Leukenzephalopathie

krankhafte Veränderung der weißen Hirnsubstanz, die bei einer Vielzahl von Erkrankungen vorkommen kann. Ursächlich können beispielsweise behandelbare Stoffwechselstörungen wie die Glutarazidurie Typ I wie auch fast alle sonstigen diffusen Schädigungen des Gehirns beispielsweise hypoxisch sein.

Progressive Multifokale Leukoenzephalopathie (PML) Durch den JC Virus ausgelöst, etwa 80–85% aller Erwachsenen sind mit dem Virus in Kontakt gekommen, Symptome macht der Virus aber fast nur bei Menschen, deren Immunsystem beeinträchtigt ist, wie beispielsweise AIDS-Kranke oder Patienten nach Knochenmarkstransplantation oder bei immunsuppressiver Medikation, Tysabri (Natalizumab)- Behandlung bei MS. Man nimmt bisher an, dass es in der Regel in der frühen Kindheit zur Infektion mit dem JVC Virus kommt und diese ohne Symptome bleibt. Nur unter Immunsuppression wie bei AIDS kommt es zum Ausbruch der Erkrankung (Vor AIDS waren die Erkrankungsfälle sehr selten). Dabei kommt es in multiplen Gehirnregionen zu Demyelinisierungen, verursacht von einer lytischen Infektion der Oligodendrozyten durch das JCV. Die Zerstörung dieser Myelin produzierenden Zellen führt zu den Herden im Gehirn und schließlich zum Tod. HIV-Infizierte haben in Relation zu anderen Patienten unter Immunsuppression eine hohe Rate an PML, 80% der PML Infekte treten im Rahmen einer HIV- Infektion auf. Warum dies so ist, ist weiter Gegenstand der Forschung. Die Hypothesen gehen davon aus, dass die zelluläre Immunsuppression bei HIV/ AIDS, die Schädigung der Bluthirnschranke bei HIV und möglicherweise spezifische spezifische molekulare Mechanismen durch die das HIV die JCV Genxepression fördert eine Rolle spielen. Da auch bei MS eine Reihe von langsamen Viren ursächlich für die Erkrankung vermutet werden, gibt es auch Vermutungen, dass das JVC eine Rolle bei der Entstehung der MS spielt. Sicher ist, dass das Verständnis dieser potenziell unter Immunsuppression gefährlichen Erkrankung für zukünftige MS- Therapien wichtig ist. Die Diagnose kann schwierig sein, andere AIDS- Komplikationen können im Kernspinbild ähnlich aussehen, Toxoplasmose, AIDS- Demenz-Komplex, Kryptokokkenmeningitis, Lymphome, Cytomegalievirus, und Herpesvirusinfekte des Gehirns zählen zu den schwierig abzugrenzenden Differenzialdiagnosen. Klinisch findet sich bei der PML zunehmende neurologische Ausfallserscheinungen, meist eine Mono- oder Hemiparese, Gangstörung, Sprachstörung, Sehstörung, kognitive Einschränkungen. Die Betroffenen sterben im Durchschnitt ein halbes Jahr nach der Diagnose. Das HAART- Schema (Highly Active Anti-HIV Therapy) hat die Behandlungsprognose verbessert, unter dieser Behandlung überlebt die Hälfte der Betroffenen ein Jahr, vielleicht gibt es darunter sogar Heilungen.

Als Strahlentherapiefolge kann es im Gehirn zu Atrophie, Verkalkungen, Teleangiektasien, Hyalinose und Fibrose kleiner Gefäße, Degeneration der weißen Substanz, fokalen Koagulationsnekrosen, mineralisierender Mikroangiopathie und schließlich zur Strahlen- Leukoenzephalopathie kommen. Bei Kindern ist diese häufig reversibel und zeigt in einem Apathiesyndrom. Bei Erwachsenen ist der Verlauf ungünstiger, wegen den meist schweren Grunderkrankungen aber schlecht generalisierbar. In Kombination mit Methotrexatbehandlung sind besonders ungünstige Verläufe mit Intelligenzdefekten, Risiko der Entwicklung einer Demenz und auch möglicherweise durch die Leukoenzephalopathie tödlichen Ausgängen. Bei PCL besteht in dieser Kombination ein 10% Risiko einer Leukenzephalopathie und ein höheres Risiko für weniger ausgeprägte kognitive Beeinträchtigungen. Patienten über 50 Jahre haben ein Leukoenzephalopathie- Risiko von etwa 40%. Eine wirksame Therapie der Strahlen-Leukoenzephalopathie ist nicht bekannt.

Progressive cerebrale Kalzifikationen und Leukoenzephalopathie rezessiv erbliche Erkrankung mit zerebralen (mittleren) Zysten, retinalen vaskulären Auffälligkeiten (Telangiektasien und Angiome, vitreoretinale Bltungen, sekundäre Netzhautablösung und Glaukome), Knochenveränderungen, und haematologischen Auffälligkeiten, verlangsamtem Wachstum (auch Coats plus Syndrom). Auch wiederholte intestinale Blutungen werden bei diesem Syndrom bei der Hälfte der Betroffenen berichtet. Im Vordergrund stehen seltsame asymmetrische und zunehmende Verkalkungen des Gehirns (Basalganglien, Thalami, und Hirnstamm aber auch Rinde mit fluktuierendem Ödem der weißen Substanz. Der Krankheitsprozess kommt vermutlich durch eine obliterative Angiopathie der kleinen Hirngefäße zustande, die dann langsam obliterieren (verschlossen werden). Dies führt zu einer langsam progredienten Nekrose gefolgt von den Verkalkungen und Zysten. Klinisch kommt es zur Para oder Tetraspastik und zu epileptischen Anfälllen. Die sehr seltene Erkrankung beginnt zwischen dem 6. Lebensmonat und dem 14. Lebensjahr. Autosomal-rezessiv vererblich ist auch das CACH-Syndrom = Kindliche Ataxie mit diffuser Hypomyelinisierung des ZNS Leukoenzephalopathie mit Verlust der weissen Hirnsubstanz und oft bereits im Kindesalter tödlichem Verlauf.

Reversibles posteriores Leukoenzephalopathie-Syndrom (PLE). Symptomatisch: Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörungen, Sehverlust und epileptische Anfälle mit posteriorem, subkortikalem Hirnödem. In einer Serie von 36 Patienten (Arch Neurol. 2008;65(2):205-210) hatten 33(87%) epileptische Anfälle, von denen 10 (26%) einen fokalen Beginn hatten, 14 (37%) hatten mehrere Anfälle, ein Patient einen Status epilepticus. 35 (92%) hatten Symptome eine Enzephalopathie, 15 (39%) hatten visuelle Symptome, 20 (53%) hatten Kopfschmerzen. Die Rückbildung der Symptome erfolgte durchschnittlich nach 5,3 Tagen (0-32 Tage). Von den 36 Patienten starben 5. Im Verlauf von 1,8 Jahren Nachbeobachtung hatte keiner der Betroffenen erneute epiletpische Anfälle. Eine antiepileptische Behandlung ist also eher primär nach einer PLE nicht sinnvoll, Komplikationen sind dennoch nicht ganz selten. PLE ist meist Folge einer Schädigung des Zentralnervensystems durch hohen Blutdruck (hypertone Krisen), aber auch andere Schädiungsmechanismen (Hyperkalzämie, Eklampsie, Essenzieller Hypertonus, Nierenerkrankungen, Vaskulitiden, Thrombotisch-thrombopenische Purpura, Endokrine Erkrankungen wie Phäochromozytomm, Hyperaldosteronismus, Cushing-Syndrom, Porphyrie, Einnahme von Kokain, Amphetaminen, Koffein, Immunsuppressiva wie CyclosporinA, Tacrolimus, Immunmodulatoren wie Immunglobuline, Interferon A, Interleukin, Erythropoetin. Zytostatika wie Vincristin, Cytarabin, Cisplatin, Cyclosporin), reversibel, wenn die Ursache zeitig behandelt wird. Die Bezeichnung als „reversible posteriore Leukenzephalopathie“ ist aber in soweit missverständlich, als dieses Syndrom auch im Bereich der vorderen Hirnregionen auftreten kann und nicht auf die hintere Strombahn oder den hinteren Teil des Gehirns beschränkt ist. Es ist auch nicht auf die weiße Substanz beschränkt. In der oben genannten Serie von 36 Patienten war immerhin bei 22 Episoden (58%) die vordere Hirnhälfte beteiligt, Läsionen der grauen Substanz zeigten 16 (42%), einseitige Läsionen 2 (5%), bei 22 (58%) wer der Hirnstamm und/oder das Kleinhirn mitbetroffen. Zu Blutungen kam es bei 2 (5%), zu einem wiederholten Auftreten kam es bei 2 (5%), verbleibende kernspintomographische Veränderungen zeigten sich bei 10 (26%). Die Veränderungen bilden sich damit nicht in allen Fällen vollständig zurück. Dies gilt auch dann, wenn das Ödem komplett zurückgebildet wird. Die Prognose hängt davon ab, ob zeitig an die Diagnose gedacht wird, gerade wenn die Lokalisation der Läsionen atypisch erscheint. Der Übergang in ein irreversibles zytotoxisches Ödem kann nämlich durch die Einleitung einer konsequenten Therapie verhindert werden. Je nach Ursache besteht die Behandlung entweder in der Senkung des Blutdruckes oder im Absetzen der verantwortlichen Medikation. Ziel ist ein diastolischer Blutdruck unter 100 mmHg, der mittlere arterielle Druck innerhalb von 1–2 h um 20–25 mmHg reduziert werden. Bei epileptischen Anfällen wird eine antikonvulsive Medikation bis zur vollständigen Rückbildung der MRT-Veränderungen empfohlen. Eine dauerhafte Therapie gilt als nicht erforderlich. Immunsuppressive bzw. zytotoxische Medikamente sollten in der Dosis reduziert, nach Möglichkeit sogar komplett abgesetzt werden. Bei einer Eklampsie sollte baldmöglichst die Entbindung erfolgen. Bezüglich der durch ein defektes Gen auf dem Chromosom 19 p.13.1 vererbten

CADASIL– Erkrankung (Cerebral Autosomal Dominant Arteriopathy with Subcortical Infarcts and Leukoencephalopathy = Zerebrale autosomale dominante Arteriopathie mit subkortikalen Infarkten und Leukoenzephalopathie) siehe dort. Leukoenzephalopathien können auch bei Behandlungen mit anderen zytostatischen Medikamenten auftreten. Beispiel ist die Behandlung von schweren wiederkehrende aphthösen Geschwüren, Melanomen oder Hepatitis C mit Levamisol oder die Darmkrebsbehandlung mit Levamisol und 5-Fluorouracil. Die dann auftretenden Multifokalen Leukoenzephalopathien sind bei Absetzen der Substanzen teilweise reversibel. Die Unterscheidung zu anderen Schädigungen der weißen Substanz wie bei MS ist wichtig. Konfluierende oder fleckförmige Schädigungen der weißen Substanz, (bzw. weiße Flecken im Kernspin), kommen ansonsten vor bei seniler Leukoenzephalopathie (Leukoaraiosis), Leukodystrophien mit Myelinisierungsanomalien, Adrenoleukodystrophie, Globoidzelldystrophie, hämodynamischen Störungen, frühkindlicher Sauerstoffmangel, Subarachnoidalblutung, arteriovenösen Malformationen, zerebralen Amyloidangiopathien, Sinusvenenthrombosen, Polyzthämie, Hirnödem, nach Schlaganfall, Trauma, Metastasen, Obstruktiver, oder Normaldruck- Hydrozephalus, nach Strahlentherapie, nach intrathekaler Methotrexatbehandlung, bei Enzephalitiden, Systemischem Lupus erythematodes, Temporalarterien Arteriitis, Neurosarkoidose, Multipler Sklerose, M. Alzheimer, M. Binswanger, Creutzfeldt-Jakob Krankheit, hepatischem Koma, Urämie, Hypoglykämie, Gangliosidosen, Mukopolysaccharidosen (Neuroradiology (2007) 49:1–22)

 

Quellen / Literatur:

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H.M. Liu, W.J. Hsieh, C.C. Yang, V.C. Wu, and K.D. Wu, Leukoencephalopathy induced by levamisole alone for the treatment of recurrent aphthous ulcers, NEUROLOGY 2006;67:1065–1067 S. Herberger et al., „Reversibles posteriores Leukenzephalopathiesyndrom“ Nervenarzt 2006 · 77:1218–1222

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur