Toleranz

wörtlich dar Ertragen von Andersartigkeit. Fehlt sie, spricht man von Intoleranz, ist das Ausmaß des zu Ertragenden für den Toleranten zu groß, wird seine Toleranz-Schwelle überschritten. Er reagiert auf die Abeichung. Besonders schwache und kranke Menschen sind auf Toleranz angewiesen. Toleranz ist die Basis von Freiheit und gegenseitigem Respekt. Freiheit in Bindung und in Verantwortung verwirklicht sich im Besonderen als Toleranz. Toleranz heißt: die Würde jedes Einzelnen zu achten. Toleranz garantiert zudem ein Zusammenleben der Menschen und ihrer Kollektive mit einem Höchstmaß an Freiheit für den Einzelnen. Toleranz ist somit Voraussetzung für Humanität und Frieden. Ihr Gegenteil wäre Fanatismus und Radikalismus. Voraussetzung für gelebte Toleranz ist die Fähigkeit und die Bereitschaft zur Wahrnehmung von Unterschieden. Diese Wahrnehmung kann nur erfolgen, wenn der Toleranz Übende bzw. der zur Toleranz Aufgeforderte seinen eigenen persönlichen und kulturellen Standpunkt kennt und sich dazu bekennt. Nur dann, wenn man viel von sich und vom anderen weiß, ist Toleranz möglich; sonst weiß man ja nicht, was zu tolerieren ist. Wahrnehmung von Unterschieden und Selbstachtung können nur dann gelingen, wenn es nicht nur um flache Meinungen, sondern um Überzeugungen und um Tiefgang geht. Ein Kulturrelativismus und ein Indifferentismus gegenüber anderen und gegenüber sich selbst oder gegenüber der eigenen Kultur haben mit Toleranz nichts zu tun, sondern enden in geistiger Obdachlosigkeit, in Gleichgültigkeit, in Feigheit, im beziehungslosen Nebeneinander oder im „Nihilismus des Geltenlassens von schlechthin allem“ (Arnold Gehlen). „Toleranz“ wird somit zur Leerformel, weil Menschen dann nicht wissen, wofür sie eigentlich stehen. Toleranz kann also nur unter Beibehaltung der eigenen Position praktiziert werden. Intoleranz zuzulassen hieße, dem Unrecht die Tür zu öffnen und die eigene moralische Position preiszugeben; andererseits ist es eine Voraussetzung für tolerantes Verhalten, die eigene Position in Frage zu stellen und zu überprüfen.

 

Quellen / Literatur:

Jörg-Dieter Gauger und Josef Kraus ,Bildung der Persönlichkeit, Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.November 2000

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur