DHEA/S (Dehydroepiandrosteron/-sulfat)

Die biologische Bedeutung des adrenalen Androgens DHEA/S für den Menschen ist noch immer nicht eindeutig geklärt. DHEA/S wird nur beim Menschen und (nicht-menschlichen) Primaten in großem Umfang von den Nebennieren gebildet. Es zeigt einen charakteristischen Altersgang mit hohen Konzentrationen nach der Geburt und einem Abfall auf nahezu nicht messbare Werte im Kindesalter. Erst ab dem 7.-8. Lebensjahr („Adrenarche“) kommt es dann zu einem kontinuierlichen Wiederanstieg mit einem Maximum bei Frauen um das 20. und bei Männern um das 30. Lebensjahr. Anschließend kommt es wieder zu einem erneuten Abfall um ca. 2%/Jahr. In den USA wird DHEA/S als „Wunderdroge“ ( „anti-aging effect“) bezeichnet und ist dort als „Nahrungsergänzungsmittel“ frei im Handel erhältlich. In Deutschland ist das Präparat derzeit nicht zugelassen. DHEA/S muss als Vorläufersteroid angesehen werden, das, je nach Bedarf, auf Zielzellebene in potente Androgene und Östrogene umgewandelt werden kann („Intrakrinologie“). So führt eine primäre/sekundäre Nebennierenrinden (NNR)-Insuffizienz zu einem völligen Mangel der DHEA-Sekretion und damit konsekutiv zu einem Absinken der Serumkonzentrationen von Androstendion, Testosteron, Dihydrotestosteron und Östron/Östradiol. Ein Hauptwirkort von DHEA/S ist offenbar das zentrale Nervensystem, wo es als Neurosteroid mit GABAA – Rezeptoren interagieren kann. In Tierversuchen hatte die Gabe von DHEA (100-300mg/Tag) einen aktivierenden Einfluß auf das Immunsystem. Inwieweit sich diese tierexperimentellen Daten auf den Menschen übertragen lassen und von klinischem Nutzen sein könnten, bleibt derzeit noch offen. Bei postmenopausalen Frauen führte perkutan verabreichtes DHEA via Transformation zu potenten Androgenen und Östrogenen zu einer Erhöhung der Knochendichte an der Hüfte. In jüngster Zeit wurde über eine Vielzahl möglicher positiver Effekte einer DHEA-Substitutionstherapie diskutiert, ein wichtiges Zielkollektiv hierfür wären Patienten mit NNR-Insuffizienz. Androgene spielen eine entscheidende Rolle bei der Physiologie der Frau und haben Einfluß auf Stimmung und Libido. So haben Patientinnen mit einer NNR-Insuffizienz, trotz einer ausreichenden Substitutionsdosis mit Gluko- und Mineralokortikoiden eine geringere Lebensqualität. Sie klagen auch weiterhin über Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Libidoverlust sowie Konzentrationsstörungen. Ergebnisse einer publizierten Studie zeigten, dass 50 mg DHEA täglich über 4 Monate die Befindlichkeit und Sexualität bei Frauen mit NNR-Insuffizienz hochsignifikant verbessern konnte. Andere Studien belegen auch eine signifikante positive Korrelation zwischen der DHEA/S-Serumkonzentration und dem funktionellen Status und Wohlbefinden bei älteren Männern und postmenopausalen Frauen. Kontroverse Ergebnisse zeigen sich jedoch hinsichtlich seiner Wirkung auf das kardiovaskuläre System. So fand sich bei Männern >50 Jahre mit hohem DHEA/S-Serumspiegel eine verminderte kardiovaskuläre Mortalität. Bei (postmenopausalen) Frauen hingegen war ein hoher DHEAS-Spiegel mit einer höheren Prävalenz kardiovaskulärer Ereignisse assoziiert. Dieser sexuelle Dimorphismus lässt sich am ehesten durch die unterschiedliche Metabolisierung von DHEA zu Androgenen und Östrogenen erklären. Die aktuelle Datenlage zu DHEA/S erlaubt derzeit noch keine klare Indikationsstellung. Viele Beobachtungen wurden in Tierversuchen gemacht und sind, wie bereits oben erwähnt, nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragbar. Eine kürzlich publizierte Metaanalyse zeigte, dass unter physiologischen Dosierungen nur neuropsychologische und immunologische Effekte des DHEA/S für den Menschen eine Rolle spielen dürften. Denkbar wäre derzeit lediglich die Therapie von Patienten mit NNR-Insuffizienz. In klinischen Studien sind bisher keine schwerwiegenden Nebenwirkungen beobachtet worden. Da DHEA/S erst seine Wirkung über eine Konversion zu potenten Androgenen und Östrogenen in der Zielzelle entfalten kann, könnten hieraus Nebenwirkungen resultieren. Frauen, denen längerfristig 50 mg DHEA/Tag verabreicht wurden, berichteten über eine leichte Zunahme der Gesichtsbehaarung und Hautunreinheiten. Unter einer höheren Dosierung (200mg/Tag) wurden teilweise akneiforme Hautveränderungen beobachtet. Bei den Männern waren, auch unter hohen Dosierungen, keine androgen-/östrogen-assoziierten Nebenwirkungen zu beobachten. Die Wirkung von DHEA/S auf das Prostatawachstum ist als eher gering einzustufen. Eine Lebertoxizität unter einer Substitutionsdosis von 50mg DHEA täglich wurde bisher nicht beschrieben. Von DHEA sollten Sie in der Selbstbehandlung Ihrer Depression vorläufig noch lieber die Hände lassen. Einige Studien zeigen, dass DHEA schwere psychiatrische Nebenwirkungen auslösen kann, insbesondere Manien, Psychosen Einschränkungen der Denkfähigkeit. Die FDA ( Food and Drug Administration) stellte 1985 fest, dass die Wirksamkeit und Sicherheit von DHEA nie bestätigt wurden. Zwar gibt es kleine Studien ( Am J Psychiatry 156:646-649, April 1999) in der Behandlung von Depressionen bei denen keine schweren Nebenwirkungen beobachtet wurden, es scheint allerdings dennoch so zu sein, dass in bestimmten Untergruppen solche schweren psychiatrischen Nebenwirkungen auftreten. DHEA gilt als besonders riskant in hohen Dosen, bei einer Vorgeschichte von affektiven Erkrankungen (Depression und Manie), Alkoholkonsum, Einnahme von Antidepressiva, und bei vorhandenem Cytochrome P450 Polymorphismus. Besonders riskant ist es eventuell bei Personen unter 35 Jahren. Noch völlig offen ist das Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen unter DHEA, eventuell kommt es zu einer deutlichen Steigerung des Herzinfarkt und Schlaganfallrisikos. Weder niedrig dosiertes DHEA noch niedrig dosiertes Testosteron hat bei älteren Menschen in den Wechseljahren oder danach eine nachweisbare Wirkung uaf as Wohlbefinden oder die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit, die Insulinsensitivität. oder die Lebensqualität.

 

Quellen / Literatur:

(Prasterone (DHEA) and mania.Dean CE. Minneapolis Veteran’s Affairs Medical Center, University of Minnesota Department of Psychiatry, 55417, USA. Ann Pharmacother 2000 Dec;34(12):1419-22) Siehe auch Possible dihydroepiandrosterone-induced mania.Markowitz JS, Carson WH, Jackson CW. Biol Psychiatry 1999 Jan 15;45(2):241-2 Hunt, P. J., Gurnell, E. M., Huppert, F. A., Richards, C., Prevost, A. T., Wass, J. A. H., Herbert, J., Chatterjee, V. K. K. (2000). Improvement in Mood and Fatigue after Dehydroepiandrosterone Replacement in Addison’s Disease in a Randomized, Double Blind Trial. J Clin Endocrinol Metab 85: 4650-4656 [Abstract] [Full Text] McQUADE, R., YOUNG, A. H. Y. (2000). Future therapeutic targets in mood disorders: the glucocorticoid receptor. Br J Psychiatry 177: 390-395 [Abstract] [Full Text] K. Sreekumaran Nair, et al., DHEA in Elderly Women and DHEA or Testosterone in Elderly Men, N Engl J Med 2006;355:1647-59

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur