Konversionsstörung

siehe ausführlicher unter somatoforme Störungen!
Konversion = Umwandlung eines psychischen Konfliktes in körperliche Symptome, ohne dass ein organischer Befund dafür vorliegt. Das Symptom kann dabei entweder eine Art der verbotenen Triebbefriedigung darstellen oder die Krankheit dient gerade der Unterdrückung des Triebimpulses. Unter einem Konversionssymptom versteht man den Verlust oder Veränderung willentlicher motorischer oder sensorischer Funktionen, so dass dies einen neurologischen oder medizinischen Krankheitsfaktor vermuten läßt. Es wird angenommen, daß die Entwicklung des Symptoms mit psychischen Bedingungen zusammenhängt, und das Symptom kann durch einen neurologischen oder medizinischen Krankheitsfaktor oder die direkte Wirkung einer Substanz nicht vollkommen erklärt werden. Das Symptom ist nicht willentlich hervorgerufen oder vorgetäuscht (im Gegensatz zur Simulation oder Aggravation) und ist nicht kulturell sanktioniert. Das Hauptmerkmal der Konversionsstörung sind einzelne, sich aber oft sehr dramatisch darstellende Symptome oder Ausfälle, die willkürliche motorische oder sensorische Funktionen betreffen (z.B. Lähmung der Beine, Blindheit oder Krampfanfälle). Die Symptome legen zunächst eine neurologische Erkrankung (z.B. eine Epilepsie) nahe, können aber durch eine solche nicht ausreichend erklärt werden. Oftmals gehen diesen pseudoneurologischen Symptomen oder Ausfällen psychische Konflikte oder andere psychosoziale Belastungsfaktoren voraus. Im traditionellen, psychoanalytischen Verständnis basiert der Begriff „Konversion“ auf der Annahme, dass die körperlichen Symptome der betroffenen Person eine symbolische Lösung eines unbewussten psychischen Konflikts repräsentieren, welche angstreduzierend wirkt und die Funktion besitzt, den intrapsychischen Konflikt außerhalb des Bewusstseins zu halten. Als eine Konversionsreaktion bezeichnet man die Neutralisierung eines innerseelischen Konflikts, welcher symbolhaft in ein Symptom (z. B. Schmerz) umgewandelt (d. h. konvertiert) wird. Neutralisiert (d. h. vom bewussten Erleben ferngehalten) wird der durch den Konflikt potentiell ausgelöste (unerträgliche) Affekt. Das Fernhalten vom bewussten Erleben bewirkt, dass diese Patienten anlässlich der Schilderung ihrer Beschwerden affektiv unbeteiligt wirken (sog. belle indifference). Diese Abkoppelung der Schilderung von den Affekten löst beim Untersucher gelegentlich das Gefühl aus, dass eine Simulation vorliegt. Es handelt sich bei der Konversion um eine besondere Konstellation, die mit Vorsicht und anhand von klar nachweisbaren, positiven Kriterien diagnostiziert werden soll. Man geht davon aus, dass 1-9% aller stationären neurologischen Patienten unter einer Konversionsstörung leiden. Gemeint sind nach dem DSM IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders oder dem ICD-10, Symptome, die eine Neurologische Diagnose vermuten lassen, die nicht auf Simulation zurückgehen und als “psychogen,” “nicht -organisch erklärbar,”“hysterisch,” “und manchmal “funktionelle Symptome” benannt werden. Slater publizierte 1965 eine Studie bei der sich die Diagnose Konversionsstörung bei 33% der Patienten als Fehldiagnose herausstellte. Im Nachhinein geht man davon aus, dass seine und ähnliche Studien aus den 50er und 60er Jahren bei schlechter Qualität ein Artefakt produziert haben. Seit 1970 hat sich dieses Bild aber grundlegend gewandelt, was nicht auf die Einführung der Computertomographie und andere verbesserter Diagnosemöglichkeiten im organischen Bereich zurückführbar ist (da vor der Verbreitung des CT), sondern auch auf sorgfältigere psychiatrische Diagnostik und bessere Studien zum Thema zurückgeht. Auch die weite Verbreitung des CT und der Kernspintomographie seit 1970 hat die seit dem konstant Rate von 4% Fehldiagnosen nicht wesentlich verändert. Seit 1970er Jahre ergeben Studien regelmäßig eine Fehldiagnoserate von etwa 4% bei der Diagnose einer Konversionsstörung, wenn versucht wird, diese durch sorgfältige organische Ausschlussdiagnostik und mindestens 6-monatige Nachbeobachtung zu relativieren. Die Trefferwahrscheinlichkeit ist damit mit 96% tatsächlich zutreffender Diagnosen hoch. So jedenfalls das Ergebnis auch einer neuen Metaanalyse von 1466 Fällen die jetzt im BMJ veröffentlich wurde. Bedenken muss man, dass der umgekehrte Fall häufiger ist. Etwa 25% der Patienten, bei denen eine Epilepsie diagnostiziert wird, hatten ganz einfach eine Synkope, immerhin 8% der Patienten, bei denen eine MS diagnostiziert wird, stellen sich hinterher als Konversionsstörung heraus. Fehldiagnosen mit erheblicher Konsequenz sind also in die umgekehrte Richtung häufiger. Patienten mit Konversionsstörungen oder somatoformen Störungen berichten in der Anamnese häufig über gesicherte Erkrankungen, die nicht vorliegen. Nach Studien stellt sich bei genauer Nachforschung in vielen Fällen heraus, dass die angegebene Diagnose ausgeschlossen worden war. Konversionsstörung sind nach dem DSM IV häufiger bei der ländlichen Bevölkerung, bei Personen mit niedrigerem sozioökonomischen Status und bei weniger mit medizinischen und psychologischen Konzepten Vertrauten auftritt. In Entwicklungsregionen werden höhere Auftretensraten von Konversionssymptomen berichtet, wobei im allgemeinen die Inzidenz mit zunehmendem Entwicklungsstand abnimmt. Das Umfallen, verbunden mit einem Verlust oder einer Veränderung des Bewußtseins, ist ein Merkmal einer Vielzahl kulturspezifischer Syndrome. Die Form der Konversionssymptome spiegelt lokale kulturelle Vorstellungen von akzeptablen und glaubhaften Möglichkeiten wider, Leiden auszudrücken. Veränderungen, die Konversionssymptomen (sowie dissoziativen Symptomen) ähneln, sind weit verbreitete Bestandteile bestimmter, kulturell sanktionierter religiöser und Heilungsrituale. Der Untersucher muß entscheiden, ob derartige Symptome sich vollständig durch den jeweiligen sozialen Kontext erklären lassen und ob sie in klinisch bedeutsamer Weise Leiden, Beeinträchtigungen oder die Unfähigkeit der betroffenen Person zur Ausübung ihrer Rolle nach sich ziehen. Alter Geschlecht Konversionssymptome bei Kindern unter zehn Jahren beschränken sich gewöhnlich auf Gehschwierigkeiten oder Anfälle. Die Konversionsstörung scheint bei Frauen häufiger aufzutreten als bei Männern, wobei das Verhältnis zwischen 2:1 und 10:1 angegeben wird. Besonders bei Frauen treten Symptome auf der linken Körperseite sehr viel häufiger auf als auf der rechten. Bei Frauen (selten bei Männern) , die Konversionssymptome aufweisen, kann sich später das Vollbild der Somatisierungsstörung entwickeln. Besonders bei Männern gibt es Hinweise für eine Verbindung zur Antisozialen Persönlichkeitsstörung. Bei Männern tritt die Konversionsstörung häufig im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen oder dem Militär auf, wobei die sorgfältige Abgrenzung zur Simulation notwendig ist.

 

Quellen / Literatur:

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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur