Hyponatriämie

Kochsalzmangel im Blut. Die Konzentration im Plasma sagt nichts aus über den Gehalt an Natrium im Organismus. So kann eine Hyponatriämie auftreten bei tiefem, normalem oder sogar erhöhtem Natriumgehalt und kann vorkommen bei vermindertem, normalem oder erhöhtem Extrazellulärvolumen. Eine Hyponatriämie bedeutet demnach lediglich, dass im Verhältnis zum Wasser zuwenig Natrium vorhanden ist. Definiert wird die Hyponatriämie durch Serumnatriumwerte unter 135 mmol/l, Normalwert 137-142 mmol/L. Eine ausgeprägte Hyponatriämie besteht bei einer Serumnatriumkonzentration von < 130 mmol/l.

Die Symptome können neurologischen und/oder psychiatrischen Erkrankungen ähneln, so dass insbesondere bei beginnenden Symptomen Verwechslungen möglich sind. Häufig besteht am Anfang Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Gangunsicherheit und Konzentrationsstörungen. Es kann dann aber zu epileptischen Anfällen und Schläfrigkeit, schließlich zum Koma und zum Tod kommen. Diese Symptome entstehen letztlich durch ein Hirnödem, also eine Wassereinlagerung in das Hirngewebe, besonders im Hirnstammbereich. Je schneller die Hyponatriämie entsteht und je schneller sie korrigiert wird, umso häufiger und schwerer sind die Symptome. Die Gabe von Kochsalz verschlechtert die Hyponatriämie beim SIADH =Syndrom der
inadäquaten ADH-(antidiuretisches Hormon-)Sekretion (SIADH). Die Behandlung des Laborwertes muss daher vorsichtig und ggf. vom erfahrenen Arzt oder auch je nach Situation stationär durchgeführt werden. Ausführlichere Beschreibung der Behandlung z.B. in Med Klin 2009;104:137–49

Hypovolämisch kommt sie bei Natriumverlust mit Urinnatrium <30 mmol/l, Verlust durch die Haut bei Verbrennungen und Schwitzen, durch den Magendarmtrakt bei Durchfall und Erbrechen, bei Pancreatitis, Nierenschädigung, mit Urinnatrium >30 mmol/l bei Diuretikaeinnahme, Salzverlust Nephropathie, Cerebralem Salzverlustssyndrom, Mineralocorticoidmangel (M.Addison) vor. Hypervolämisch mit Urinnatrium <30 mmol/l,bei Herzinsuffizienz, Lebercirrhose mit Aszites, Nephrotischem Syndrom, mit Urinnatrium >30 mmol/l bei chronischem Nierenversagen vor. Euvolämisch Urinnatrium >30 mmol/l beim Syndrom der indadäquate Sekretion des antidiuretischen Hormons (SIADH), Hypothyreose, Hypopituitarismus (Glukokortikoidmangel), Wasserintoxikation bei primärer Polydipsie, exzessiver parenteraler Zufuhr von hypotonen Flüssigkeiten, nach transurethraler Prostatektomie. Besonders gefährdet sind Krankenhauspatienten und alte Menschen. Eine typisch gefährdende Situation ist beispielsweise Durchfall bei einem alten Menschen, wenn beides Flüssigkeit und Natrium verloren geht und dieser ein Diuretikum möglicherweise in Kombination mit anderen Medikamenten, die eine Hyponatriämie begünstigen können, einnimmt. Hyponatriämie kommt manchmal bei Psychotikern vor, die wegen Vergiftungsängsten sehr viel Wasser trinken, auch bei anderen schweren Formen einer psychogenen Polydipsie (wörtlich viel Durst) wie auch bei Münchhausensyndromen. Aber auch bei so genannten Entschlackungskuren oder einfach Diäten mit zu geringer Kohlehydratzufuhr evtl. kombiniert mit Natriumarmem Mineralwasser ohne medizinische Kontrolle sind Fälle berichtet worden. 50g Kohlehydrate pro Tag und adäquate Flüssigkeits- und Kochsalzaufnahme sollten deshalb bei jeder Diät dabei sein, auch wenn die Scheingewichtsabnahme durch Wasserverlust in den ersten Tagen dadurch geringer ausfällt. Die Einnahme von Ecstasy kann durch die Entwicklung einer Hyponatriämie zu einem tödlichen Hirnödem führen. Andere Ursachen sind Erbrechen, exzessives Schwitzen, Aszitesbildung, Exsudation über Verbrennungen, Diuretika, Diabetes mellitus (Hyperglykämie), ACTH- oder Nebennierenrindeninsuffizienz (M. Addison), zerebrales Salzverlustsyndrom, medikamenteninduziertes SIADH. Die häufigste auslösende Ursache (etwa 60% der Fälle) sind Diuretika, also Medikamente zur Entwässerung oder oft auch von Laien „Wassertabletten“ genannt in Betracht. Unter den Diuretika sind es vor allem die Thiaziddiuretika. Besonders bedeutend ist, dies wenn noch andere Medikamente eingenommen werden, die selbst auch eine Hyponatriämie auslösen können. Sehr viele Medikamente können eine Hyponatriämie auslösen, wenn gleich es bei den meisten anderen Medikamenten seltener dazu kommt. ( Neuroleptika, besonders Levomepromazin, Haldol, Clofibraten, nichtsteroidalen Antirheumatika, Opiaten, Chlorpropamid, Phenytoin, Carbamazepin, Oxcarbazepin, Barbituraten, Cylophosphamid und Vincristin, Hypothyreose, Glukokortikoidmangel, ADH-Analoga (Pitressin, Minirin), Überinfusion von freiem Wasser (Zuckerlösungen) oder Gabe hypotoner Elektrolytlösungen, Amitriptylin, Mirtazapin, SSRI (z.B. Paroxetin vor allem in Kombination mit anderen Risikofaktoren, 8/1000 bei älteren Frauen unter Fluoxetin, auch bei Escitalopram, Venlafaxin und Duloxetin). Auch bei der Vorbereitung der Darmspiegelung mit isotonen Lösungen z.B. Macrogol 3350 (Polyethylenglykol als. Endofalk®, Klean-Prep®). zum Abführen soll es selten besonders bei niereninsuffizienten Patienten aber auch sonst gesunden Patienten zu einer Hyponatriämie kommen. Eine indadäquate Sekretion des antidiuretischen Hormons (SIADH) kommt bei Krebserkrankungen, besonders dem Bronchialkarzinom, Lungenentzündungen, TBC, Enzephalitis, Meningitis, Hirntrauma, Schlaganfall, Alkoholentzug, HIV/AIDS, Akuten Psychosen, akuter intermittierender Porphyrie und auch ohne Grund (idiopathisch) vor. Es handelt sich hier um die häufigste Elektrolytstörung überhaupt, die sich bei etwa 3 % aller Krankenhauspatienten (unselektioniertes Krankengut) findet. Ein zelluläres Hirnödem führt zu hirnödemabhängige Symptomen mit Kopfschmerzen (diffus, Ganzkopf), Übelkeit, Erbrechen, allgemeiner Schwäche, außerdem einer metabolischen Enzephalopathie mit Verwirrtheit/Unruhe, Delir, epileptische Anfälle (v. a. bei Na < 115 mmol/l aber auch ab Na < 125 mmol/l möglich), Bewusstseinstörungen bis hin zum Koma, außerdem peripher-neurologische Symptome: Muskelkrämpfe, Wadenkrämpfe, Muskelzittern, selten auch Hemiparese, Ataxie etc. Ohne Korrektur der Hyponatriämie kommt es nun zu schweren globalen Ischämien und Einklemmungssituationen. Eine Komplikation ist auch die Zentrale Pontine Myelinolyse, die als scharf begrenzte demyelinisierende Läsion der Bahnen des Pons beschrieben wird. Demyelinisierungsherde werden auch im Kleinhirn, Corpus geniculatum laterale, Thalamus, Nucleus caudatus, Putamen und Pallidum als extrapontine Myelinolysen beschrieben. Komplikation kann auch ein Parkinson-Syndrom, reversibel oder irreversibel sein.

Behandlung

Hyponatriämie ist nicht selten und ist behandlungsbedürftig. Besonders ältere Menschen sind normalerweise betroffen. Wenn es zu neuropsychiatrischen Komplikationen kommt ist die Prognose in der Regel ernst, sonst erholen sich viele Patienten ausgesprochen gut. Asymptomatisch ist sie in der Regel harmlos. Smptomatische Hyponatriämie muss behandelt werden in der Regel mit hypertonen Kochsalzlösungen. Der Ausgleich sollte auf ungefähr 10 mmol/L in den ersten 24 bis 48 Stunden begrenzt werden. Serumnatriumsubstitutionen von Hyponatriämien speziell alkoholkranker und mangelernährter Patienten über 10 mmol/l in 24 Stunden (0,4 mmol/l/h) gelten als Pathogenese osmotischer Myelinolysen. Bei schwerer Hyponatriämie und gleichzeitiger erhöhter Natriumausscheidung: Declomycin 2×600 mg p.o. (oder Magensonde) am ersten Tag, dann weiter mit 1 x 600 mg/die. Bei hypovolämischer Dehydration kann isotone Kochsalzlösung gegeben werden. Bei euvolämischen Zuständen Flüssigkeitsrestriktion auf 1L/Tag und evtl Demeclocyclin (600-1200 mg/day), bei Symptomatik intravenös 3%ige hypertone Salzlösung, hypervolämisch Behandlung der Ursache, Flüssigkeitsrestriktion auf 1L/Tag und evtl Demeclocyclin (600-1200 mg/day) (2006;332;702-705 BMJ)

Wichtige Ursachen der Hyponatraemie
Erkrankungen mit erhöhtem ADH Spiegel Erkrankungen bei denen die ADH Wirkung unterdrückt ist Pseudohyponatremie
  • Effektiver Volumenmangel
  • Erbrechen, Durchfall, Blutungen, massiver Urinabgang
  • Herzinsuffizienz, und Cirrhose
  • Thiaziddiuretika
  • Syndrome mit inadäquater ADH Sekretion
  • Hormonveränderungen: Nebenniereninsuffizienz Schilddrüsenunterfunktion, und Schwangerschaft
  • fortgeschrittenes Nierenversagen
  • Primäre Polydipsie
  • exzessive Biertrinker
  • Vergiftungsängste bei Psychosen mit massivem Wasserkonsum
  • Hohe Plasmaosmolalität: Hyperglykämie oder Mannitol
  • Normale Plasmaosmolalität: Hyperlipidaemie, Glycinlösungen und Hyperproteinaemie

 

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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

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