Amnesie transiente globale

Die Diagnose einer TGA kann gestellt werden, wenn folgende diagnostische Kriterien erfüllt sind:

  • Akut beginnende und ausgeprägte Neugedächtnisstörung,
  • Dauer mindestens 1 Stunde, Rückbildung innerhalb von 24 Stunden, wobei allerdings bei genauer Testung Tage nach dem Ereignis signifikante Einschränkungen des nonverbalen Langzeitgedächtnisses nachweisbar bleiben.
  • Fehlen fokal-neurologischer Symptome und von zusätzlichen kognitiven Defiziten,
  • Bewusstseinsstörung,
  • Oft erhaltende Orientierung zur Person, die Fragen „Wer sind Sie?“, „Wie heißen Sie?“ kann er beantworten. Es kann aber auch hierzu eine Desorientiertheit vorliegen.
  • Kein vorangehendes Trauma oder Epilepsie.
  • Es muss eine verwertbare Fremdanamnese vorliegen.
  • Typische psychopathologische Merkmale sind zu beobachten.
  • Es sind keine wesentlichen neurologischen Befunde zu erheben, insbesondere keine Lähmungen oder Sprachstörungen.
  • Ein typischer Verlauf liegt vor:
  • Wesentlich sind das akute Auftreten und die volle Reversibilität.

Ein Schädel-Hirn-Trauma und eine Epilepsie als mögliche Ursache einer ähnlichen Psychopathologie müssen ausgeschlossen sein. Eine retrograde Amnesie über Tage bis Monate ist komplett reversibel. Es besteht eine ausgeprägte anterograde Amnesie, wobei aber das Ultrakurzzeitgedächtnis (sensomotorisches Gedächtnis) erhalten ist. Gestört sind einzelne Funktionen des deklarativen (expliziten) Gedächtnisses, nicht aber die prozeduralen Gedächtnisfunktionen entsprechend der Klassifikation der Gedächtnisfunktionen nach Squire.

Der Patient ist auf jeden Fall zur Zeit desorientiert. Teilweise fehlt ihm auch die örtliche Orientierung. Angaben zur Person kann er meistens machen. Das Bewusstsein ist erhalten. Der Betroffene fällt durch verbale Perseverationen ( immer wieder die gleichen Fragen stellen) auf, die Ausdruck seiner Ratlosigkeit sind. Neuropsychologische Herdsymptome wie Aphasie, Apraxie oder Agnosie sind nicht zu beobachten. „Komplexe Handlungsabläufe sind weiter möglich. So dass nicht selten Patienten mit dieser Störung mit dem PKW oder der Bahn reisen und dann an einem anderen Ort, ohne zu wissen, wie sie dort hin gelangt sind wieder die volle Orientierung erlangen.

Die Ursache ist unklar. In der funktionellen Bildgebung kann nach machen Untersuchern eine Perfusionsstörung der mediobasalen Temporalregion nachgewiesen werden, der Befund hat sich allerdings bei anderen Patientengruppen nicht reproduzieren lassen. TGA-Patienten sollen nach MR- Studien häufiger als Gesunde größere strukturelle Läsionen im Bereich eines oder beider Hippokampi haben (z.B.: Akt Neurol 2007; 34 DOI: 10.1055/s-2007-987735). Andere Forscher meinen es handle sich um eine Folge einer venösen Stauung mit konsekutiver zerebraler Ischämie in gedächtnisrelevanten Strukturen. Beziehungen vor allem zur Migräne werden diskutiert. TGA Patienten klagen oft über Kopfschmerzen während oder nach der Attacke, in einigen Studien ist die Häufigkeit der Migräne unter TGA- Patienten höher als unter der Durchschnittsbevölkerung, in anderen Studien wurde dies nicht bestätigt. Insgesamt wurden verschiedenste Ursachen diskutiert, wie cerebrale Ischämien, Epilepsie oder Venenstauung.

Auch nach Jahren der Diskussion gibt es keine Einigkeit der Wissenschaftler über die Ursachen. Gegen die Hypothese von cerebrale Ischämien oder Schlaganfällen spricht, dass in Studien nur sehr wenige Patienten mit einer TGA später einen Schlaganfall erleiden, im Gegensatz zu TIA- Patienten. TGA- Patienten haben auch nicht häufiger als die Durchschnittsbevölkerung Risikofaktoren für einen Schlaganfall. Die meisten TGA- Patienten haben keine Hinweise auf ein cerebrales Anfallsleiden, sie haben außerhalb der TGA keine Anfälle, krampfen nicht offensichtlich während der TGA, das EEG ist während der TGA nicht epilepsiespezifisch auffällig. Patienten mit intracraniellen Venenthrombosen haben nicht häufiger als andere Menschen eine TGA. Fallberichte dokumentieren TGAs nach so unterschiedlichen Ereignissen wie leichten Hirntraumen, bei Hirntumoren, intracarotidaler Amobarbitalinfusion, dem Rauchen von Marijuana oder anderen Drogen, bei Herpes- Enzephalitis, manche Studien sehen einen Zusammenhang zu kalten Wetter. Viele Fallberichte weisen auf psychischen und/oder körperlichen Stress oder große Anstrengungen als Auslöser hin, dies betrifft allerdings maximal die Hälfte der Betroffenen, bei den anderen lassen sich keine besonderen Stressoren finden. Falls es überhaupt eine Gemeinsamkeit in den Fallberichten gibt, war bisher niemand in der Lage diese eindeutig zu identifizieren. Die Identifikation der Ursache lässt also für ehrgeizige Forscher Raum zur Profilierung.

Im typischen Fall ist keine besondere Diagnostik erforderlich. Bei gegebenem Verdacht müssen aber andere Ursachen ausgeschlossen werden.

Differenzialdiagnostisch sind vor allem epileptischen Anfälle, die meist ja wiederholt auftreten, Zustände nach Commotio cerebri (Hirnerschütterung), Amnesien nach zerebraler Angiographie, Vergiftungen (Medikamente, Alkohol, Drogen), der Beginn einer Herpesenz-Enzephalitis, Blutungen im Bereich des Hippocampus und Thalamus und psychogene Gedächtnisstörungen im Sinne einer Fugue

Verlauf: Die transiente globale Amnesie beginnt plötzlich, meist bei Menschen zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr. Sie dauert in der Regel 1-8 Stunden an, ausnahmsweise bis 24 Stunden Es gibt aber auch Mitteilungen über mehrtägige Verläufe. Die Symptomatik klingt spontan allmählich ab und bildet sich vollständig zurück. Rezidive sind ausgesprochen selten. Das Rezidivrisiko liegt bei ca. 3-4%. Das durchschnittliche Zeitintervall bis zum Auftreten eines Rezidivs liegt bei 28,5 Monaten. Unabhängig vom Ausgang der wissenschaftlichen Diskussion um die Ursache ist sicher, dass es sich um ein ängstigendes aber meistens harnloses Phänomen handelt.

Eine Behandlung ist meist nur in soweit erforderlich, dass die Patienten (am besten verbal) beruhigt werden müssen. Es ist sehr hilfreich, wenn für einen Tag eine „Beobachtung“ durch Angehörige gewährleistet werden kann. Eine ärztliche- neurologische Vorstellung der Betroffenen ist zur Ausschlussdiagnostik in jedem Fall sinnvoll. Manchmal ist ein kurze stationärer Aufenthalt sinnvoll um beispielsweise sicher Hinweise auf eine Herpesenzephalitis auszuschließen.

Trotz unbekannter Ursache wird die TGA im ICD 10 unter Zerebrale transitorische Ischämie (Durchblutungsstörung) und verwandte Syndrome klassifiziert.

  • G45.42 Transiente globale Amnesie [amnestische Episode]: Komplette Rückbildung innerhalb von 1 bis 24 Stunden
  • G45.43 Transiente globale Amnesie [amnestische Episode]: Komplette Rückbildung innerhalb von weniger als 1 Stunde
  • G45.49 Transiente globale Amnesie [amnestische Episode]: Verlauf der Rückbildung nicht näher bezeichnet

 

Quellen / Literatur:

Siehe beispielsweise die Diskussion in ARCH NEUROL/VOL 63, SEP 2006 Leitlinie DGN

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur