Aicardi–Goutières Syndrom (AGS)

Das Aicardi–Goutières Syndrom (AGS) ist eine sehr seltene autosomal rezessiv polygen (bisher 4 bekannte Gene) vererbte Enzephalopathie mit Beginn in utero oder in den ersten beiden Lebensjahren, meist mit 4 Monaten. Es kommt zu einer erworbenen Mikrozephalie, zerebralen Verkalkungen (der Basalganglien), Leukodystrophie, zerebraler Atrophie und Liquorveränderungen mit chronischer Lymphozytose und erhöhten Interferon-alpha (INF-alpha). Daneben kommt es zu Frostbeulenartigen Hautveränderungen an den Fingern, Zehen und Ohren, Rötungen um die Finger und Zehennägel und Akrozyanose. Am häufigsten wird es mit einer schweren Infektionskrankheit (Meningitis, Enzephalitis) verwechselt, wozu auch der fieberhafte Verlauf bei Beginn beiträgt. Fieberschübe, Reizbarkeit, mangelhafte Nahrungsaufnahme und ein darauf folgender Entwicklungsrückstand (bzw. Verlust bereits erworbener Fähigkeiten, fehlendes weiterers Kopfwachstum sind die typischen Symptome. Tetraplegie, mangelnde Kopfkontrolle, Nystagmus, mangelnde Blickstabilisierung, Muskelhypotonie, Pyramidenbahnzeichen, Persistenz primitiver Reflexe, dystone Haltungen und Bewegungen, persistierende und anhaltende Schreckreaktion oder auch „startle reaction“ auf geringe Umgebungsreize, Epilepsie, treten meist im ersten Lebensjahr auf. Vorübergehende Hepatosplenomegalie mit erhöhten Transaminasen, Thrombozytopenie und Anämie kommen ebenfalls vor, und können zusätzlich zur Verwechslung mit einer Infektion beitragen. Berichtet werden auch bei einzelnen Kindern kongenitale Glaukome, erhöhte Autoantikörper, Schilddrüsenunterfunktion, Diabetes Typ 1, haemolytische Anaemie, Polygammaglobulinämie, neonatale Kardiomyopathie, demyelinisierende periphere Neuropathie, Mikropenis und vorübergehender Mangel an Antidiuretischem Hormon. Das klinische Bild ist dabei variabel und es müssen nicht immer alle Symptome vorhanden sein. Das meist akut beginnende Syndrom schreitet zwar nach Monaten nicht weiter fort, hinterlässt aber eine gravierende Behinderung. Nur in Ausnahmefällen können die Kinder später sprechen oder Sprache verstehen.

Die Behandlung ist bisher rein symptomatisch und immunsuppressive Behandlungen scheinen bisher wenig wirksam. Bei epileptischen Anfällen werden symptomatisch Antiepileptika verabreicht. Der Langzeitverlauf ist bei dem 1984 zuerst beschriebenen Krankheitsbild nicht bekannt. Paare, die ein Kind mit dem Syndrom haben, haben ein 25% Risiko bei kommenden Kindern, dass diese ebenfalls betroffen sind, eine Diagnose mittels Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung) ist möglich.

 

Quellen / Literatur:

  1. Aicardi J, Goutie`res F (1984) A progressive familial encephalopathy with calcifications of the basal ganglia and chronic cerebrospinal fluid lymphocytosis. Ann Neurol, 15, 49–54.
  2. Crow, Y J, Black, D N, Ali, M, Bond, J, Jackson, A P, Lefson, M, Michaud, J, Roberts, E, Stephenson, J B P, Woods, C G, Lebon, P (2003). Cree encephalitis is allelic with Aicardi-Goutieres syndrome: implications for the pathogenesis of disorders of interferon alpha metabolism. J. Med. Genet. 40: 183-187 [Abstract] [Full Text]
  3. Koul, R., Chacko, A., Joshi, S., Sankhla, D. (2001). Aicardi-Goutieres Syndrome in Siblings. J Child Neurol 16: 759-761 [Abstract] G. Lanzi the natural history of Aicardi–Goutières syndrome: Follow-up of 11 Italian patients NEUROLOGY 2005;64:1621-1624
  4. S. Orcesi, R. La Piana, and E. Fazzi Aicardi-Goutieres syndrome Br. Med. Bull., March 1, 2009; 89(1): 183 – 201. [Abstract]
Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur