Nervenzusammenbruch

ist keine medizinische Diagnose, das Wort wird von Psychologen, Psychiatern oder Ärzten üblicherweise nicht benutzt. Es gibt keine exakte Definition dieses Begriffes. Die Herkunft des zweifellos alten Begiffes ist nicht bekannt, es gibt ihn auch in anderen Sprachen, z.B.: engl. nervous breakdown. Eigentlich handelt es sich um eine bildliche Beschreibung, wobei Nervenfasern weiche Strukturen sind, die nicht brechen. Gemeint ist meist, dass aus psychischen Gründen für unterschiedliche Zeiten, jedenfalls akut die soziale Funktionsfähigkeit oder Alltagstauglichkeit eines Menschen nicht mehr gegeben ist. Menschen die dieses Wort benutzen, wollen in der Regel eine Art seelischen Notfall, oder eine Reaktion auf eine schwere Belastung ausdrücken. Letzteres entspräche einer akuten Belastungsreaktion. Oft ist eine massive Angst oder einfach etwas dramatisches gemeint. Der Begriff suggeriert einen Kontrollverlust, was einem subjektiven Empfinden dabei durchaus entsprechen kann. Real wird bei dem, was Menschen als Nervenzusammenbruch bezeichnen in der Regel nicht die Kontrolle verloren,- es besteht nur die Angst, dass dies passieren könnte. Manche bezeichnen Weinkrämpfe unterschiedlicher Ursache und Dauer als Nervenzusammenbruch, manche den Beginn verschiedenster psychischer Störungen. Manche Menschen bezeichnen Panikattacken als Nervenzusammenbruch. Obwohl am häufigsten eine Reaktion auf eine ungewöhnliche psychische Belastung gemeint ist, ist die Streubreite in der allgemeinen Benutzung dieses Begriffes groß. Manchmal wird auch eine körperliche Erkrankung (z.B. Magengeschwür) im Zusammenhang mit einer empfundenen Belastung, Überforderung oder Krise als Nervenzusammenbruch bezeichnet. Die Benutzung des Wortes, sagt im Wesentlichen, dass subjektiv ein Ausnahmezustand empfunden wurde. Über die tatsächliche Schwere der empfundenen Beeinträchtigung sagt die Benutzung des Begriffes erfahrungsgemäß nichts aus. Nachteilig, ist dass der Begriff den Betroffenen selbst wieder suggeriert, dass etwas ganz schlimmes mit ihren „Nerven“ passiert sei. Dies bedingt das Risiko, dass die Benutzung des Begriffs dazu beiträgt, die Hilflosigkeit zu verstärken. Für den Zuhörer oder Kommunikationspartner entsteht oft ebenfalls ein Gefühl der Hilflosigkeit. Der Redner meint oft der Zuhörer wüsste, wovon gesprochen wird. Da große Not und ein potenziell vorurteilsbehafteter psychischer Zustand geschildert wird, traut sich der Zuhörer oft nicht nachzufragen. Es besteht das Risiko, dass die Kommunikation trotz Hilfsbedürftigkeit zum Stillstand kommt. Gemeint sein kann also eine dissoziative Störung, akuten Belastungsreaktion eine Depression, eine Angststörung mit Panikattacke eine somatoforme Störung, oder ganz einfach ein Ausdruck der momentanen Hilflosigkeit und Überforderung. Insgesamt ist es sinnvoller diesen schlecht definierten umgangssprachlichen Begriff zu meiden. In einem Ausnahmezustand oder bei einer Überforderung ist es sinnvoller andere umschreibende Begriffe zu verwenden, oder noch besser eben genauer (und mit Worten, die man selbst versteht) zu erzählen was man empfindet und was die eigenen Hypothesen über die Auslösung sind.

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur