinigungsverordnung der Landesregierung vom 16. Dezember 1981 (K.u.U. 1982 S. 168; GABI. 1982 S. 14), geändert durch Bekanntmachung des Innenministeriums vom 8. Januar 1997 (K.u.U- S. 94; GABI. S. 74) außer Kraft.  

    K.u.U. 1998 S. 1

     

     

    Die Verwaltungsvorschrift wird erneut in Ausgabe B der Amtsblatts aufgenommen unter Nr. 6504-51

       

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    LRS ist eine „Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten“  Die Symptomatik (Rechtschreibstörungen, Vertauschen von Wörtern im Satz, Unfähigkeit, Gelesenes wiederzugeben und anderes) kann bereits im ersten Schuljahr festgestellt und spätestens im zweiten sicher diagnostiziert werden. Hierfür gibt es standardisierte Tests.

      Lese-Rechtschreibstörung  Isolierte Rechtschreibstörung 
    ICD-10- Definition der WHO
    • "Das Hauptmerkmal ist eine umschriebene und eindeutige Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lesefertigkeiten, die nicht allein durch das Entwicklungsalter, durch Visusprobleme (Sehstörungen) oder unangemessene Beschulung erklärbar ist. Mit Lesestörungen gehen häufig Rechtschreibstörungen einher".
    • "Die Störung wird in allen bekannten Sprachen gefunden.." 
    • "Es handelt sich um eine Störung, bei der das Hauptmerkmal in einer umschriebenen und eindeutigen Beeinträchtigung in der Entwicklung von Rechtschreibfertigkeiten besteht ohne Vorgeschichte einer umschriebenen Lesestörung."
    • "Sie ist nicht alleine durch ein zu niedriges Intelligenzalter, durch Visusprobleme oder unangemessene Beschulung erklärbar." 
    Symptomatik
    • Buchstaben werden ausgelassen, hinzugefügt, vertauscht oder Wörter oder Teile von Wörtern werden hinzugefügt 
    • Verlangsamtes Lesetempo 
    • Fehler beim Auffinden des Satz- oder Zeilenbeginns, Verlust der aktuellen Leseposition 
    • Fehler beim Gliedern des Satzes 
    • Wörter werden in Sätzen oder Buchstaben vertauscht 
    • Unfähigkeit, Gelesenes zu wiederholen 
    • Unfähigkeit, aus dem Gelesenen Zusammenhänge zu erkennen und Schlußfolgerungen zu ziehen 
    • Schwierigkeiten beim Schreiben von Buchstaben, Wörtern und Sätzen
    • Grammatik- und Interpunktionsfehler 
    • Vertauschen und Ersetzen von visuelle ähnlichen Buchstaben 
    • Vertauschen und Ersetzen von akustische ähnlichen Buchstaben 
    • Ersetzen von Wörtern durch ein semantisch ähnliches Wort
    • Häufig treten Schriftprobleme assoziiert auf 
      Lese-Rechtschreibstörung Isolierte Rechtschreibstörung 
    ICD-10- Definition der WHO
    • "Die Leseleistungen müssen unter dem Niveau liegen, das aufgrund des Alters, der allgemeinen Intelligenz und der Beschulung zu erwarten ist."
    • "Dies wird am besten auf der Grundlage eines individuell angewendeten standardisierten Testverfahrens zur Prüfung des Lesens, der Lesegenauigkeit und des Leseverständnisses beurteilt."
    • "Die Lese-Rechtschreibstörung darf nicht auf eine unangemessene Beschulung,
    • auf Defizite im Hören und Sehen
    • oder auf neurologische Störungen zurückzuführen sein."
    • "Außerdem darf sie nicht Folge einer neurologischen, psychiatrischen oder anderen Erkrankung sein."
    • "Die Rechtschreibleistung des Kindes muß signifikant unterhalb des Niveaus liegen, welches aufgrund des Alters des Kindes, der allgemeinen Intelligenz und der Schulklasse zu erwarten ist." 
    • "Dies wird am besten auf der Grundlage eines individuell angewendeten, standardisierten Rechtschreibtest beurteilt. Die Lesefertigkeiten des Kindes (Lesegenauigkeit und -Verständnis) müssen im Normalbereich liegen, und es darf anamnestisch keine deutliche Lesestörung vorliegen." 
    • "Die Rechtschreibstörung darf nicht auf 
      • eine unangemessene Beschulung, 
      • auf Defizite im Hören und Sehen 
      • oder auf neurologische Störungen zurückzuführen sein." 
    • "Außerdem darf sie nicht Folge einer neurologischen, psychiatrischen oder anderen Erkrankung sein."
    Isolierte Rechtschreibstörung (ICD-10 F 81.1) Diagnostisches Merkmal ist die Entwicklungsstörung der Rechtschreibfertigkeit, ohne daß eine umschriebene Lesestörung in der Vorgeschichte nachzuweisen ist.
    Rechenstörung (ICD-10 F 81.2) Die umschriebene Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten umfaßt Schwächen in den Grundrechenarten Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division. Weniger relevant sind die höheren mathematischen Fertigkeiten, die für Algebra, Trigonometrie, Geometrie sowie Differential- und Integralrechnung benötigt werden.
    Kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten (ICD-10 F 81.3) Eine kombinierte Störung liegt vor, wenn sowohl Lese- und Rechtschreibfähigkeiten als auch Rechenfertigkeiten beeinträchtigt sind, ohne daß die Entwicklungsstörungen durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder unangemessene Beschulung erklärbar sind.
       

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    Beim Lesen
    • Buchstaben werden ausgelassen, hinzugefügt, vertauscht oder Wörter oder Teile von Wörtern werden hinzugefügt, Probleme bei der Verschmelzung von Einzellauten zu Lautfolgen
    • Verlangsamtes Lesetempo ,Langsames bzw. mühsames Erlesen von Wörtern, Wortweises Lesen von Sätzen und Texten 
    • Fehler beim Auffinden des Satz- oder Zeilenbeginns, Verlust der aktuellen Leseposition
    • Fehler beim Gliedern des Satzes
    • Wörter werden in Sätzen oder Buchstaben vertauscht, zahlreiche Selbstkorrekturen
    • Unfähigkeit, Gelesenes zu wiederholen
    • Unfähigkeit, aus dem Gelesenen Zusammenhänge zu erkennen und Schlußfolgerungen zu ziehen, Probleme bei der Sinnentnahme
    Bei der Rechtschreibung
    • Schwierigkeiten beim Schreiben von Buchstaben, Wörtern und Sätzen, häufige Fehler beim Abschreiben,  Zahlreiche Fehler in Diktaten oder Aufsätzen,
    • Grammatik- und Interpunktionsfehler
    • Vertauschen und Ersetzen von visuell ähnlichen Buchstaben (z.B.: "dlau" statt "blau")
    • Vertauschen und Ersetzen von akustisch ähnlichen Buchstaben (z.B.: "krün" statt "grün")
    • Auslassung von Buchstaben, so daß sich die Klanggestalt des Wortes ändert (z.B.: "Apfe" statt "Apfel")
    • Auslassung von ganzen Wörtern und längeren Wortteilen (z.B.: "Fernseh" statt "Fernsehzeitung")
    • Ersetzen von Wörtern durch ein semantisch ähnliches Wort
    • Häufige Fehler aufgrund der Nichtbeachtung bestimmter Rechtschreibregeln (z.B.: "Bager" statt "Bagger")
    • Vertauschung der Buchstabenreihenfolge (z.B.: "Fabirk" statt "Fabrik")
    • Schreibhemmung
    • Häufig treten assoziiert Schriftprobleme auf
    Gesprochene Sprache
  • Verwaschene Artikulation
  • Stockendes Sprechen
  • Wortschatzarmut
  • Wortfindungsstörungen
  • Häufige Bildung von grammatisch bzw. syntaktisch inkorrekten Ausdrücken
  • Merkfähigkeit
  • Geringe auditive Merkfähigkeit (z.B. beim Vokabellernen)
  • Geringe visuelle Merkfähigkeit (z.B. beim Einprägen von neuen Wortbildern)
  • Motorik

  • Allgemeine Ungeschicktheit
  • Verkrampfte Schreibhaltung
  • Undeutliches Schriftbild
  • Langsames Schreiben
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    Der Ratgeber Legasthenie von  Dr. Lisa Dummer-Smoch, Prof. Dr. Helmut Breuer und Dr. Maria Weuffen unter http://www.duden.de/legasthenie stellt das Krankheitsbild ausführlich und gut fundiert für Eltern und Lehrer verständlich dar. Unten ein Zitat aus diesem Ratgebers.

    Verdachtsmomente auf das Vorliegen einer Legasthenie nach: Ratgeber Legasthenie  Dr. Lisa Dummer-Smoch, Prof. Dr. Helmut Breuer und Dr. Maria Weuffen unter http://www.duden.de/legasthenie

     

    Noch nicht ausreichend auf das Lesenlernen vorbereitet sind Kinder, 

    die sich noch nicht für Buchstaben, z. B. in Autokennzeichen, und nicht für das Schreiben des eigenen Namens interessieren, die längere Wörter wie Feuersalamander, Polizeibericht, Organisation u. a. noch nicht richtig nachsprechen können,  die noch zu Beginn der Schulzeit wie ein Kleinkind sprechen: „Tinder" statt „Kinder" , „detommen"statt „gekommen" ,  die ungern puzzeln,  die den Stift beim Schreiben und Malen noch nicht im „Dreifingergriff" halten.  Das Erkennen der Schwierigkeiten ist hier besonders günstig, da die Förderung im Vorschulalter als wrikungsvoller gilt, insbesondere weil den Kindern die Mißerfolgserlebnisse in der Schule erspart bleiben, und so auch eine bessere Motivation herzustellen ist. Die Förderung sollte deshalb hier auch nicht verbissen am Defizit orientiert sein, sondern die differenzierte Wahrnehmung im Spielalltag gefördert werden. Spezielle Probleme müssen aber auch gezielt angegangen werden: z.B.: Wer noch fehlerhaft spricht, kann nicht fehlerfrei schreiben und lesen, Hilfe ist hier noch vor Schuleintritt lautsprachliche Mängel logopädisch zu behandeln.

     

    Im Leselernprozess selbst sprechen die folgenden Hinweise für Teilleistungsschwächen:  

    Das Kind schreibt Wörter von rechts nach links oder druckt mit Buchstabenstempeln von rechts nach links.
    Es antwortet auf die Frage nach dem Anfangslaut eines Wortes mit dem Endlaut.
    Es kann Anfangslaute vorgesprochener Wörter nicht nennen.
    Es kann ähnliche Laute (b– p, d– t, g– k) nicht unterscheiden.
    Es hat Schwierigkeiten, die ähnlichen Buchstabenzeichen (z. B. F– E– L, h– k, r– n, f– t) zu unterscheiden.
    Es verwechselt spiegelbildliche oder gedrehte Buchstabenformen wie b– d, g– p– q, a– e, o– a und E– 3 bzw. die Zeichen für „größer" (>) und „kleiner" (<). (Reversionen)
    Es kann zwei Laute nicht zur Silben zusammenziehen, auch nicht bei gedehntem Sprechen; es spricht m – a  statt mmmaa.
    Es kann die Silbenzahl von zweiund mehrsilbigen Wörtern nicht bestimmen.
    Es kann Reimwörter nicht erkennen, z. B. in der Wortreihe Hose –Jacke – Rose.
    Es erklärt schon nach den ersten Schulwochen, dass es einmal diesen oder jenen Beruf ergreifen will, „weil man da nicht lesen muss" .
    Reihenfolgefehler (Umstellungen von Buchstaben im Wort)
    Auslassungen von Buchstaben oder Wortteilen
    Einfügungen von falschen Buchstaben oder Wortteilen
    Regelfehler (z. B. Dehnungsfehler, Fehler in Groß- und Kleinschreibung) und sog. "Wahrnehmungsfehler" (d-t, g-k usw. werden verwechselt)
    Fehlerinkonstanz: Ein- und dasselbe Wort wird in schweren Fällen auch nach unter Umständen mehrjähriger Übung unterschiedlich fehlerhaft geschrieben
    Probleme bei der Verschmelzung von Einzellauten zu Lautfolgen
     

    Weiterhin gibt es Auffälligkeiten, die man unschwer beobachten kann, wenn man ihre Bedeutung kennt:

    Beginnt das Kind beim Lesen nach kurzer Zeit zu gähnen? Dann strengt das Lesen sehr an!
    Reibt es sich häufig die Augen? Dann erschwert vermutlich ein Sehfehler das Lesen.
    Klagt es über Kopfschmerzen beim Lesen? Das kann ein Hinweis auf Probleme der Seh- oder der Hörverarbeitung sein.
    Muss es den Zeigefinger benutzen, um dem Text folgen zu können? Wahrscheinlich rutschen die Zeilen ineinander oder die Blickbewegungen sind unruhig, das Fixieren ist nicht stabil.
    Schließt es beim Lesen ein Auge oder deckt es das Auge ab? Dann könnte eine latente Schielstellung bei beidäugigem Sehen zu Doppelbildern führen.
    Geht es mit dem Kopf bzw. mit einem Auge sehr nahe an den Text heran? Auch dies wäre ein Hinweis auf Sehprobleme.
    Häufige Fehler beim lauten Lesen, Zahlreiche Selbstkorrekturen, Langsames bzw. mühsames Erlesen von Wörtern, Silbenweises Lesen von Wörtern, Wortweises Lesen von Sätzen und Texten
     
    Fehler treten vor allen Dingen beim Diktat und spontanem Schreiben (z. B. Aufsatz) auf, während das Abschreiben von Anfang an oder in späteren Klassenstufen weitgehend fehlerlos sein kann. Die Kinder können auch die Worte in aller Regel korrekt artikuliert aussprechen und dennoch das Wort fehlerhaft schreiben.
    Kinder, die leicht auswendig lernen, kompensieren u.U. die Lese- und Rechtschreibstörung; sie versagen erst in der 3. Klasse, wenn ungeübte Schriftsprachleistungen und Aufsätze gefordert werden. Schwerer betroffene Kinder sind meist nicht fähig, die Fehler beim Lesen und Rechtschreiben selbst zu erkennen und sich zu korrigieren.
    Beim frühen Erlernen und auch bei den Lernvoraussetzungen im Vorschulalter lassen sich bei den lese-rechtschreibschwachen Kindern Schwierigkeiten erkennen, das Alphabet aufzusagen, die Buchstaben korrekt zu benennen, einfache Wortreime zu bilden und - trotz normaler peripherer Hörfähigkeit - Laute zu unterscheiden (gestörtes Lautbewußtsein).

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    Marburger Eltern-Kind-Rechtschreibtraining -Aufbau des Rechtschreibtrainings ISBN 3-89325-790-X; Waxmann-Verlag

    Lern- und Übungsbereich  Beispiel
    Erkennen von Wortstamm, Vor- und Endsilben*  Glück, glücklich, glücken, verunglücken 
    Wortarten-Erkennen* Hauptwort, Tuwort, Eigenschaftswort 
    Erkennen des kurz-gesprochenen Selbstlautes und Schreibung nach kurzem Selbstlaut.  "Katze" -Ist der Selbstlaut kurz- oder lang gesprochen? 
    Erkennen des lang gesprochenen Selbstlautes und Schreibung nach langem Selbstlaut  "Hose" -Ist der Selbstlaut kurz- oder lang gesprochen? 
    Die Schreibung des stummen -h. Lehm, Bühne, ernähren, gehen 
    Schreiben von Verben, Grundformbilden  er bringt (bringen), sie schreibt (schreiben) 
    Schreibung von gleichklingendem "Sch" und "S"  "Schrank" - "Stein" 
    Ableiteregeln zur Schreibung der Endsilben*  Wand (Wände), Berg (Berge)
    Ableiteregeln zur Schreibung gleichklingender Laute*  Zähne (Zahn), Zelte (Zelt), Bäume (Baum) 
    Groß- und Kleinschreibung*  das Haus, groß, bringen; Erkennen vom Satzanfang 
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    Prinzipien der Übungsbehandlung: Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten nach den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Leitlinien

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    • Die Behandlungsmaßnahmen sollten so früh wie möglich und möglichst in Einzeltherapie erfolgen. In der Therapiesituation stehen Lese- und Rechtschreibtraining bzw. Rechentraining im Mittelpunkt.
    • Beim Lese- und Rechtschreibtraining hat sich in der Regel folgendes Programm bewährt: Erarbeitung der Laute und Buchstaben z. B. durch Sprech- und Hörübungen. Die Lese- und Rechtschreibübung beginnt mit dem Lesen und Schreiben der sog. lauttreuen Wörter. Danach werden mehr und mehr Rechtschreibregeln mit ihren Abweichungen eingeführt. Prinzipiell wird das Aufgliedern des gesprochenen Wortes in seine phonologischen Bestandteile, Lautbildung und Lautunterscheidung innerhalb des Wortes, die Analyse des Wortes in Laute und die Synthese des Wortes aus Einzellauten bzw. Einzelbuchstaben, die Assoziation zwischen Laut (Phonem) und Buchstaben (Graphem) geübt sowie eine Silbenschulung vorgenommen. Dies wird ergänzt durch Erlernen der Regeln der Groß- und Kleinschreibung und andere Rechtschreibregeln.
    • Bei der Übungsbehandlung kann die Verwendung von Symbolen und von Handzeichen (Gebärdensprache) hilfreich sein.
    • Eine Überforderung ist durch ein Arbeiten entlang der "Null-Fehler-Grenze" zu vermeiden. Zunächst üben mit möglichst kurzen lautgetreuen Worten. Die Übungen beinhalten eine Analyse und Korrektur der sich wiederholenden, individuellen Fehler, das Lesen und Schreiben von ganzen Sätzen, das sinnverstehende Lesen und Schreiben von Texten, die Vermittlung einer Einsicht für die Regeln und die Ausnahmen der Orthographie. Dabei ist das jeweilige Alter bzw. der schulische Stand des Kindes zu beachten.
    • Übungsmaterialien in Form von Übungsprogrammen lassen sich nutzen. Computerprogramme zur Förderung der Lese- und Rechtschreibfertigkeiten und Rechenfertigkeiten sind verfügbar.
    • Kinder mit einer Legasthenie sind auch später als Heranwachsende und Erwachsene im Hinblick auf ihre soziale Integration und die berufliche Entwicklung erheblich beeinträchtigt,  dass das Delinquenzrisiko im Alter von 18 Jahren ist etwa um das Fünffache höher sei als bei Gleichaltrigen, die nicht an einer Legasthenie leiden. Eine frühe Behandlung kann dem entgegen wirken.

     

    Die Kultusminister und Schulen kommen inzwischen überwiegend zur Auffassung, dass die Behandlung der Leserechtschreibschwäche schwerpunktmäßig im Elternhaus und in der Schule erfolgen sollte. Nur in Ausnahmefällen sollten die Therapien außerhalb der Schule durchgeführt werden. Zwischenzeitlich versuchen die Schulen zunehmend besser den individuellen Bedürfnissen und Mängeln der Grundschüler durch Anpassungen des Unterrichtskonzeptes gerecht zu werden.

     

    Die spezifische Übungsbehandlung zum Rechnen beinhaltet ergänzend bzw. alternativ:

    • Aufbau der Voraussetzungen für das Rechnen, wie z. B. der Mengenbegriff, das Unterscheiden von > und <
    • Erarbeitung mathematischer Grundkenntnisse und Rechenoperationen mit Hilfe anschaulichen Materials, bildlicher und symbolischer Darstellung und Schulung im Erfassen von Mengen durch Handeln
    • Analysieren der subjektiven mathematischen "Regeln" und der Fehlerschwerpunkte des Kindes
    • Erarbeiten einzelner Rechenoperationen und ihre Einübung
    • Schulung in der abstrakt-mathematischen Sprache
    • Untergliedern von Rechenoperationen in kleinste Schritte
    • Erarbeiten von Strategien im Umgang mit mathematischen Aufgaben (z. B. Untergliedern der Aufgaben, Verwenden optischer Hilfen)
    • Einüben einer übersichtlichen Form, um Rechenaufgaben schriftlich zu lösen.

    Einige Kinder mit Leseleistungschwäche lernen besser, wenn sie mit nur einem Auge schauen. Darauf weist eine Studie der Oxford University in England an 143 Kindern mit Leseschwäche hin. Sie konnten sich aufgrund schlechter Kontrolle der Blickbewegungen nicht auf die Buchstaben konzentrieren. Die Hälfte der Kinder wurde für neun Monate mit einer Brille mit nur einem Glas ausgestattet. Es zeigte sich, dass sie große Lernfortschritte machten und schließlich ihren Altersgenossen hinsichtlich der Lesefähigkeit um Monate voraus waren. Bei vielen Kindern ist das Lesen erschwert, da sie ihre Blicke nicht auf die Buchstaben konzentrieren können. '(Stein Jf et al., Brain 123,2000, 164-170)

     

    Grad der Behinderung im Schwerbehindertenrecht aus den
    "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (1996)

     
    Kognitive Teilleistungsschwächen
    (z. B. Lese-Rechtschreib-Schwäche [Legasthenie], isolierte Rechenstörung)
    GdB
    leicht, ohne wesentliche Beeinträchtigung der Schulleistungen 0-10
    sonst - auch unter Berücksichtigung von Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen –bis zum Ausgleich  20-40
    bei besonders schwerer Ausprägung (selten)    50

      

     

    Lese-Rechtschreibstörung (Legasthenie) Links

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    www.duden.de Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. (BVL) Elternselbsthilfegruppe Marburg Selbsthilfegruppen in Hessen Landesverband Legasthenie Hessen Bundesverband Legasthenie (Hannover) British Dyslexie Association Legasthenietherapie-info.de/

    International Dyslexie Association    What is Dyslexia?  The Basics  Parents  Educators & Other Professionals  Adults with Dyslexia College Students  Adolescents  Other LD-Related Organizations & Resources 

    Reading and Writing Quaterly Bundesverband Legasthenie Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Philipps-Universität Marburg (sehr gute deutschsprachige Seite mit ausführlichen Erklärungen zum Stand der Forschung)  Das Marburger Eltern-Kind Rechtschreibtraining-Programm   Legasthenie-Forum Dyslexie Software - Osnabrücker Lese-Lern-Instruktor (OLLI)   Manfred Tuecke Leseklinik Förderzentrum Falkenstein Kinderbrillen  Dyslexie/Reading Disability Dyslexie Training Programs  The Dyslexie Archive UPJ Speech perception laboratory  Informationen von U. Winkelmann Die Lese-Rechtschreibstörung in der Diskussion Dyslexie Linksammlung  Language Based Learning Disability  Neurophysiological Basis of Dyslexie Speech Processing  EU zum Wissentransfer über Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten Informationen für Familien  American Academy Of Child And Adolescent Psychiatry Learning Disabilities Association of Amerika  "What is Dyslexia?" Clue to Dyslexia Found," "Study Finds Distinctive Brain Patterns in People with Dyslexia," Dyslexia,  "A Rational Basis for the Identification of Learning Disabled Students at Selective Institutions,"  "Images of Dyslexia, eine Lokalisation im Hirn"  dyslexia, links to the most up-to-date medical research papers, current research projects  misperceptions and myths    "Functional disruption in the organization of the brain for reading in dyslexia, Dyslexia 2000 Network .Dyslexia Archive .

     

    International Dyslexia Society www.interdys.org NIMH/National Institute of Mental Health www.nimh.nih.gov/

    Learning Disabilities Association of America (LDA)   National Center for Learning Disabilities (NCLD)       http://www.schwablearning.org

    Exceptional Children (CEC) Educational Resources Information Center (ERIC)   National Information Center for Children & Youth with Disabilities (NICHCY)

    National Institute of Child Health & Human Development (NICHD) Council for Exceptional Children/Division of Learning Disabilities (CEC/DLD)

    LD Online ZWANG-FORUM der Deutschen Gesellschaft für Zwangserkrankungen (DGZ) ANGST-FORUM im Internet DAS PSYCHIATRIENETZ MEDIZINNETZ

    Netzwerk Psychologische Suchtforschung der Universität Heidelberg Abhängigkeitserkrankungen M. Sokoliuk HomepageHyperkinetisches Syndrom - Elterninitiative zur Förderung der Kinder mit HKS e.V., HaanEnuresis-Gruppe Deutschland - HomepageAnorexia nervosa und Bulimia nervosa: Forschungs- und Informationsserver der Universität Leipzig Anorexia nervosa - die Pubertätsmagersucht. Dr. Christa Wührer, Schulpsychologische Beratungsstelle LandeckManisch-depressive Krankheit M. Sokoliuk HomepageAngst Forum DR. MED 09/98 Angst- und Panikstörung Medicine Worldwide (deutsch)Wie Kinder eine Scheidung bewältigen. Prof.Dr. Max Haller, Institut für Soziologie an der Universität Graz/Österr. )Schulangst - Abacus EDV Schulangst - Ärztezeitung onlineSuizid - Selbstmord auch bei Kindern und Jugendlichen. Prof. Mag. F. Ecker, Linz (Österr.)Gilles De La Tourette Syndrom - Homepage Deutschland

    Leitlinien der Kinder und Jugendpsychiater zu psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen.                          zurück zum Seitenanfang  

     

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    Der Osnabrücker Lese-Lern-Instruktor OLLI (Freeware) Kurzbeschreibung: OLLI soll nach der Konzeption nicht Lehrer oder Legasthenietherapeuten ersetzen, sondern ihre Arbeit ergänzen. Deshalb wird empfohlen, daß während der Trainingssitzungen ein Betreuer anwesend sein sollte, der die Kinder zusätzlich auf Fehler hinweist, ihnen Tips geben kann, der aber auch notfalls eine Trainingssitzung unterbrechen kann, falls sich herausstellt, daß die gewählte Wortliste zu leicht oder zu schwer ist. Mit Hilfe von OLLI können Wörter erstellt, zerlegt, kurzzeitig dargeboten und bei Kindern mit Dyslexie gezielt visuell und akustisch trainiert werden. Weitere Informationen zu OLLI   Downladen von OLLI

    Die Forschungs- und Beratungsstelle für computerunterstützte Rehabilitation (Uni Köln) stellt die Trainigsprogramme Euro-Mulli (schriftliche Multiplizieren; "Euro-MULLI" (Autoren: Dr. Udo Kullik / Ralf Sieger)) und Alphi (Lese-Rechtschreibtraining; (Autor: Axel Rotthaus)) vor, die empirischen Untersuchungen zufolge längerfristige Leistungssteigerungen bewirken sollten. Programm LESE-ZEILE V3.0 (DOS) Vollversion des Autorensystems "MultiLück" Version 3.0, mit dem Sie selbst Lernprogramme schreiben können (Win3.x und Win95)

     

    Alles Lernen muss schrittweise erfolgen. Je kleiner die Lernschritte, desto größer der Erfolg!

    abc2.jpg (2634 Byte)

     

    Häufig reagieren solche Kinder übersensibel auf Leistungsanforderungen aus Schule und Elternhaus. Sie sind ständig überfordert und stehen unter Druck.Das kann fatale Auswirkungen auf ihre Psyche haben. Sie leiden unter Konzentrationsmangel, reagieren oft aggressiv oder mit Resignation undVerweigerung. Sollen lese-rechtschreib-schwache Kinder nicht an ihrer Schwäche scheitern, muß der Teufelskreis von gestörtem Selbstwertgefühl und reduzierter Lern-und Leistungsmotivation durchbrochen werden.
    Wenn ein Kind (oder ein Jugendlicher) in der Schule Probleme hat, muss das Elternhaus "Erste Hilfe" bieten. Die besteht zunächst einmal darin, dass Sie sich für seine Probleme interessieren und ihm geduldig zuhören. Es muss auch über seine Gefühle - Angst oder Wut - offen sprechen können. Nehmen Sie das Kind ernst, und machen Sie ihm Mut. Beschäftigen Sie sich viel mit dem Kind, spielen Sie mit ihm, unternehmen Sie etwas gemeinsam. Achten Sie darauf, daß das Kind täglich ausreichend Bewegung zum Ausgleich hat!

    Ob und in welcher Form zusätzliche Übungen durchgeführt werden, muss gut überlegt werden. In den Ferien sollte sich das Kind unbelastet erholen dürfen. Wenn in den Ferien etwas aufgeholt werden muss, dann erst im letzten Drittel. Zusätzliche Übungen während der Schulzeit müssen genau dosiert werden: Allzu viel ist ungesund! Sie sollten nur kurz -  eine Viertelstunde -, dafür aber täglich oder fast täglich mit dem Kind gezielt arbeiten. Der Sonntag muss unbedingt frei bleiben!

    Oft reicht es aber, die in der Schule durchgeführten Ansagen, Gedächtnisübungen und Leseaufgaben sinnvoll vorzubereiten. Auch hier gilt wieder: Ihr Kind hat einige Tage lang Zeit dafür, es kann und soll daher nicht alles auf einmal, sondern jeden Tag ein bisschen üben.

    Wie übt man nun?

    Bereich Lesen:

    Orientieren Sie sich nicht nur an der in der Schule gepflegten Methode. Ihr Kind hat spezielle Probleme und braucht daher spezielle - also andere - Förderung.

    Leseübungen ermüden Kinder, die es noch nicht gut können, sehr. Sie sollten daher das Lesen immer nur kurz üben. Wählen Sie Texte, die nicht zu schwierig sind - Bilderbücher mit großem Druck und wenig Text. Lassen Sie das Kind immer zuerst leise lesen, dann erst laut! Auch die Leseaufgabe für die Schule soll zuerst leise durchgelesen werden.

    Längere Texte - ab der dritten Klasse - müssen im allgemeinen nicht mehr laut gelesen werden. Wichtig ist aber, dass Sie mit Ihrem Kind über den Inhalt des Gelesenen sprechen.

    Lesen kann Ihr Kind nicht nur am Lesebuch lernen. Sie finden reichlich Übungsmaterial zuhause oder auf der Straße: Werbeprospekte, Aufdrucke auf Milchflaschen, Butterpäckchen, Jogurtbechern, Aufschriften auf Läden und Plakaten.

    Wenn Ihr Kind auch in der zweiten Klasse das Lesen nicht erlernt, braucht es Betreuung durch eine Fachkraft.

    Bereich Schreiben:

    Lassen Sie Ihr Kind die Wörter, die es schreiben soll, zuerst lesen! Sagen Sie nicht: "Hör dir das Wort gut an!" oder "Sprich dir das Wort vor!" Das funktioniert nicht. Die deutsche Rechtschreibung ist nicht lautgetreu, man schreibt nicht so, wie man spricht.

    Sagen Sie ihm lieber: "Schau dir das Wort gut an!" Helfen Sie ihm, Schwierigkeiten wie Verdopplungen und Umlaute zu erkennen, besonders, wenn es sich um neue Wörter handelt. Dann darf es die Wörter oder den Text abschreiben. Erst wenn ein Text Wort für Wort erarbeitet worden ist, sagen Sie ihn an.

    Bei der Vorbereitung von Gedächtnisübungen oder Ansagen sollten Sie bedenken: Ihr Kind kann viele Wörter, die im Text vorkommen, ohnehin richtig schreiben. Diese zu üben, würde das Kind nur verunsichern. Lassen Sie daher Ihr Kind nicht immer wieder den ganzen Text schreiben, sondern üben Sie mit ihm die Wörter, die ihm noch Probleme bereiten.

    Streichen Sie Fehler niemals an, schon gar nicht mit Rotstift! Halten Sie auch Ihr Kind davon ab, selbst Fehler anzustreichen. Dadurch wird der Fehler hervorgehoben, und das Kind merkt sich das falsch geschriebene Wort!

    Lassen Sie Übungen prinzipiell mit Bleistift durchführen, und radieren Sie Fehler einfach aus.

    Zum Schluss:

    Auch wenn Ihr Kind immer noch Fehler macht, wird es doch von Übung zu Übung besser.
    Loben Sie es für jeden Fortschritt, und freuen Sie sich mit ihm!

    Verwandtes: Amusie

    Musikalität ist das Vorhandensein einer Sensibilität und Empfänglichkeit für Musik, letztere ist bei 95% aller Menschen vorhanden. Amusie wird synonym auch Tontaubheit, Dysmelodie oder Dysmusie genannt. Amusie ist die Unfähigkeit, Melodien aufzufassen (= sensorische A.), zu singen oder zu spielen (= motorische A.) oder Noten zu verstehen (= musikalische Alexie, »Notenblindheit«);  Analog zu Lese- Rechtschreibstörungen gibt es auch eine angeborene Form der Amusie, sie soll bei etwa 5% der Bevölkerung auftreten.  Betroffene können schlecht Tonhöhen unterscheiden, oft besteht eine Beeinträchtigung in der Fähigkeit Musik zu erinnern und zu erkennen. Sie können meist nicht singen und nicht im Takt klatschen oder tanzen. Während üblicherweise auch Kleinkinder Dissonanzen erkennen und darauf reagieren, erkennen Betroffene diese nicht. Umgekehrt reagieren sie auch nicht auf angenehme Musik und erkennen auch häufig gehörte Melodien oft nicht wieder. Es handelt sich also um eine spezielle angeborene Lernstörung. Die Störung ist in der Regel auf den Bereich der Musik begrenzt. Die betroffenen unmusikalischen Menschen erkennen Sprache einschließlich Sprachmelodien, Umgebungsgeräusche und menschliche Stimmen genau so gut wie andere Menschen. Einer der ersten beschrieben Betroffenen sprach 3 Sprachen fließend. Schädigungen des rechten oberen Temporallappens und der rechten Insel führen bei erworbenen Fällen zur musischen Wahrnehmungsstörung, links temporale Schädigungen führen zur Störung der Assoziation zur musikalischen Wahrnehmung und damit auch zu Störungen der affektiven Bewertung und des affektiven Erlebens von Musik. 
    Brain, February 1, 2002; 125(2): 223 - 224. [Full Text] [PDF] J. M. Foxton, J. L. Dean, R. Gee, I. Peretz, and T. D. Griffiths Characterization of deficits in pitch perception underlying 'tone deafness'Brain, April 1, 2004; 127(4): 801 - 810. [Abstract] [Full Text] [PDF]
    Peretz I, Blood AJ, Penhune V, Zatorre R. Cortical deafness to dissonance. Brain 2001; 124: 928–40 J. Ayotte, I. Peretz, and K. Hyde Congenital amusia: A group study of adults afflicted with a music-specific disorder Brain, February 1, 2002; 125(2): 238 - 251.  [Abstract] [Full Text] [PDF] Ayotte J, Peretz I, Rousseau I, Bard C, Bojanowski M. Patterns of music agnosia associated with middle cerebral artery infarcts. Brain 2000; 123: 1926–38.

     

    Vorsicht vor wenig gesicherten Alternativmethoden Ihr Geld aus der Tasche zu ziehen ohne daß sich für Ihr Kind viel bewegt.

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    Zur Kinesiologie die sich auf Lehrerfortbildungen gewinnbringend für die Trainer epidemiartig ausbreitet schreibt der Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologenhttp://www.bdp-verband.org :  Wörtlich übersetzt heißt Kinesiologie Bewegungslehre. Im engeren Sinn versteht sich die sogenannte Kinesiologie als ein diagnostisch - therapeutisches System zur Beurteilung und Behandlung von Störungen. Sie schöpft aus verschiedenen Quellen (physiologische Inhalte werden mit fernöstlichen und auch eher esoterischen Gedanken vermengt) und beruht auf der Annahme einer Körper, Geist und Seele durchdringenden Energie. Kinesiologen behaupten, über das Testen von Muskelspannungen sowohl Blockierungen im Energiefluß sowie die blockierenden Faktoren erfassen zu können. Zentrale Rolle spielt nach Auffassung von DIAMOND (1993) die Thymusdrüse, die den gesamten Energiehaushalt des Körpers überwache.(was medizinischer Schwachsinn ist).   Ein Zusammenwirken zwischen Thymusaktivität und der Koordination und Integration rechter und linker Gehirnhemisphäre wird postuliert. Eine Störung des Energieflusses soll mit Hilfe spezifischer Bewegungen und der Stimulation verschiedener Körperstellen behoben werden. Durch körperliche Übungen (gymnastische Übungen mit Kreuzen der Körpermitte, Stimulieren von Druckpunkten) wird eine Aufhebung von Denk-, Gefühls- und Erlebnisblockaden angestrebt. Auswirkungen dieser Übungen auf komplexe Persönlichkeitsvariablen wie Emotionen und körperliche Befindlichkeiten (z.B. Angst, Ärger, sexuelle Spannungen, Hunger, Übelkeit, ...) sowie im Fall der "educational kinesiology" (EDU-Kinesiologie) auch auf die Lernfähigkeit von Kindern werden behauptet. Nachdenklich stimmt die Tatsache, daß mit ein und demselben Verfahren unterschiedlichste Störungen "behandelt" werden. Kinesiologie findet sowohl bei Legasthenie als auch bei depressiver Symptomatik Anwendung. In deutsch- und englischsprachigen wissenschaftlichen Zeitschriften lassen sich in den vergangenen fünf Jahren keine Artikel finden, die Nachweise über die postulierten Effekte lieferten. Nachgewiesene Effekte beschränken sich auf Entwicklungserfolge im Bereich der psychomotorischen Koordination.  Zusammenhänge zwischen kinesiologischen Übungen und Persönlichkeitsveränderungen wie sie von DIAMOND behauptet werden, finden sich nur im Insider-Feld der Kinesiologen. In der empirischen psychologischen Forschung sind sie nicht zu entdecken.  Daß Bewegungsübungen auch auf Bewegungskoordination im Rahmen des Schreibens sich positiv auswirken, bleibt unumstritten. Solchen Bewegungsübungen stimmt auch das niedersächsische Kultusministerium zu, nachdem anfänglich "Kinesiologische Übungen im Unterricht" verboten wurden. "Wir haben nichts gegen Bewegungsübungen." Kinesiologische Arbeit steht moderner schulpsychologischer Erkenntnis entgegen. Kinesiologie provoziert Abhängigkeiten zwischen "Meistern" und "Schülern" - zwischen "Gurus" und "Bedürftigen". Sie erinnert an eine sektenähnliche Vereinigung.Empirische Nachweise der propagierten Therapieeffekte werden in wissenschaftlichen Beiträgen nicht berichtet. Hansjörg HEMMINGER von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Stuttgart bezeichnet Kinesiologie als "eine außerwissenschaftliche Lehre und Methode ohne jegliche wissenschaftliche Plausibilität. Die "Stiftung Warentest" äußert sich kritisch zu dem Muskeltest, wie er von Kinesiologen praktiziert und propagiert wird: "In einer Studie von 1992 mit dem Titel "Die andere Medizin (Kostet 49,- DM)" heißt es: Die Muskeltestung ist rein subjektiv und kann manipuliert werden. Auch gebe es keine wissenschaftliche Dokumentation darüber, ob der Test wirklich herausfinden kann, was behauptet wird."

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    Ähnliches zeigt sich bezüglich des Allheilmittels Kinesiologie  auch auf anderen Gebieten:

    Im Rahmen einer ausführlichen Studie zur diagnostischen Wertigkeit der Health-Kinesiologie nach Scott klärte die Hautklinik der Hamburger Universitätsklinik Eppendorf die Zuverlässigkeit und Sicherheit der Methode bei Patienten mit allergischen Erkrankungen. Da die Ärzte der Hamburger Hautklinik trotz der separaten Auftrennung von Patienten mit Candica albicans bzw. Patienten ohne Cancida albicans keinen Unterschied in der Reproduzierbarkeit der Messungen finden konnten, konnte das Argument der Kinesiologen, daß eine ordnungsgemäße kinesiologische Testung bei Candica albicans-Befall nicht möglich sei, als faktisch wiederlegt angesehen werden. Die Hamburger Hautärzte stellten fest: "Aus unserer Sicht besteht daher derzeit kein wissenschaftlich begründbarer Anhaltspunkt dafür, die Kinesiologie in der Allergiediagnostik einzusetzen". Eine ausführliche Darlegung des Versuches zur Health-Kinesiologieist Klinik-Aktuell 1/1997 zu entnehmen. Es gibt noch weitere Formen der Kinesiologie, die vom amerikanischen Chiropraktiker George Goodheart ebenfalls in den 60er Jahren entwickelt wurde. Dabei wird auf das aus der chinesischen Mythologie/Gesundheitslehre stammende Chi oder Ki   abgezielt - ein "geheimnisvoller" Energiefluß im menschlichen Körper. Der Patient wird dadurch geprüft, daß dieser einen Arm im rechten Winkel von Körper zur Seite ausstreckt. Der Kinesiologe legt seine eigene Hand auf das Handgelenk des ausgestreckten Arms des Patienten und drückt nun den Arm gegen den Widerstand des Patienten nach unten. Der "Energiefluß" ist dann "in Ordnung", wenn der Patient dem Druck des Therapeuten widersteht. Da dieses Phänomen aber von der Aufmerksamkeit des Patienten abhängt und somit vom Therapeuten sehr leicht beeinflußt werden kann, kann auf diese Weise dem unbedarften Patienten eine Scheinerkrankung angedichtet werden, die in der Realität nicht existiert. Siehe Lüdtke, R., Seeber, N., Kunz, B., Ring, J.:Kinesiologie in der Allergiediagnostik, in: Jahrbuch der Karl und Veronica Carstens-Stiftung, Band 2, Hippo-krates Verlag, Stuttgart, 1995, S.54-64.

    Definitionen aus Alternative Medicine, Paranormal Healing, and Related Methods © 1997 Jack Raso, M.S., R.D.

    applied kinesiology (AK, kinesiology): Elaborate system of pseudodiagnosis and treatment whose centerpiece is muscle test-ing (see below). Detroit chiropractor George J. Goodheart, Jr., developed the first AK procedure (the origin and insertion tech-nique) in 1964. He theorized that muscle groups share "energy pathways" with internal organs and that, therefore, every organ dys-function is discoverable in a related muscle. Testing muscles for relative strength and tone supposedly taps the body's "innate intelli-gence" and enables practitioners to detect specific dysfunc-tions. AK encompasses: "clinical nutrition"; CranioSacral Therapy; "dietary man-agement"; homeopathy, includ-ing classical homeopathy; meridian therapy (see "Ching Lo"), especially acupressure and acupunc-ture; and reflexology. behavioral kinesiology (BK): Brand of applied kinesiology developed by psychiatrist John Diamond, M.D., author of Behavioural Kinesiology: How to Activate Your Thymus and Increase Your Life Energy (Harper and Row, 1979). Therein, he defined BK as "an integration of psychiatry, psychoso matic medicine, kinesiology, preventive medicine and the humanities."

    Auch Homöopathen bieten Hilfe, Es erfolgt eine Auflistung der Präparate, allerdings sollte man sich bezüglich der Wirksamkeit keine besonderen Hoffnungen machen.

    Siehe auch im Kapitel Alternativmedizin Homöopathie    

    Bufo D6, D12, D30: unverständliches Sprechen, mangelhafte Wortbildung, Gedächtnisschwäche, Kopfschmerz (schlechter durch Bewegung, helles Licht, Geräusche), Neigung zu Nasenbluten, warmes Zimmer <, frische Luft , Nasenbluten >

    Carbonicum sulfuratum D12, D30: gesteigerte geistige Tätigkeit, aber Unfähigkeit, die Gedanken auf das Gelesene zu konzentrieren, Zerstreutheit, findet beim Sprechen nicht die richtigen Worte, Gedächtnisschwäche, Neigung zu Schwindel, warmes Zimmer <, feuchtwarmes Wetter <, heiße Bäder <, frische Luft , Abkühlung >

    Helleborus D30: Abstumpfung des Geistes, vergißt, was er gerade gelesen hat, vergißt, was er sagen wollte, Betäubung des Kopfes wie bei Trunkenheit, Gleichgültigkeit, Melancholie, Reizbarkeit, will nicht angesprochen werden, pulsierender Kopfschmerz, Muskelkrämpfe, allgemeine Schwäche, Kollapsneigung, abends und nachts <

    Silicea D6, D12, D30: erschwertes Denken, rasche Erschöpfung bei geistiger Anstrengung, selbst bei einer Unterhaltung, Vergeßlichkeit, Abmagerung, große Frostigkeit, Erkältlichkeit, Mangel an Lebenswärme, übler Geruch aller Absonderungen (Schweiß, Eiter, Stuhl), große Schweißneigung (besonders Kopf), meteoristisch aufgetriebener Leib, Obstipation, große Empfindlichkeit, Unerträglichkeit von Widerspruch, mangelndes Selbstvertrauen, Zorn, Eigensinnigkeit, Kälte <, abends und nachts, Wärme >,warmes Einhüllen >

    Sulfur D6, D12, D30: Zerstreutheit, kann die Aufmerksamkeit nicht auf eine Sache konzentrieren, große Hast und Unruhe, Widerwille gegen jede Beschäftigung, Reizbarkeit, Unordentlichkeit, Vergeßlichkeit ("vergißt das Wort im Munde"), Neigung zu philosophischen und religiösen Schwärmereien, Flauigkeitsgefühl gegen 11h, Abneigung gegen Waschen, Neigung zu trockenem Ekzem, Hitzewallungen mit Bedürfnis nach frischer Luft, steckt nachts die Füße aus dem Bett oder deckt sich auf, abends und nachts <, Bettwärme <, Nässe und Kälte <, Ruhe <, Wärme >, trockenes Wetter >.

     

     

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Um Mitteilung wo dies nicht der Fall ist bin ich dankbar. Fragen Sie hierzu immer Ihren behandelnden Arzt. Dieser weiß in der Regel über die hier dargestellten Sachverhalte gut Bescheid und kann Ihren individuellen Fall und Ihre Beschwerden besser einordnen- was für einen bestimmten Patienten nützlich ist, kann einem anderen schaden.  Selbstverständlich gibt es zu den meisten Themen unterschiedliche Auffassungen. Soweit möglich wird hier dargestellt woher die Informationen stammen. In den meisten Fällen mit einem entsprechenden Link (da diese oft ohne Ankündigung geändert werden, sind diese leider nicht immer aktuell zu halten).. Leider ist die zitierte Literatur nicht immer kostenfrei zugänglich. Die Beschränkung auf kostenfrei zugängliche Literatur würde manches sehr oberflächlich lassen. In der Regel versuche ich mich in der Darstellung an deutschen oder internationalen Leitlinien der Fachgesellschaften und Metaanalysen der Literatur zu orientieren. Auch dies ist nicht überall möglich. Zum einen gibt es nicht überall solche Leitlinien, zum anderen werden diese mir nicht immer sofort bekannt. Manche Leitlinien sind lange nicht aktualisiert worden und von neuerer Literatur überholt, bzw, ergänzungsbedürftig.  Wenn möglich sind im Text Links zu solchen Leitlinien eingebaut. Auch Leitlinien sind nur Orientierungen, sie schließen nicht aus, dass generell oder im Einzelfall Fehler enthalten sind oder diese im Einzelfall nicht anwendbar sind. Ziel der Darstellung ist hier definitiv nicht, mich als Experten für irgendeines der in der Homepage dargestellten Krankheitsbilder auszuweisen. Ich gehe davon aus, dass alle vergleichbaren Fachärzte für Neurologie, Psychotherapeutische Medizin und Psychiatrie ihre Patienten sorgfältig und genau so gut wie ich behandeln. Sollten Sie über eine Suchmaschine direkt auf diese Seite gekommen sein, werden Sie gebeten auch die Hauptseite aufzusuchen. 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