Pathoplastizität

Die Wandlungsfähgigkeit von Krankheiten oder Syndromen nach Zeit und Kultur. Funktionale körperliche Syndrome überlappen sich. In einen hohen Prozentsatz treffen mehrere Syndromdiagnosen zu. Die Definitionen der Syndrome sind oft phänomenologisch ähnlich, eine Person kann dabei die diagnostischen Kriterien mehrerer funktionaler körperlicher Syndrome gleichzeitig erfüllen. Eine erhebliche Überlappung gibt es beispielsweise zwischen der multiplen chemischen Sensitivität (MCS), Fibromyalgie, chronischem Müdigkeitssyndrom, Reizdarmsyndrom, Golfkriegssyndrom, dem sick building Syndrom.. Je nach Fachrichtung und Präferenz des Diagnostikers wird er ein und dieselbe Störung bevorzugt einer dieser Kategorien zuordnen. Die Krankheitskonzepte und auch die Krankheitsbildern wandeln sich dabei auch mit der Zeit. Medieninteresse spielt dabei neben anderen gesellschaftlichen Phänomenen eine wesentliche Rolle. (Siehe z.B. Shorter, Edward 1994). Daneben gibt es kulturspezifische Besonderheiten von funktionellen Störungen. Ihr Vorkommen und die Symptomatik kann in verschiedenen Kulturen unterschiedlich sein. Typische Beispiele sind die Kriegszitterer oder psychogene Gangstörungen bzw. Astasie- Abasie- Syndrome waren beispielsweise früher wesentlich häufiger. Aus dem Eisenbahnrücken wurde das moderne Schleudertrauma…. Solche Störungen können sich wie Massenhysterien ausbreiten, nicht selten haben die Betroffenen psychische Störungen wie Angststörungen, depressive, und somatoforme Störungen, sehr selten auch wahnhafte Störungen. Der Streit ob psychische Störungen Ursache oder Folge sind ist anhaltend. Sicher ist, dass Menschen mit der Diagnose Fibromyalgie häufiger unter einer psychischen Störung leiden als Menschen die unter Rheuma leiden, dass Menschen mit einem Reizdarmsyndrom häufiger unter psychischen Störungen leiden als Menschen mit einer entzündlichen Darmerkrankung.

 

Quellen / Literatur:

Arthur J. Barsky, MD and Jonathan F. Borus, MD, Functional Somatic Syndromes Ann Intern Med 1999; 130: 910–21

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur