HIV und neurologische Störungen

Polyneuropathien gehören zu den häufigsten primäre Neuromanifestation der HIV-Infektion, am häufigsten ist wie auch sonst die distal-symmetrische Form. Daneben gibt es aber auch Polyneuropathien durch die HAART- Therapie, die nicht immer von der Neuromanifestation der HIV-Infektion zu unterscheiden sind. Guillain-Barré-Syndrome und andere Polyneuritiden kommen ebenfalls vor. Bei 2 bis 5% der HIV-1-Infizierten kommt es unmittelbar vor, während oder nach der Serokonversion zu einem mononukleoseähnlichen Krankheitsbild mit bifrontal betonten Kopfschmerzen, subfebrilen bis febrilen Temperaturen, leichtem Meningismus, unspezifischen Exanthemen und allgemeinem Krankheitsgefühl. Gelegentlich treten auch Hirnnervenentzündungen (Mononeuritiden z B.: Fazialis-Paresen, Trigeminusaffektionen, oder Hörnervenbeteiligungen) hinzu, beschrieben sind auch brachiale Plexusneurititiden, und ein Cauda equina Syndrom. Liquoruntersuchungen zeigen eine geringe bis mäßige lymphomonozytäre Pleozytose (100–1000/3 Zellen). All diese Nervenschäden zu Beginn heilen in der Regel spontan aus. Eine spezifische Therapie ist meist nicht erforderlich. (Münch. med. Wschr. 140 (1998) Nr. 49, Brew BJ. Muscle Nerve 2003;28: 542–52., Kolson DL, J Peripher Nerv Syst 2001; 6: 2–7.). Im Rahmen der etwas weiter fortgeschrittenen HIV- Infektion (CD4 200–500×106/L) können durch den HIV-Erreger selbst oder als Folge der Koinfektion mit Hepatitis B oder Hepatitis C entzündliche Neuropathien einschließlich chronisch entzündlicher demyelinisierender Polyradikuloneuropathien (CIDP) und vaskulitische Neuropathien auftreten, die bei HAART Behandlung können sich diese bessern, wenn nicht können Kortikoide dazu gegeben werden. Bei der fortgeschrittenen HIV-Infektion (CD4< 200×106/L), können small-fibre Neuropathien als distal symmetrische sensorische Polyneuropathien und HIV-bedingte autonome Neuropathien auftreten. Auch die opportunistischen Infektionen können zu peripheren Nervenschäden führen. Das Cytomegalovirus kann zu einem Cauda equina Syndrom oder zu einer vaskulitischen Neuropathie führen, Der HTLV-1 Virus kann eine periphere sensorische Neuropathie oder eine Myelopathie auslösen. Die Nukleosidanaloga Didanosin, Stavudin, und Zalcitabin sowie andere eingesetzte Medikamente (Isoniazid, Vincristin, Vinblastin, Paclitaxel, Dapson, und Thalidomid) können im Rahmen der HAART bzw der Behandlung der Sekundärinfektionen ebenfalls zu einer peripheren Neuropathie führen. Bei der HIV Myelopathie (HIVM) tritt eine langsam progrediente spinale Symptomatik mit einer Kombination von spastisch-ataktisches Gangbild, Pyramidenbahnzeichen, und Sphinkterinnervationsstörung auf. Maligne Erkrankungen wie das Kaposi-Sarkom oder das primäre zerebrale Lymphom, können sich im ZNS manifestieren. Opportunistische Infektionen wie Toxoplasmose, Kryptokokkose, Zytomegalie-Virus-Infektionen, Herpes-Enzephalitiden, TBC, Syphilis, etc. befallen ebenfalls das Zentralnervensystem. Sowohl bei den malignen Erkrankungen als auch bei den Opportunistischen Infektionen hängt die Symptomatik von der Lokalisation und Ausdehnung ab. Daneben kommen auch vaskuläre Erkrankungen wie Hirninfarkte, Sinusthrombosen oder Vaskulitiden vor. Für die meisten Betroffenen stellt die unerwartete HIV-Diagnose einen erheblichen Eingriff in das bisherige „normale“ Leben dar. Dies gilt besonders für die ersten 3 Monate nach Diagnosestellung und für die Betroffenen, sich aus Furcht vor Zurückweisung durch die soziale Umgebung von Familienangehörigen oder Beziehungspartnern zurückziehen, weil sie diesen oder auch den Arbeitskollegen unter diesen Umständen die Fähigkeit zu praktischer Hilfe und emotionaler Solidarität nicht zutrauen. Soziale und emotionale Unterstützung setzt dann voraus, dass Vertrauenspersonen gefunden werden, die helfen, sich der Familie oder dem Freundeskreis zu öffnen. Auch allgemein sind Depressionen bei HIV-Infizierten häufig. Die Inzidenz depressiver Erkrankungen im Verlauf der HIV-Infektion wird auf bis zu 65% geschätzt. Die bisherige Politik HIV- Tests nur nach Aufklärung und Einverständnis des Patienten durchzuführen weicht in den USA derzeit auf. Das Center for Disease Control and Prevention (CDC) begründete in MMWR (2006; 55 RR14; 1-17) ihre Abkehr von der bisherigen Praxis, die eine ausführliche Beratung und Aufklärung vorsah, mit der steigenden Zahl von Infektionen außerhalb der klassischen Risikogruppen. Nach einer gut geführten dänischen Statistik geht man davon aus, dass die Lebenserwartung eines 25 jährigen Dänen in der Allgemeinbevölkerung bei weiteren 51 Jahren liegt, bei einer HIV- Infektion reduziert sich diese Lebenserwartung auf 39 Jahre. Sie ist damit weiter zu Zeiten der gut verbesserten Therapiemöglichkeiten reduziert, allerdings im Vergleich zu den Zeiten vor den neuen Behandlungsmöglichkeiten sehr gut gebessert. Ann Intern Med.2007; 146: 87-95

 

Quellen / Literatur:

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Scott M. Hammer et al., Antiretroviral Treatment of Adult HIV Infection: 2008 Recommendations of the International AIDS Society–USA Panel JAMA. 2008;300(5):555-570. ABSTRACT Trends in HIV/AIDS Diagnoses Among Men Who Have Sex With Men—33 States, 2001-2006 JAMA. 2008;300(5):497-499. EXTRACT

UN-AIDS Daten und Fakten der UN zu HIV

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur