Formale Denkstörungen

Gehemmt: Der Patient empfindet, dass das gesamte Denken wie gebremst, unregelmäßig oder stockend, wie gegen Widerstände, vonstatten geht. Die Erschwerung des Denkablaufes hinsichtlich Tempo, Inhalt und Zielsetzung kann nicht behoben werden, auch wenn sich der Patient offensichtlich darum bemüht. Denkhemmung muss im Gegensatz zu Denkverlangsamung subjektiv empfunden werden.

Verlangsamt: Das Denken ist verlangsamt und schleppend. Es führt zu einem zähflüssigen Gesprächsverlauf. Damit ist das Schleppende, Mühsame des Gedankenganges, die meist kontinuierliche Verzögerung des Denkablaufes gemeint. Sie ist in erster Linie an der Viskosität und Torpidität des Sprechens und Reagierens des Kranken zu erkennen. Das verlangsamte Denken wird vom Patienten oft auch als gehemmt empfunden.

Umständlich: Beim Denken wird Nebensächliches nicht vom Wesentlichen getrennt. Der inhaltliche Zusammenhang bleibt aber gewahrt. Als umständlich bezeichnet man ein Denken, das das Nebensächliche nicht vom Wesentlichen (bezogen auf die Interviewthematik!) sondert, sich in unwichtigen Einzelheiten verliert und an ihnen hängen bleibt, ohne vom Ziel gänzlich abzukommen (weitschweifig). Umständlichkeit kann die Folge mangelnder Abstraktionsgabe sein oder Folge eines Unvermögens, Nebensächliches wegzulassen auch dann, wenn es intellektuell möglich wäre, pedantische Kleinkrämerei“).

Eingeengt: Einschränkung des inhaltlichen Denkumfangs, Verhaftetsein an ein Thema, Fixierung auf wenige Zielvorstellungen. Der Patient hat Mühe, auf ein anderes Thema überzugehen, kommt immer wieder auf das ursprüngliche Thema zurück, auch wenn der Untersucher versucht, andere Themenbereiche anzubieten. Einschränkung des inhaltlichen Denkumfanges, Verhaftetsein an ein Thema oder an wenige Themen, Fixierung auf wenige Zielvorstellungen oder Denkinhalte. Im Interview hat der Kranke trotz Angebot Mühe, von einem Thema auf ein anderes überzugehen oder er kommt immer wieder darauf zurück.

Eine inhaltliche Perseveration ist ein starker Grad von Einengung, das Haftenbleiben an bestimmten Denkinhalten, das ist das Haftenbleiben an Worten oder Angaben (z. B. Daten), die vorher gebraucht, nun aber nicht mehr sinnvoll sind. Das zeigt sich vor allem im sinnlosen Wiederholen von Worten (Verbigeration). .

Grübeln (nicht zwanghaft): Unablässiges Beschäftigtsein mit (nicht nur, aber meist) unangenehmen Gedankengängen, die vom Patienten nicht als fremd erlebt werden und meist mit der aktuellen Lebenssituation in Zusammenhang stehen.

Gedankendrängen: Patient fühlt sich unter dem übermäßigen Druck vieler Einfälle oder auch ständig wiederkehrender Gedanken, teils sinnvoll, teils sinnlos, die sich auch überstürzen und oft wie automatisch ablaufen können.

Ideenflüchtig: Vermehrung von Einfällen. Dabei wird das Denken nicht mehr von einer Zielvorstellung straff geführt, wechselt beständig das Ziel aufgrund von dazwischenkommenden Assoziationen und verliert so das Ziel. So gerät der Ideenflüchtige vom Hundertsten ins Tausendste, er denkt (und spricht den Satz) oft nicht zu Ende, weil sein Denken dauernd von dazwischenkommenden Einfällen abgelenkt wird, die oft rein äußerlicher (z. B. klanglicher) Art sind und nicht die wesentlichen Zusammenhänge berücksichtigen. Der Untersucher kann aber den flüchtigen Ideen noch folgen (Gegensatz: zerfahrenes, inkohärentes Denken). Subjektiv kann beschleunigtes als auch ideenflüchtiges Denken als Gedankendrängen, als Gedankenflucht u. ä. empfunden werden. Der Ideenflüchtige muss nicht beschleunigt sein. Beschleunigung ohne Ideenflucht z.B antriebsgesteigert“ und ,,. logorrhoisch“.

Vorbeireden: Der Patient geht nicht auf die Frage ein, bringt etwas inhaltlich anderes vor, obwohl aus Antwort und/ oder Situation ersichtlich ist, dass er die Frage verstanden hat. Kein absichtliches Nichteingehen auf eine Frage.

Gesperrt/Gedankenabreißen: Plötzlicher Abbruch eines sonst flüssigen Gedankenganges ohne erkennbaren Grund. Der Kranke stockt mitten im Satz, schweigt, greift dann das Gespräch unter Umständen mit einem anderen Thema wieder auf. Sperrungen spielen sich bei klarem Bewusstsein ab und dürfen nicht mit der Unterbrechung des Gedankenflusses durch eine Absence verwechselt werden. Das Gedankenabreißen ist eine vom Patienten selbst empfundene, ohne erkennbare Motivation plötzlich einsetzende Unterbrechung des Gedankenganges.

Inkohärent/zerfahren: Das Denken (und damit auch das Sprechen) des Patienten hat keinen verständlichen Zusammenhang mehr, ist zerrissen bis in einzelne, scheinbar zufällig durcheinander gewürfelte Sätze, Satzgruppen, Gedankenbruchstücke (dissoziiertes Denken, Sprachzerfall). Daher wird inkohärent/zerfahrenes Denken unverständlich und nicht nachvollziehbar. Die Gedanken springen unvermittelt von einem Thema zum anderen über (divide: Ideenflucht). Inkohärenz/Zerfahrenheit des Denkens kann mit jeder Denkgeschwindigkeit verbunden sein. Bei leichten Formen (Paralogik) kann der Satzbau noch intakt sein, bei schweren Formen ist er zerstört (Paragrammatismus) bis zu unverständlichem, sinnleerem Wort- und Silbengemisch (Schizophasie). Weitere Merkmale formaler Denkstörungen, die häufig bei der Zerfahrenheit vorkommen, sind:

Die Kontamination (Verschmelzung heterogener Sachverhalte), die Verdichtung (Zusammenziehen von mehreren, nicht unbedingt widersprüchlichen Ideen in eine),

Substitution (Ersatz von geläufigen Begriffen durch irgendwelche andere),

Entgleisung des Denkens (Abgleiten von der Hauptgedankenreihe auf Nebengedanken, die sich ungeordnet in die Hauptreihe hineindrängen), lückenhaftes und sprunghaftes Denken.

Neologismen: Wortneubildungen, die der sprachlichen Konvention nicht entsprechen und oft nicht unmittelbar verständlich sind. Manchmal kann vom Patienten auch eine künstliche Sprache gebildet und gebraucht werden. Auch Paralogismen sind hier einzutragen: semantisch ungewöhnlicher Gebrauch von Worten.

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur