Nebenwirkung

nicht beabsichtigte und oft nicht erwünschten Wirkung eines Arzneimittels. Allerdings können Nebenwirkungen auch positiv sein. Z.B. kann bei der Behandlung einer Depression die Müdigkeit als Nebenwirkung bei Schlafstörungen, Gewichtszunahme bei starkem Appetitmangel mit Gewichtsabnahme oder die anticholinerge Wirkung bei Durchfall erwünscht sein. Nebenwirkungen spielen bei der Auswahl eines Medikamentes eine wesentliche Rolle. Nebenwirkungen sind Wirkungen eines Medikamentes oder einer sonstigen medizinischen oder psychologischen Behandlung, die nicht zu den beabsichtigten Hauptwirkungen eines Medikamentes oder einer sonstigen medizinischen oder psychologischen Behandlung gehören.

Durchschnittlich nimmt zurzeit jeder Bundesbürger jeden Tag 1,6 definierte Tagesdosen eines Arzneimittels ein, da viele Menschen keine Medikamente einnehmen, bedeutet dies umgekehrt, dass viele Menschen eine Vielzahl an Medikamenten gleichzeitig einnimmt, was die Wechselwirkungen und Nebenwirkungen im Einzelfall oft schwer durchschaubar macht. Nebenwirkungen von Arzneimitteln werden als die sechsthäufigste Todesursache angesehen. Die Häufigkeit von mit Arzneimitteln assoziierten Todesfällen im Krankenhaus wird nach mehreren kontrollierten Studien auf 0,9–9/1000 Hospitalisierungen geschätzt; oder bis zu 1% der Krankenhausaufenthalte enden durch Wechselwirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln tödlich. Besonders gefährdet sind Patienten, die körperlich krank sind mit Herz-, Leber oder Nierenschaden, oder auch verwirrte oder minderbegabte Patienten. Der Schweregrad von Nebenwirkungen hängt vom Medikament ab. Bei manchen Medikamenten verursachen auch starke Überdosierung häufig keine ernsthaften Gesundheitsprobleme, dies gilt beispielsweise für Penicillin oder Diazepam. Während bei den alten trizyklischen Antidepressiva bereits eine Verdoppelung einer üblichen Tagesdosis zu schweren Problemen führen kann, sind beispielsweise die neueren SSRI- Antidepressiva bei Überdosierungen relativ sicher. Häufig unterschätzt wird das Risiko frei verkäuflicher Medikamente wie Paracetamol, dass bereits in leichten Überdosierungen schwerste Leberschäden verursachen kann. Eine besonders geringe therapeutische Breite und damit ein sehr hohes Risiko bei Überdosierungen haben Insulin, Heparin, Marcumar, Digitalisglykoside, und Theophyllin. Kein Arzt kennt jedes Medikament genau. Die meisten Ärzte setzen eine überschaubare Auswahl bei ihren Verordnungen ein. Patienten, die aus Krankenhäusern entlassen werden, sind aber oft auf Medikamente eingestellt, mit denen der Arzt weniger Erfahrung hat. das Risiko von Nebenwirkungen steigt so. Verwechslungen ganz unterschiedlicher, aber ähnlich klingender Präparate sind ein weiterer Grund für schwere Nebenwirkungen.

Nicht alle Nebenwirkungen sind bei Zulassung eines neuen Medikamentes bekannt. Nebenwirkungen werden oft erst nach Jahren der Anwendung eines Medikamentes bekannt. Das Antibiotikum Erythromycin, verursacht nach einer großen Studie bei einem von 1000 Behandeten einen plötzlichen Herztod. Dies kann einem einzelnen Arzt nicht auffallen, selbst wenn er das Antibiotikum häufig verordnet hätte. Hier hilft nur die zentrale Erfassung von Nebenwirkungen. Ärzte können Nebenwirkungen an die Bundesoberbehörden, in diesem Fall das BfArM, melden.(Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) UAW-Meldebogen. Das BfArM nimmt in der Regel Berichte über beobachtete UAW nur von Angehörigen der Heilberufe entgegen, da wir zur Bewertung möglichst detaillierte medizinische Angaben benötigt werden. Patienten werden deshalb gebeten, den Meldebogen von einem Arzt des Vertrauens ausfüllen zu lassen. Leider werden nach Schätzungen weniger als 10% der Nebenwirkungen gemeldet.

Manche Nebenwirkungen leiten sich (auch logisch nachvollziehbar) aus der Hauptwirkung ab, andere sind völlig unabhängig davon. Alle Medikamente, die wirken können, können auch Nebenwirkungen oder unerwünschte Wirkungen haben. Auch Medikamente, die nicht die versprochene Wirkung haben, oder gar nicht haben können, können trotzdem – auch gefährliche- Nebenwirkungen haben. Selbst Plazebos haben Nebenwirkungen, man nennt diese eine Nozebowirkung. Nur ein Teil der Nebenwirkungen ist bei Berücksichtigung aller relevanten Faktoren berechenbar und vermeidbar. Manche Nebenwirkungen sind für die bestimmte Behandlung typisch, manche hängen eher von den individuellen Faktoren des Patienten ab. Seltene Nebenwirkungen sind besonders oft nicht berechenbar.

Risikofaktoren, die die Häufigkeit von Nebenwirkungen erhöhen

  • Medikamente mit hohen Risiken, und geringer therapeutischer Breite (geringer Spielraum zwischen therapeutischer und toxischer Dosis).,
  • Herz-, Leber oder Nierenschaden
  • Verordnung eines weiteren Medikamentes ohne die Wechselwirkungen mit der bisherigen Medikation zu bedenken
  • Verschreiber kennt die Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen unzureichend
  • Inadäquate Überwachung durch den Arzt oder bei kognitiv eingeschränkten Patienten durch Pflegepersonal oder Angehörige
  • Kombinationsmedikamente
  • Viele unterschiedliche Medikamente
  • Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln oder Phytopharmaka ohne Wissen des Arztes.
  • viele verschiedene Verschreiber
  • verschiedene Apotheken
  • Entlassung aus dem Krankenhaus
  • Alter, männliches Geschlecht
  • Nicht einhalten der Dosierungsvorschriften
  • dem Verschreiber nicht bekannte Grunderkrankungen auf anderen Fachgebieten
  • Hinzutreten einer neuen Erkrankung

Siehe auch unter Adhärenz Aufklärung Beers Kriterien Behandlungsfehler Diagnose Hautreaktionen auf Psychopharmaka Hyponatriämie Hypokaliämie

 

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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur