Sensibilitätsstörungen (Gefühlsstörungen,
Taubheitsgefühle)

Nicht umsonst geht das
deutsche Wort Begreifen, davon aus, dass wir durch das Betasten von Gegenständen
diese in ihren Eigenschaften auch besser verstehen können. Abtasten, mit den
fühlenden Händen Aufbauen und Zerstören sind wesentliche Teile der beginnenden
Begriffsbildung bei Säuglingen und Kleinkindern. Unsere Haut hat spezielle
Rezeptoren, die spezielle Wahrnehmungsqualitäten vermitteln. Je nach dem, wie
wichtig die Wahrnehmung über die Berührungssinnesorgane an einer bestimmten
Körperstelle ist, ist die Anhäufung dieser Sinnesorgane in unserer Haut sehr
unterschiedlich. Gemessen wird dies unter anderem mit der
Zweipunktdiskrimination. Dass wir mit unseren Fingerspitzen wesentlich besser
zwischen zwei unterschiedlichen Berührungsreizen unterscheiden können
als beispielsweise am Unterarm oder gar am Rücken, hängt damit zusammen, dass
hier die Dichte der Hautsinnesorgane am größten ist. Entsprechend größer sind
auch die zugehörigen parietalen Hirnrindenanteile, wie dies im Homunkulus
dargestellt ist.
In der Epidermis
(Oberhaut), nahe der Grenze zur Dermis (Lederhaut) liegen die Merkelzellen. Es
handelt sich dabei um scheibchenförmige Rezeptoren die besonders auf Druck
ansprechen, sie haben ein kleines rezeptives Feld und adaptieren langsam an den
Reiz, sprechen besonders auf Frequenzen von 0,3-3 Hz an.
Unmittelbar unterhalb der
Epidermis liegen die Meissner- Körperchen. Sie haben ebenfalls ein kleines
rezeptives Feld und reagieren auf leichtes Antippen der Haut. Sie adaptieren nur
langsam an den Reiz, sprechen besonders auf Frequenzen von 3-40 Hz an. Durch sie
wird besonders ein Zittern wahrgenommen.
Ruffinikörperchen bestehen
aus verzweigten Nervenfasern, die von einer Kapsel umgeben sind. Sie sprechen
Dehnung der Haut oder Bewegung der Gelenke an, wahrgenommen wird dabei häufig
ein Summen, sie haben ein großes rezeptives Feld, adaptieren langsam an den
Reiz, sprechen besonders auf Frequenzen von 15-400 Hz an.
Pacinikörperchen haben eine
zwiebelförmige Kapsel um eine Nervenfasern, sie sitzen tief in der Haut, aber
auch in inneren Organen oder Gelenken. Sie sprechen auf schnelle Vibration an,
wahrgenommen wird dabei eine Vibration sie haben ein großes rezeptives Feld,
adaptieren schnell an den Reiz, sprechen besonders auf Frequenzen von 10-500 Hz
an.
Unsere Haut hat 2 Arten von
Temperaturrezeptoren, Kälte- und Wärmerezeptoren. Wärmerezeptoren feuern länger,
wenn die Temperatur ansteigt und feuern auch weiter so lange eine höhere
Temperatur anhält. Sie sind bei einer Temperatur auf der Haut von 30-48° Celsius
empfindlich, am stärksten feuern sie bei etwa 44 Grad. Ab 45° feuern zusätzlich
Schmerzrezeptoren. Kaltsensoren sprechen bei einer Temperatur zwischen 20
-45°an, ihre größte Empfindlichkeit liegt bei etwa 30°.
Schmerzrezeptoren auch
Nozizeptoren sprechen auf starken Druck, extreme Temperaturen und Chemikalien,
die die Haut reizen an.
Das Zusammenwirken dieser
verschiedenen Rezeptorentypen mit Bewegungsrezeptoren in den Muskeln und
Gelenken mit der zentralen Verarbeitung auf der Ebene des Rückenmarkes und
verschiedenen Hirngebieten ermöglicht das, was man sensible Empfindungen oder
Sensibilität im neurologischen Sinn nennt. Sensibilität benötigen wir zusammen
mit anderen Informationen für unser Gleichgewicht, mit ihr können wir durch
Ertasten Gegenstände erkennen, sie spielt eine zentrale Rolle bei der
Sexualität, hilft uns rechtzeitig schädigende Umwelteinflüsse zu erkennen.
Möglicherweise spielen bei der Wahrnehmung eines Reizes auch die weiterleitenden
Neurone eine große Rolle. So sollen spezielle sehr langsame nicht myeliniserte
C- Fasern für die Weiterleitung der Empfindung von Streicheln zuständig sein.
Was wir bei einem Sinnesreiz wahrnehmen ist wie in anderen Sinnesgebieten nicht
nur von den Umweltreizen oder der Art der Berührung abhängig sondern auch von
unserer individuellen, teilweise angeborenen und teilweise erlernten
Verarbeitung dieser Wahrnehmungen. Die im Gehirn eintreffenden Impulse formen
und verändern (in Grenzen) auch die Verschaltungen der Nervenzellen in der
Hirnrinde. Auch Emotionen beeinflussen erheblich was wir bei einer Berührung
wahrnehmen. Der selbe Berührungsreiz wird ganz anders empfunden wenn er erwartet
wird, oder wir davon überrascht werden, wenn er von einer geliebten Person kommt
oder von einer Person, die gegen uns feindselig gestimmt ist, wenn wir ihn
suchen oder ersehnen oder wenn wir ihn ablehnen. Sehr individuelle Situationen
prägen also die Wahrnehmung eines sensiblen Reizes mit, dies gilt besonders für
Schmerz und den Bereich der Sexualität, gilt aber auch für andere sensiblen
Wahrnehmungen.
Die Fähigkeit
durch Abtasten dreidimensionale Gegenstände zu erkennen bezeichnet man als
haptische Wahrnehmung. Am Berührungserkennen ist neben der
eigentlichen Sensibilität, die darauf abgestimmte Motorik (Bewegung der Finger)
und das Wissen (Gedächtnis und Denken) über die Beschaffenheit von Gegenständen
beteiligt.


Man unterscheidet zentrale von peripheren
Sensibilitätsstörungen. Periphere Sensibilitätsstörungen gehen auf eine
Schädigung eines einzelnen Nerven, eines Nervenplexus oder einer Nerven-
(hinter) wurzel zurück. Zentrale Sensibilitätsstörungen haben ihre Ursache in
einer Schädigung des Rückenmarks oder des Gehirns. Die Verteilung der
Sensibilitätsstörung, die Art der Sensibilitätsstörung und begleitende Symptome
ermöglichen den Rückschluss auf den Ort der Schädigung und manchmal auch die
Ursache der Sensibilitätsstörung . Die klinische Untersuchung ermöglicht so
weitere diagnostische Maßnahmen sinnvoll einzusetzen, oft ist die klinische
Untersuchung auch alleine ausreichend für eine exakte Diagnose.
Bewertung der Sensibilitätsstörungen:
Nicht jedes Kribbeln ist ein Hinweis auf einen Schlaganfall. Fast nie ist
es ein Hinweis auf Durchblutungsstörungen an Armen und Beinen. Für die
Beurteilung der hier erhobenen Befunde ist eine exakte Kenntnis der
komplizierten physiologischen Hautinnerinnervationsverhältnisse (zentral,
peripher und segmental )
Voraussetzung. Nicht bei jedem Patienten
wird jedes Detail untersucht, der Untersucher muss einschätzen können, wo
ein ganz genaues Nachschauen erforderlich ist. Wie bei Lähmungen können
auch Sensiblitätsstörungen ihre Ursache nicht nur in Schäden des Gehirns
durch einen Schlaganfall haben, sondern auch in Schäden der peripheren
Nerven. Wichtig ist hier für die Unterscheidung zunächst die genaue
Feststellung in welchem Hautbezirk sich der Schaden feststellen lässt. Die
Untersuchung der Schmerzwahrnehmung oder Spitz-Stumpf-Unterscheidung mit
einer Nadel oder einem Zahnstocher kann diese Hautbezirke oft besser abgrenzen als die Prüfung
des Berührungsempfindens. Manchmal ist es bei Sensibilitätsstörungen
erforderlich, das betroffene Gebiet am Patienten beispielsweise mit einem
Kugelschreiber zu markieren um die Ausdehnung genauer abschätzen zu
können, oder auch um zu überprüfen ob diese reproduzierbar ist.
Zentral bedingte, also im Zusammenhang mit einem Schlaganfall stehende
Sensibilitätsstörungen haben eine typische Verteilung je nach Ort der
Schädigung im Gehirn, ihre Verteilung ist diffuser als bei peripheren
Nervenschäden, sie betrifft häufig eine ganze Gliedmaße oder eine ganze
Körperhälfte.
Die Verteilung von peripher (also außerhalb des zentralen Nervensystems
von Hirn und Rückenmark) bedingten Sensibilitätsstörungen wird durch zwei
voneinander unabhängige Ordnungsprinzipien bestimmt: von der segmentalen,
radikulären (Nervenwurzel) Gliederung (Dermatome) einerseits und von dem
Verteilungsmuster der peripheren Nervenverästelungen andererseits. (hinzu
kommt noch die besondere Verteilung bei Plexusläsionen). Radikuläre oder
periphere Sensibilitätsstörungen unterscheiden sich vor allem durch die
Verteilung des Ausfalles.
Zur so genannten Oberflächensensibilität gehört die Wahrnehmung
Berührungs-, Schmerz- und Temperaturreize auf der Haut.
Als besondere Leistung der Tiefensensibilität gelten das Bewegungs-,
Lage- und das Vibrationsempfinden.
Schließlich wird als Stereognosie die Fähigkeit bezeichnet, Gegenstände
durch Betasten ohne Kontrolle durch das Auge zu erkennen. An der
Stereognosie sind differenzierte (epikritische) Leistungen der
Oberflächensensibilität und die Tiefensensibilität beteiligt |
Taktile Ästhesie. Oft ist es sinnvoll,
die Sensibilitätsprüfung mit der Frage an den Patienten einzuleiten, an
welcher Körperstelle seine sensibel Wahrnehmung beeinträchtig ist, oder wo
sich Berührung oder Druck anders als bisher anfühlen. Man kontrolliert den
oberflächlichen Drucksinn der Haut, die Berührungsempfindung, mit
leichten, streichenden Berührungen durch einen Wattebausch, eine
Hühnerfeder, ein Holzstäbchen, den Glaskopf einer Stecknadel oder
dergleichen. Die Prüfung mit der bloßen Fingerkuppe hat den Vorteil, dass
der Untersucher selbst die Intensität der Druckentfaltung spüren kann. Was
der Arzt auf diese Weise selbst als ,,gleich" wahrnimmt, sollte auch die
zu untersuchende Person so erkennen.
 |
Zweipunkt- Unterscheidung. Diese erlaubt
eine quantitative Analyse der taktilen Ästhesie. Dies geschieht mit Hilfe
des sog. Webersehen Tastzirkels, eines Zirkels mit rechtwinklig
abgebogenen stumpfen Enden und einer Skala, welche die Abstände dieser
Enden in Millimeter anzeigt. Bei einer Rarefizierung der Druckpunkte in
der Haut wird der Mindestabstand der Unterscheidungsmöglichkeit zweier
Berührungspunkte vergrößert. Normalerweise werden zum Beispiel an der
Fingerkuppe zwei Punkte im Abstand von 3-5mm noch als differente Berührung
empfunden. Wichtig ist immer auch der Vergleich mit der analogen Region
der gesunden Seite Als improvisierter Tastzirkel kann eine
auseinander gezogene Büroklammer verwendet werden |
Algesie. Als Hyper-, Hyp- und Analgesie
werden Steigerung, Abschwächung und Aufhebung des Schmerzempfindens
bezeichnet. Die Schmerzempfindung wird vielfach mit einer Nadelspitze
geprüft. Dies ist nicht immer zuverlässig, da die Nadelspitze in gewissen,
wenig empfindlichen Körperregionen sehr wohl zwischen zwei Schmerzpunkten
an die Haut angesetzt werden kann, wodurch dann eine Verminderung des
Schmerzsinnes vorgetäuscht wird. Im wesentlichen ist immer eine Spitz-
Stumpf- Unterscheidung möglich, wie spitz ein Gegenstand empfunden wird,
ist allerdings auch generell bei Gesunden immer an verschiedenen
Körperregionen und zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich. Eine
andere Möglichkeit ist, eine Hautfalte zwischen zwei Fingern mit den
Nägeln zu klemmen, wobei man auch die Intensität des Reizes beim Vergleich
mit einer gesunden Region annähernd dosieren kann. Die Prüfung der Algesie
kann meist das von einer Sensibilitätsstörung betroffene Hautgebiet besser
abgrenzen als die Prüfung der taktilen Ästhesie. Besondere Bedeutung hat
die Prüfung der Algesie auch, wenn der Verdacht auf eine
Rückenmarksschädigung besteht und das sensible Niveau gesucht wird. Nadeln
haben bei der Prüfung den Nachteil, dass es möglich ist den Patienten zu
verletzen, sie dürfen auch nur bei einem Patienten verwendet werden.
Vermindert bei Polyneuropathien oder
im Rahmen dissoziierter Empfindungsstörungen, oder nach Thalamusinfarkt. |
Thermästhesie. Als Thermhyp- und
Thermanästhesie werden Abschwächung und Aufhebung des Temperaturempfindens
bezeichnet. Am einfachsten ist die Prüfung mit dem kalten Metallteil des
Reflexhammers, auch im Gegensatz z.B. zum Holzgriff. Sinnvoll ist, dass
der Reflexhammer kälter ist als die Haut des Patienten. Gegenstände die
Temperatur leiten, wie Metall, werden immer als kühler empfunden als
Gegenstände die Temperatur schlecht leiten wie Holz oder Kunststoff.
Die Temperaturempfindlichkeit kann man auch mit Hilfe zweier
Reagenzgläser oder besser zweier Metallgefäße prüfen, die man mit kaltem
bzw. warmem Wasser füllt. Die Temperaturunterschiede sollten nicht zu groß
sein, nur so, dass sie der Untersucher in seiner Hand deutlich empfindet
(warm bis 30°C kalt bis 10°C). Vermindert bei
Polyneuropathien oder im Rahmen
dissoziierter Empfindungsstörungen, oder nach Thalamusinfarkt.
Schmerzempfinden, Temperaturempfinden und das Empfinden für starken
Druck, also die Empfindungen die über den Tractus spinothalamicus
geleitet werden, werden auch als protopathische Sensibilität
bezeichnet. |
Vibrationsempfindung. Störungen des
Vibrationsempfindens nennt man Pallhyp- bzw.
Pallanästhesie. Man setzt
eine angeschlagene Stimmgabel (128 Schwingungen /s) mit ihrem Fuße
zunächst auf die Finger oder Zehenballen auf, falls hier keine Vibration
gefühlt werden kann, wird erst auf tastbare Skelettvorsprünge
(Sprunggelenk, Schienbein, Kniegelenk, Darmbeinstachel) aufgesetzt.
Nachteil beim aufsetzten der Stimmgabel auf Skelettvorsprünge ist, dass
Knochen die Vibration über weite Strecken leiten und damit die
Wahrnehmungsfähigkeit des Patienten überschätzt wird. Man überprüft mit
der nichtschwingenden Gabel immer noch einmal, ob der Patient wirklich das
Schwingen spürt und korrekt angibt. Besonders bei
Polyneuropathien fällt das Vibrationsempfinden frühzeitig aus. |
Dermolexie oder Graphästhesie oder
Zahlenschrifterkennen. In der Regel mit dem Finger des Untersuchers
aber auch mit einem Holzstab werden dem Patienten Zahlen zwischen 0und 9
auf die Hohlhand oder den Unterschenkel geschrieben, der Patient versucht
diese mit geschlossenen Augen zu erkennen oder zu ,,lesen". |
Bewegungsempfinden (Propriozeption) wird
geprüft an distalen Gelenken der Hände und Füße, wobei vom Untersucher die
Endglieder seitlich gefasst und dann passive Beuge- und Streckbewegungen
durchgeführt werden. Der Patient hat dabei die Augen geschlossen. An den
Fingern muss dabei das Grundglied ebenfall seitlich festgehalten werden,
damit sich nur das distale Glied bewegt. Finger oder Zeh werden jeweils
nach oben oder unten bewegt. Die Richtung der jeweils vollzogenen Bewegung
hat der Patient dann anzugeben. Die meisten Patienten können mit
geschlossenen Augen auch feinste Bewegungen in den Finger- oder
Zehengelenken unterscheiden und erkennen. Wenn der Patient am Finger oder
Zeh ein normales Bewegungsempfinden hat kann auf die Prüfung des
Bewegungsempfindens an den proximalen
Extremitäten verzichtet werden. Bei massive Störung an Fingern und Zehen
wird aber auch im Hand- Ellbogen- und Schultergelenk bzw. entsprechend an
den Beinen geprüft. |
Lageempfinden wird geprüft dadurch,
dass der Kranke mit geschlossenen Augen eine vom Untersucher an der
Gegenseite
vorgegebene Extremitätenhaltung nachzuvollziehen hat.
Zusätzlich wird bei geschlossenen Augen geprüft ob der Patient
Veränderungen in der Stellung von Fingern oder Zehen bei geschlossenen
Augen erkennen kann. |
Stereognosie (Tasterkennen) wird geprüft
durch verschiedene Münzen oder Schlüssel, Sicherheitsnadel usw., die dem
Kranken in die Hohlhand gegeben werden und die er erkennen soll. Das
Unvermögen hierzu wird als Astereognosie (besser: Stereoagnosie)
bezeichnet. |
Von Reizsymptomen spricht man, wenn bei peripheren
Nervenschäden Schmerzen, Parästhesien, Dysästhesien, Neuralgien oder
Hyperpathien auftreten. Von Ausfallsymptomen spricht
man, wenn es zu einer Anästhesie, taktile Hypästhesie, thermische
Hypästhesie oder Anästhesie, Hypalgesie oder Analgesie, Oberflächen- oder
Tiefensensibilitätsstörungen kommt. Von partielle Leitungsstörungen
spricht man wenn ein pathologischer Funktionswandel auftritt wie bei
Kausalgien oder Phantomschmerzen. Poeck 1996). Reiz- und Ausfallsymptome
sowie trophische Störungen bestehen dabei bei peripheren
Nervenschäden oft nebeneinander. |
Dissoziierte Sensibilitätsstörung (Dissoziation= Trennung oder
Aufspaltung). Bei der dissoziierten Empfindungsstörung
ist nicht die gesamte Oberflächensensibilität gestört, sondern nur die
Schmerz- und Temperaturempfindung bei erhaltenem Berührungsempfinden,.
(besonders bei Rückenmarksläsionen) Der
Berührungssinn ist erhalten bei erloschenem Schmerz und/oder Temperatursinn auf der Gegenseite der Schädigung. Auf der anderen Köperhälfte ist
allerdings dann meist auch eine Minderung des Berührungsempfindens zu finden.
Ursächlich ist eine Schädigung des Tractus spinothalamicus im
Rückenmarks
oder Hirnstamm. Dünne markhaltige Fasern die Schmerz- und Temperaturempfinden an
das Gehirn weiterleiten kreuzen in der Höhe des Eingangssegmentes oder ein
Segment weiter oben (also segmental) in der Commissura anterior alba zur
Gegenseite. Die anderen sensiblen Rückenmarksnervenfasern (Hinterstränge
zuständig für Lagesinn, Vibration, Zweipunktdiskrimination und Stereognosie
=Tiefensensibilität, Berührung) kreuzen oben im Hirnstamm an der
Pyramidenkreuzung zur Gegenseite, wodurch die Dissoziation zwischen
Oberflächenssensibilitätstörung auf der Seite des Schadens und Störung des
Schmerz- und Temperaturempfinden auf der Gegenseite zustande kommt. Eine
andere Ursache ist das zentromedulläre Syndrom, bei dem ebenfalls die kreuzenden
Fasern des Tractus spinothalamicus geschädigt werden, hier aber durch einen
krankhaften Prozess im Bereich des Rückenmarkszentrums wie durch die
Höhlenbildung bei der
Syringomyelie,
einem Stiftgliom
oder einen Herd einer Multiple Sklerose....
In diesem Sonderfall kann die Störung der Schmerz- und Temperaturempfindung ab
dem geschädigten Segment nach kaudal beidseitig sein, bei fast ungestörter
Oberflächensensibilität. Meist liegen dann auch gleichzeitig vegetative
Störungen vor.

Die dissoziierte
Empfindungsstörung zeigt zuverlässig eine Erkrankung des Hirnstamms oder
Rückenmarks an. Als einzige Erkrankung verursacht die Lepra Läsionen peripherer
Nerven mit dissoziierter Sensibilitätsstörung. Die
dissoziierte Empfindungsstörung ist meist 2 bis 3 Etagen unterhalb der Läsion
beginnend nach kaudal (zu den Füßen hin) durchgängig. Ursächlich können Hirnstamminfarkte in
der Medulla oblongata (z.B.
Wallenberg-Syndrom =
Infarkt der dosolateralen Medulla oblongata), Tumore im Rückenmark, Traumen, Punktion des Rückenmarkes
bei einem ärztlichen Eingriff, Durchblutungsstörungen ( z.B.
Spinalis anterior Syndrom) , infektiöse oder entzündliche
Rückenmarksprozesse im Sinne einer Myelitis (viral, bakteriell, oder Pilze)
sein. Postinfektiös (Herpes zoster, Herpes simplex, Cytomegalievirus,
Epstein-Barr, Influenza, Echovirus, HIV, Hepatitis A, Röteln, Bakterielle
Hautinfekte Otitis media, Mycoplasmen Pneumonie) oder auch ohne erkennbare
Auslöser können lokalisierte Rückenmarksentzündungen als transverse Myelitis
ursächlich sein. Bei Hirnstammischämien und anderen Schädigungen des unteren
Hirnstamms wie beim Wallenberg- Syndrom kann die dissoziierte Empfindungsstörung
auch gekreuzt auftreten, im Gesicht auf der Seite der Schädigung und am Körper
auf der Gegenseite. Eine
Syringomyelie
oder Multiple Sklerose kann auch
ursächlich sein. Oft sind andere zentrale Bahnen im Rahmen
eines
Brown-Séquard Syndroms mit geschädigt. Die
Prognose und Behandlung hängt von der Grunderkrankung ab.
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Karl C. Mayer |
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