Lumbalpunktion

Entnahme von Liquor aus dem Wirbelkanal mit einer Kanüle (Hohlnadel, die innen einen Stift enthalten muss um keine Hautzellen in den Liquorraum zu bringen) in Höhe des 3./4. oder 4./5. Lendenwirbels. Bei gerader Seitenlage oder geradem Sitzen liegt der Processus spinosus des 4. Lendenwirbel auf einer Linie zwischen den beiden Beckenkämmen. Die Punktionsstelle wird ertastet und markiert. Anschließend wird die Haut desinfiziert und ggf auch mit einer anästhetischen Creme betäubt. Dann erfolgt eine Lokalanästhesie wie man sie auch bei Eingriffen beim Zahnarzt bekommt. Nach erneutem Tasten wird mit der speziellen Hohlnadel mit Stichrichtung 15° nach oben, Richtung Bauchnabel, die Punktion durchgeführt. Der Punkteur spürt, wenn er mit der Nadel in den Wirbelkanal eingedrungen ist, er zieht dann den inneren Stift der Hohlnadel heraus und überprüft ob Liquor heraustropft. Wenn er auf Knochen trifft zieht er die Nadel zurück und positioniert sie erneut. Ggf. misst er dann zunächst den Druck. Liquor wird nie aktiv herausgesogen oder aspiriert, er wird immer nur durch das Heraustropfen gewonnen. Bei aktiver Aspiration wäre das Risiko eines Hämatoms erhöht. Wird versehentlich ein Blutgefäß getroffen sind die ersten Tropfen oder ml blutig, und anschließend ist das Nervenwasser wieder klar. Wenn dies nicht so ist, wäre es verdächtig auf eine SAB. In diesem Bereich, in Höhe des 3./4. oder 4./5. Lendenwirbels, findet sich kein Rückenmark mehr, es kann deshalb auch nicht verletzt werden. Dabei ist eine versehentliche Verletzung des Rückenmarkes im Gegensatz zur hartnäckigen landläufigen Meinung nicht möglich. In dieser Höhe befindet sich kein Rückenmark mehr. Es ist deshalb auch falsch, von einer „Rückenmarks-Punktion“ zu sprechen. Es befinden sich an der Stelle der Lumbalpunktion im Rückenmarkskanal noch einzelne Nervenwurzeln, die bei Berührung eine sehr kurzes elektrisierendes Gefühl in einem Bein hervorrufen können. Meist wird die Punktion in Seitenlage ausgeführt, sie ist aber auch im vornüber gebeugter Haltung im Sitzen möglich. Nur bei Punktion in Seitenlage kann der Liquordruck gemessen werden. Kontraindikationen bestehen bei schwerer kardiorespiratorischer Insuffizienz, Hirndruck mit drohender Einklemmung oder Verdacht darauf, im Zweifel muss vor Punktion neben einer Spiegelung des Augenhintergrundes ein CCT zum Ausschluss von Hinweisen auf Hirndruck durchgeführt werden. Bei Gerinnungsstörungen besteht ein erhöhtes Risiko eines spinalen Hämatoms. Bei massiven degenerativen Veränderungen wie bei Osteoarthritis, Ankylosierender Spondylitis (M. Bechterew), Kyphoskoliose kann die Lumbalpunktion erschwert sein. Bei massivem Übergewicht, kann die Lokalisation der Wirbel schwierig sein. Bei vorausgegangenen Wirbelsäulenoperationen kann es in manchen Fällen notwendig sein, die Lp unter radiolgischer Kontrolle durchzuführen.

Indikationen: Die Untersuchung des Nervenwassers ist auch heute noch nicht immer entbehrlich. Vor allem zur Diagnose eine Meningitis (Hirnhautentzündung), MS- Diagnose, Guillain–Barré Syndrom, Diagnose des Normaldruckhydrozephalus, im Rahmen einer Myelograhie, Diagnose einer Beteiligung der Hirnhäute an einer Krebserkrankung usw. ist die Punktion weiter erforderlich. Therapeutisch werden bei einer Ventrikulitis und manchen Arten der Meningitis Antibiotika mittels Lumbalpunktion verabreicht (z.B. Vancomycin, Gentamicin), bei manchen Leukämien, oder Lymphomen ist zur intrathekalen Chemotherapie mit Methotrexat ebenfalls eine Lp erforderlich.

Nebenwirkungen sind am häufigsten ausgeprägte lageabhängige (beim Aufstehen) Kopfschmerzen, die bei aufrechter Körperhaltung deutlich zunehmen und sich bei Flachlagerung entsprechend bessern. Ursache ist, dass sich das Loch im Duralsack nicht schließt, es entsteht ein lumbales Duraleck zu anhaltendem Liquorabfluss in den Epiduralraum (in MRT-Myelographie sichtbar). Der hierdurch verursachte Liquorunterdruck führt über eine kompensatorische Weitstellung der intrakraniellen Gefäße und über die kaudale Hirnverlagerung mit Zug an schmerzempfindlichen Strukturen wie Dura, Nerven und Gefäßen zu den charakteristischen orthostatischen Kopfschmerzen. Durch die Verwendung (deutlich teurerer) atraumatischer, dünnlumiger Punktionskanülen mit konisch abgerundeter Spitze (z. B. 21 – 22-G-Punktionskanüle nach Sprotte) kann die Häufigkeit postpunktioneller Kopfschmerzen auf ca. 5 % für die diagnostische LP reduziert werden. Das Liquorunterdrucksyndrom Das Duraleck verschließt sich meist ohne spezifische Maßnahmen spontan und die Beschwerden verschwinden in 1-3 Wochen. Mehr als 70 % der Patienten sind bereits nach einer Woche unter symptomatischen Maßnahmen beschwerdefrei. In sehr seltenen Einzelfällen kann ein Liquorunterdrucksyndrom jedoch über Monate anhalten. Dieses ist wenn es erkannt wird gut behandelbar. Mit der epiduralen Eigenblutinjektion („epidural blood patch”) steht ein wirksames Verfahren zur Verfügung, um das lumbale Duraleck zu verschließen. Dabei werden 15 – 20 ml Eigenblut in den dorsalen Epiduralraum auf Höhe der Lumbalpunktion instilliert. Erfolgsquote über 80 %. Auch diese Verfahren hat allerdings kurzzeitige Nebenwirkungen, vorübergehende Rücken- und Nackenschmerzen, deutlich seltener vorübergehendes Fieber, ein Nervenwurzelreizsyndrom oder eine akute aseptische Meningitis sind nicht ganz selten. Die prophylaktische Wirkung der Eigenblutinjektion ist besser als die therapeutische, eine regelmäßige Durchführung wäre deshalb bei Verwendung der billigen Nadeln vertretbar- sinnvoller ist aber gleich atraumatische Nadeln zu verwenden. Häufig empfohlene Koffeingaben zur Behandlung des postpunktionellen Kopfschmerzes sind unwirksam. (The Neurologist 2007;13: 323–327) Eine seltene Komplikation der Lumbalpunktion bei Gerinnungsstörungen ist die Entstehung eines intraspinalen Hämatoms (siehe Bild). Dieses kann sich in einer Paraplegie äußern und bedarf neben der Korrektur der Gerinnungstörung manchmal auch der chirurgischen Behandlung. Ein seltenes spontanes Unterdrucksyndrom tritt ohne bekannte Ursache auf. Es verursacht ähnliche Symptome und wird häufig nicht oder erst spät erkannt. Migräne, Meningitis, und psychogene Symptome sind die häufigsten Fehldiagnosen. Sehr seltenen Komplikationen der Lumbalpunktion sind die Cerebrale Herniation bei nicht erkanntem Hirndruck, Kardiorespiratorische Schwierigkeiten direkt bei oder nach dem Eingriff bei schwerer vorbelasteten Patienten, Blutungen z.B. bei Gerinnungsstörung, Infektionen, subarachnoid epidermale Zyten durch Einbringen von Hautpartikel bei dicklumigen Kanülen ohne inneren Stift. Bleibende Schäden sind sehr sehr selten.

Die Inzidenz einer bakteriellen Meningitis nach Lumbalpunktion oder Spinalanaesthaesie ist weniger als 4,5/ 100 000 Eingriffe. Bei den Patienten, die es trifft, bleiben dennoch manchmal neurologische Folgen. Nicht immer gelingt es den ursächlichen Keim nachzuweisen. R. Hashemi´et al. IATROGENIC MENINGITIS AFTER SPINAL ANESTHESIA, Acta Medica Iranica 2008; 46(5): 434-436

 

Quellen / Literatur:

siehe unter Liquor, Liquorunterdrucksyndrom Orthostatischer Kopfschmerz ohne Liquorleck


Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur