Aufklärung

Jeder ärztliche Eingriff gilt zunächst mal als rechtswidrige Körperverletzung, und zwar sowohl strafrechtlich wie auch zivilrechtlich. Die Rechtswidrigkeit wird in der Regel durch die Aufklärung als Basis für eine wirksame Einwilligung beseitigt. Nur wenn eine Aufklärung nicht möglich ist (bewusstloser Patient), ist man berechtigt, von einer mutmaßlichen Einwilligung auszugehen. Die A. muss in für den Patienten verständlicher Form und objektiv erfolgen, sie muss generell alle unbeeinflussbaren bzw. unvermeidbaren und typischen Behandlungsfolgen umfassen: Schmerzen, Dauer des Krankenlagers, sichere und mögliche funktionelle Folgen, Gefahren, therapeutische Alternativen, Folgen einer Nichtbehandlung, Arbeitsfähigkeit, kosmetische Resultate (Aussehen), Wohlbefinden. Der Umfang hängt insbesondere von den Umständen des Einzelfalls und von der Dringlichkeit des Eingriffs ab. Grundsätzlich hat jeder Patient das Recht, die Diagnose zu erfahren. Der Patient muss auch über Behandlungsalternativen aufgeklärt werden. Ohne vollständige Aufklärung über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten und deren Erfolgsaussichten und Gefahren hat der Patient nicht wirksam eingewilligt. Erst eine nach vollständiger und gewissenhafter Aufklärung des Patienten wirksame Einwilligung („informed consent“) macht den Eingriff in seine körperliche Integrität rechtmäßig (vgl. Senatsurteil vom 28. Februar 1984 – VI ZR 70/82 -VersR 1984, 538, 539). Das gilt auch dann, wenn die Behandlung in der eigenverantwortlichen Fortsetzung einer von anderer Seite begonnenen Therapie besteht. (Urteil BGH VI ZR 313/03 Verkündet am: 15. März 2005) Die juristischen Anforderungen an die Aufklärung setzt der BGH (Urteil BGH VI ZR 289/03, Verkündet am: 15. März 2005) sehr hoch an. Auf auch seltene schwere Nebenwirkungen von Medikamenten muss hingewiesen werden. Warnhinweis in der Packungsbeilage des Pharmaherstellers reichen nicht aus. Im Fall ging es um ein erhöhtes Risiko, an zum Teil schwerwiegenden Gefäßveränderungen (z.B. Herzinfarkt oder Schlaganfall) durch Verordnung der Pille zu erkranken. Die Klägerin war Raucherin, hier besteht durch den Zigarettenkonsum mit zunehmendem Alter ein erhebliches Risiko, laut BGH ist neben dem Hinweis in der Gebrauchsinformation auch eine Aufklärung durch den das Medikament verordnenden Arzt erforderlich. Dieser muss nämlich dem Patienten eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermitteln (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 106, 108 und zur Aufklärungspflicht bei einer Routineimpfung BGHZ 144, 1, 5). Die Notwendigkeit zur Aufklärung hängt dabei nicht davon ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führt. Maßgebend ist vielmehr, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und es bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 107; 144, 1, 5 f.; vom 21. November 1995 – VI ZR 341/94 – VersR 1996, 330, 331; vom 2. November 1993 – VI ZR 245/92 – VersR 1994, 104, 105 = AHRS 4510/104). BGB § 823 Aa: Bei möglichen schwerwiegenden Nebenwirkungen eines Medikaments ist neben dem Hinweis in der Gebrauchsinformation des Pharmaherstellers auch eine Aufklärung durch den das Medikament verordnenden Arzt erforderlich. Die Aufklärungspflicht ist auch abhängig vom medizinischen Vorwissen des Patienten. Ist der Patient mit medizinischem Sachverstand ausgestattet, darf der behandelnde Arzt darauf vertrauen, dass der um die Bedeutung wahrheitsgemäßer anamnestischer Angaben wissende Patient auch wahrheitsgemäße und vollständige Auskünfte erteilt. Mit aus medizinischer Sicht völlig unverständlichem Verhalten muss der behandelnde Arzt nicht rechnen. Die mit einem groben Behandlungsfehler verbundene Beweislastumkehr für die Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden ist ausgeschlossen, wenn der medizinisch sachverständige Patient seinen behandelnden Arzt über wesentliche Tatsachen täuscht oder solche ungefragt verschweigt und hierdurch ebenfalls maßgeblich zur Unaufklärbarkeit des Ursachenzusammenhanges zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden beiträgt. Eine Beweislastumkehr würde in diesem Fall ihrem Sinn und Zweck, nämlich der Herstellung der Waffengleichheit in Gestalt eines Ausgleichs für die erschwerte Aufklärung des Kausalverlaufes, widersprechen. Verweigert der um das Gefährdungspotential wissende Patient eine zunächst noch nicht zwingend notwendige, aber schon vorbereitete stationäre Aufnahme, ist bei späterer Befundverschlechterung die nochmalige therapeutische Aufklärung über eine dann zwingende Indikation zur stationären Behandlung entbehrlich. LG Dresden, Urt. v. 30. 11. 2007 – 6 O 0266/06 Minderjährigen Patienten kann bei einem nur relativ indizierten Eingriff mit der Möglichkeit erheblicher Folgen für ihre künftige Lebensgestaltung ein Vetorecht gegen die Einwilligung durch die gesetzlichen Vertreter zustehen, wenn sie über eine ausreichende Urteilsfähigkeit verfügen. BGH, Urt. v. 10. 10. 2006 – VI ZR 74/05

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur