Arbeitsunfähigkeit

Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte aufgrund von Krankheit seine zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann. Bei der Beurteilung ist darauf abzustellen, welche Bedingungen die bisherige Tätigkeit konkret geprägt haben. Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn aufgrund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder die Gesundung abträgliche Folgen erwachsen, die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar hervorrufen. Arbeitslose sind arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sind, leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den sie sich bei der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt haben. Dabei ist es unerheblich, welcher Tätigkeit der Versicherte vor der Arbeitslosigkeit nachging. Bei Arbeitslosen bezieht sich die Befragung des Versicherten auch auf den zeitlichen Umfang, für den der Versicherte sich der Agentur für Arbeit zur Vermittlung zur Verfügung gestellt hat. (Änderung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie vom 19. September 2006). Neben der Feststellung der Krankheit muss der Arzt feststellen, dass der Arbeitnehmer seine ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausführen kann. Es kommt also auf die vom Arbeitnehmer bei seinem Arbeitgeber zu verrichtende Tätigkeit an. Wesentlich ist hierbei die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung. Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit setzt die Befragung des Versicherten durch den Arzt zur aktuell ausgeübten Tätigkeit und den damit verbundenen Anforderungen und Belastungen voraus. Das Ergebnis der Befragung ist bei der Beurteilung von Grund und Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu berücksichtigen. Zwischen der Krankheit und der dadurch bedingten Unfähigkeit zur Fortsetzung der ausgeübten Tätigkeit muss ein kausaler Zusammenhang erkennbar sein. Ärztliche Untersuchungen und Behandlungen alleine begründen keine Arbeitsunfähigkeit, diese liegt nach den Richtlinien liegt nicht vor, – für Zeiten, in denen ärztliche Behandlungen zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken stattfinden, ohne dass diese Maßnahmen selbst zu einer Arbeitsunfähigkeit führen, – bei Inanspruchnahme von Heilmitteln (z. B. physikalisch-medizinische Therapie), – bei Teilnahme an ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation oder rehabilitativen Leistungen anderer Art (Koronarsportgruppen u. a.),.. Ausreichende Indizien, die geeignet sind den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern, liegen nach der Rechtsprechung vor, wenn der Arzt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne eigene Untersuchung ausstellt. Der Arzt hat ein Interesse daran, sich bei der Ausstellung der Bescheinigung nicht gem. § 278 StGB strafbar und sich nicht gem. § 106 Abs. 6 a SGB V schadensersatzpflichtig zu machen. Nach der letztgenannten Norm macht sich der Arzt schadensersatzpflichtig, wenn die Arbeitsunfähigkeit grob fahrlässig oder vorsätzlich festgestellt worden ist, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen haben. Stellt ein Vertragsarzt in größerem Umfang Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus, ohne zuvor die Patienten zu untersuchen, so verletzt er seine vertragsärztlichen Pflichten, was zum Entzug der Zulassung führen kann. Nach Auffassung des Senates des LSG NRW sind die Vorwürfe gegen einen Internisten berechtigt. Bei der Ausstellung von AU-Bescheinigungen habe er entgegen seinen vertragsärztlichen Verpflichtungen sich nicht auf eigene Untersuchungen verlassen, sondern sich von „Vorstellungen und Begehrlichkeiten“ seiner Patienten beeinflussen lassen. Es sei auch nicht zu akzeptieren, dass der Internist die Verlängerung der AU-Bescheinigung zum Teil davon abhängig gemacht hat, dass die Patienten zuvor eine Hautärztin (seine Lebensgefährtin) aufsuchten. Deshalb konnten Kassen und KV nicht mehr darauf vertrauen, dass der Arzt „eine ordnungsgemäße Leistungserbringung und peinlich genaue Abrechnung der zu vergütenden Leistungen“ erbringen werde. Deshalb sei nach Auffassung des Senates auch unter Berücksichtigung des damit verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit sowie unter Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit die Zulassungsentziehung das einzige Mittel zur Sicherung und zum Schutz der vertragsärztlichen Versorgung. Urteil des LSG NRW – L 11 Ka 45/99. Wenn begründete Zweifel am Wahrheitsgehalt eines ärztlichen Attests bestehen, muss der Arbeitnehmer beweisen, dass er zu dem angegebenen Zeitpunkt tatsächlich krank war. Dies hat das Arbeitsgericht Frankfurt entschieden. Ein krankgeschriebener Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich so zu verhalten, dass er bald wieder gesund wird. Andernfalls darf ihm der Arbeitgeber grundsätzlich kündigen. Wer so häufig krank ist, dass er damit den Betriebsablauf stört, muss mit der Kündigung rechnen. Wer vom Arzt krankgeschrieben ist, muss nicht bettlägerig sein. Eine tschetschenische Schwesternhelferin reiste, während sie sich arbeitsunfähig gemeldet hatte, in ihre Heimat und machte dort den Führerschein. Ihr Chef wertete dies als Beleg dafür, dass sie „Blau gemacht“ habe. Das Bundesarbeitsgerichtet wertete die Reise lediglich als „Anfangsverdacht für eine Täuschung“, der weder eine Kündigung noch eine Drohung damit rechtfertige. Es seien zahlreiche Krankheiten vorstellbar, mit denen man nicht als Schwesternhelferin arbeiten, aber durchaus nach Tschetschenien reisen könne. Der Arbeitgeber habe es versäumt, das vorgelegte Attest zu entkräften. (Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 543/95) Arbeitnehmer haben bei Krankheit das ärztliche Attest unverzüglich beim Arbeitgeber einzureichen. Nach Auffassung des hessischen Landesarbeitsgerichts in Frankfurt kann bereits eine fünfstündige Verspätung eine Abmahnung und im Wiederholungsfall die Kündigung rechtfertigen. Die Richter wiesen damit die Kündigungsschutzklage eines Metzgers gegen ein Fleischhandelsunternehmen zurück. Der Metzger hatte an einem Tag erst fünf Stunden nach dem regulären Arbeitsbeginn den Vorgesetzten mittels Boten das ärztliche Attest zukommen lassen. Nachdem er bereits in der Vergangenheit wiederholt zu spät im Betrieb erschienen und deshalb abgemahnt worden war, sprachen die Vorgesetzten die ordentliche Kündigung aus. Bei der Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit bei Arbeitslosen gelten strengere Regeln. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind Arbeitslose arbeitsunfähig, wenn sie aufgrund einer Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, leichte Tätigkeiten an mindestens 15 Wochenstunden zu verrichten. Während bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit von erwerbstätigen Versicherten die aktuell ausgeübte Tätigkeit und die damit verbundenen Anforderungen und Belastungen maßgeblich sind, ist es bei Arbeitslosen unerheblich, welcher Tätigkeit der Versicherte vor der Arbeitslosigkeit nachgegangen ist. Rückwirkende Bescheinigungen von Arbeitsunfähigkeit sind nach den Richtlinien nicht zulässig. „Die Arbeitsunfähigkeit soll für eine vor der ersten Inanspruchnahme des Arztes liegende Zeit grundsätzlich nicht bescheinigt werden. Eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag ist ebenso wie eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu zwei Tagen zulässig. Die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage durch psychische Störungen hat zwischen 1997 und 2001 um über 50 % zugenommen, Frühberentungen durch psychische Erkrankungen stiegen seit 1983 um 50 % bei Männern und 300 % bei Frauen. Bekanntmachungen: Beschluss einer Änderung der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien) nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V. Bereits im Jahr 2004 war der Krankenstand auf 3,4 Prozent und damit auf das niedrigste Niveau seit Einführung der Lohnfortzahlung im Jahr 1970 gesunken, nachdem er 2003 bei 3,6 Prozent und damit erstmals unter 4 Prozent lag. 2005 wird er mit 3,1% angegeben. In den 70er Jahren lagen die Krankenstände bei über 5 Prozent, in den 80er Jahren zwischen 5,7 und 4,4 Prozent.Der niedrige Krankenstand führt zu einer deutlichen Entlastung der Arbeitgeber durch sinkende Lohnnebenkosten. Im Jahr 2005 waren kalendertäglich nur noch gut 907 000 Pflichtmitglieder der Krankenkassen krankgeschrieben. Nach Schätzungen dürfte der Rückgang des Krankenstands allein im Jahr 2004 die Kosten der Lohnfortzahlung um rd. 1 Mrd. Euro vermindert haben. Dieser Trend setzte sich im Jahr 2005 auf geringerem Niveau fort. Auch die Aufwendungen der Krankenkassen für Krankengeld sind in den ersten drei Quartalen deutlich um 7,4 Prozent bzw. 358 Mio. Euro gesunken. Nach den Ländern geordnet weisen Baden-Württemberg (2,6 Prozent) und Bayern (2,8) die niedrigsten Krankenstände aus, die Bundesländer, die zugleich die niedrigste Arbeitslosenquote haben. Die höchsten Krankenstände aber haben: Berlin, Brandenburg (je 3,8 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen (3,7), Sachsen-Anhalt, Saarland (3,6) und Sachsen (3,5). Das sind jene Bundesländer, die zugleich mit den höchsten Arbeitslosenquoten aufwarten

„Auch die Festlegung der Arbeitsfähigkeit, täglich tausendfach von Ärzten praktiziert, ist durch die Unbestimmtheit des Begriffs weitgehend zu einer Sache des Ermessens geworden. Dieses Ermessen ist sogar so frei, dass es oft gar nicht mehr allein nach ärztlichen Richtlinien gehandhabt wird. Wir wissen alle, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oft nur eine ärztlich sanktionierte, aber durchaus nicht immer ärztlich begründete Fluchthilfe für Alltagsüberdrüssige… ist.“ Zitat aus :Mit Kollegialen Grüssen

Krankenstand der Pflichtmitglieder der Gesetzlichen Krankenkassen Jahr
1993 1995 2000 2005 2006 2007 2008 2009
Gesetzliche Krankenkassen insgesamt 4,74 5,08 4,22 3,32 3,31 3,22 3,37 3,40
Gesundheitsberichterstattung des Bundes

 

Quellen / Literatur:

Quelle Bundesgesundheitsministerium 2006, Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 18 vom 30.04.2004, Seite A-1284 HTML | PDF Mitteilungen: Neufassung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 18 vom 30.04.2004, Seite A-1284 HTML | PDF, Jachertz, Norbert, Krankenstand: Geteiltes Deutschland, Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 16 vom 21.04.2006, Seite A-1033
Krankenstand, Jahresdurchschnitte 1998 bis 2006 (Bundesministerium für Gesundheit) Mit Kollegialen Grüssen … Sprachdummheiten in der Medizin, Edition 3. Verlag Steinkopff, Kapitel UNBESTIMMTE BEGRIFFE, Seite 12, DOI 10.1007/3-7985-1620-0, 2006, ISBN 978-3-7985-1618-2 (Print) 978-3-7985-1620-5 (Online)

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur