Religiosität und Krankheit

Beten und eine persönliche Beziehung zum Gott kann in allen Religionen das Coping mit einer psychischen Störung oder einer körperlichen Erkrankung erleichtern und die Genesung fördern, dies ist auch in Studien belegt. Leider ergibt die Forschung auch zunehmend Hinweise, dass auch das Gegenteil, eine vermehrte Anfälligkeit für Krankheiten und eine schlechtere Krankheitsbewältigung Folge von Religiosität sein kann. In der Summe scheint sich der Effekt bei manchen großen Populationen aufzuheben. Wesentlich entscheidend ist der Inhalt der Religiosität, dieser entscheidet über die Tatsache, ob sie Belastung oder Ressource ist. Mitentscheidend ist auch ob die Religiosität auch über die Zugehörigkeit zu einer Kirchengemeinde ein Zusammengehörigkeits- und Geborgenheitsgefühl vermittelt. In einer soziologischen US- Studie an der 18000 Schüler teilnahmen zeigte sich, dass beispielsweise asiatisch- stämmige Kinder in den USA wenn sie mindestens 1x pro Woche den Gottesdienst besuchten eine gegenüber den nicht religiösen Kindern asiatischer Herkunft (und dies besonders bei den Mädchen) erhöhte Wahrscheinlichkeit hatten depressiv zu sein. Das selbe galt auch für Schwarze und Latinos unter den Jugendlichen, nicht aber für die Weißen. Entscheidend könnte hier sein, dass der Glaube dieser Minderheiten vom in der amerikanischen Kultur vorherrschenden Protestantismus abweicht. (Petts et al 2008) In einer anderen Studie zeigte sich erwartungsgemäß, dass Religiosität, bei depressiven Jugendlichen, das Suizidrisiko erheblich vermindert (Maimon et al 2008). Spiritualität allgemein scheint dabei keinen oder einen geringeren Effekt im Schutz vor Depressionen zu haben als die Religiosität im Rahmen einer üblichen Kirchengemeinde. (Wink 2005). Auch eine holländische Untersuchung fand bei Kirchgängern eine niedrigere Depressivität. (Braam 2004) In einer Untersuchung von 387 Schmerzpatienten (Gerbershaben et al, P683, DGN 2008 Hamburg) zeigte sich ebenfalls ein differenziertes Bild. Die intensive Gottesbeziehung war für manche Patienten eine Hilfe, für andere ein Risikofaktor für eine Verschlimmerung. In einer Studie zu Brustkrebsüberlebenden Frauen, zeigte sich ein vermindertes Depressionsrisiko für die religiösen Frauen, auf die Schmerzwahrnehmung, hatte die Religiosität aber keinen Einfluss. (AUKST-MARGETIC Branka et al) Religiosität verbessert auch nach einer Studie den Verlauf von Depressionen. Angehörige von Menschen mit schweren Erkrankungen suchen als Bewältigungsmethode häufig Trost in der Religion, dies muss auch in der Betreuung der Patienten berücksichtigt werden.

Fundamentalistische Religiosität kann krankhafte Schuldgefühle begünstigen. Zu unterscheiden von Religiosität ist auch der religiöse Wahn, der wie auch religiöse Größenideen auch bei an sich nicht religiösen Patienten auftreten kann.

 

Quellen / Literatur:

  1. A. W. Braam, E. Hein, D. J. H. Deeg, J. W. R. Twisk, A. T. F. Beekman, and W. van Tilburg
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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur