Wahrnehmung

Wahrnehmung ist Vorgang und Ergebnis der Reizverarbeitung. Wahrnehmung ist ein aktiver Prozess, der durch die Verschaltungsprinzipien des Gehirns wesentlich mitbestimmt wird. Unter Wahrnehmung versteht man das gegenwärtige Erfassen der eigentlichen Sinneseindrücke, z.B. was wir im Augenblick sehen, der Klang einer Stimme. Wahrnehmung geschieht auch ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Als Apperzeption bezeichnet man die Wahrnehmung von Elementen von Objekten auf die beispielsweise in Reaktionszeitexperimenten reagiert werden kann, noch bevor das ganze Objekt bewusst wahrgenommen wird. In diesem Zusammenhang bezeichnet man als Perzeption (syn. für Wahrnehmung)die bewusste Wahrnehmung. Menschliche Wahrnehmung ist nicht nur selektiv, sondern auch ergänzend – das Ergebnis meiner Wahrnehmung ist ein Produkt aus den Reizen, die aus der Umgebung kommen und deren Interpretation durch den Wahrnehmenden unter Nutzung der Gedächtnisinhalte und vorgegebener Wahrnehmungsmuster. Wahrprägung ist die Bewertung des gerade Wahrgenommenen aufgrund unserer Erfahrungen. Wir benutzen dabei ein Erfahrungssystem, das auf unseren früheren Wahrnehmungen beruht, und ein Erfassungssystem für die augenblicklichen Reize. Während das Erfahrungssystem nur im Wachzustand aktiv ist (im Schlaf nehmen wir keine bewusste Bewertung vor), arbeitet das Erfassungssystem ständig. Dies ist auch der Grund, warum man durch ein lautes Geräusch aufwacht oder trotz Lageänderungen im Schlaf nicht aus dem Bett fällt. Das Ergebnis der Wahrnehmung ist ein Abbild objektiv- realer Umwelt und der eigenen Personeninnenwelt. Beim Sehvorgang fällt ein visueller Reiz auf die Netzhaut, dauert es etwa eine Viertelsekunde, bis er als bewusste Wahrnehmung erscheint. Vor diesem Moment an wird jeder einzelne Bestandteil dieses Bildes – etwa Farbe, Form, Lage im Raum und Bewegung – einzeln von verschiedenen, spezialisierten Regionen im Gehirn verarbeitet. Diese einzelnen Eindrücke müssen dann „erst zu einem Muster vereinigt werden, das wiederum mit Arealen verschaltet wird, die es mit Bedeutung verbinden, nur das Ergebnis wird bewusst wahrgenommen. Wahrnehmung ist der aktuelle und anschauliche Teil des Erkenntnisprozesses und der Erkenntnis und schließt darin Vorstellungen, Vergegenwärtigtes und Nachbilder mit ein. Prozesse und Ergebnisse sowie Modelle und Theorien sind Gegenstände der Wahrnehmungspsychologie. Im Laufe der Leben-/Lerngeschichte werden Wahrnehmungskategorien ausgebildet, in die ein Großteil des Inputs abgebildet wird, diese sind größtenteils multimodal – somit muss ein wahrnehmender Organismus z.B. wissen, wann ein Geräusch zu einem Bild gehört und wann nicht. Dies ist nicht im Reiz, sondern in der Erfahrung mit ähnlichen Reizen in der Vergangenheit enthalten. Neben den bekannten fünf Sinnen wie Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten sind die Sinne Schmerzwahrnehmung, Kälte- und Wärmeempfinden, der Gleichgewichtsinn (meist nicht bewusst erlebt), die Wahrnehmung der Stellung des Kopfes und Körpers im Raum, die Wahrnehmung der Eigenbewegung durch Muskelspindeln und spezielle Wahrnehmungsorgane in den Gelenken bedeutsam. Man müsste also sinnvoller von 10 Sinnen sprechen. Wahrnehmung beginnt mit einem Umgebungsreiz, den man im physiologischen Versuch Signal nennt. Welche Umgebungs- Reize und inneren Reize wir wahrnehmen können hängt zunächst von unseren Sinnesorganen ab. Verschiedene Tierarten können ganz andere Reize wahrnehmen, die menschlichen Sinnesorganen verschlossen sind. Vögeln dient die Wahrnehmung des Magnetfeldes als zusätzliche Orientierungsmöglichkeit, manche Schlangen haben Rezeptoren für Wärme, mit denen sie auch bei absoluter Dunkelheit ihre Beute „sehen“ können. Andere Tiere können elektrische Felder oder besonders hochfrequente Schwingungen wahrnehmen. Es ist davon auszugehen, dass diese Tiere alleine durch ihre andersgearteten Sinnesorgane auch eine ganz andere Wahrnehmung unserer Welt haben. Auch bei Menschen gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung, da Wahrnehmung individuell ist, lässt sich die Wahrnehmungswelt auch anderer Menschen nur begrenzt erschließen. Der Umgebungsreiz wird an den Rezeptoren unserer Sinnesorgane in einen neurophysiologischen Impuls umgewandelt, bis dieser im Gehirn als eigentliche Reizinformation wahrgenommen wird, sind weitere komplizierte Wege und Vorgänge erforderlich. Wahrnehmung bildet die Grundlage unserer Handlungen und Entscheidungen, sie ist Voraussetzung für unsere Bewegungen. Wahrnehmungen brauche wir um unsere Umwelt aber auch um uns selbst wahrzunehmen. Wir brauchen für die Wahrnehmung, wie für das Gedächtnis eine Ordnung. Begriffe, Formen, Zusammenhänge der Nützlichkeit eines wahrgenommenen Reizes etc. stellen solche Ordnungen dar. So können wir Gerüche für die wir einen Namen haben uns schneller merken, sie aber auch eher erkennen. Wenn uns Teilinformationen fehlen, werden diese vom Gehirn oft ergänzt, als ob sie vorhanden wären. Ein Beispiel ist, dass wir den blinden Fleck man aus einer Tonspur beispielsweise bestimmte Buchstaben heraus, hören die meisten Menschen diese mit, obwohl sie nicht vorhanden sind. Allerdings kann wenn zusätzliche Informationen vorhanden sind (z.B. Lippenbewegungen im Film die nicht zur Tonspur passen auch der ausgelassene Buchstabe verändert werden, so dass er eher zur Lippenbewegung passt). Welche Informationen ein Reiz vermittelt hängt auch davon ab ob er statisch ist, oder sich bewegt. Bewegung wird dabei immer auch in Relation zur Eigenbewegung des Wahrnehmenden wahrgenommen. Wahrnehmung geschieht immer in einem Kontext. Der Kontext verändert dabei die Bedeutung der Wahrnehmung erheblich, dies gilt für alle Sinnesmodalitäten, für einfache wie für komplexe Wahrnehmungen. Der Kontext verändert damit auch was wir wahrnehmen. Wir ordnen dabei die Reizangebote unserer Umwelt nach unseren inneren Bedürfnissen (wie Hunger, Durst, sexuellem Verlangen..), wie auch nach den sozialen oder kulturellen Bedeutungen eines Reizes. Ob wir einen Reiz überhaupt wahrnehmen hängt von unserer aktuellen Motivation ab. Die Prioritäten sind dabei in jeder Situation unterschiedlich, damit unterscheidet sich auch bei identischer äußerer Situation je nach Motivationslage die Priorität dessen, was wir wahrnehmen. Wahrnehmung ist also immer auch ein aktiver und subjektiver Prozess, der im Reiz der Umgebung und den Sinnesorganen nur bedingt seinen Anfang findet. Der Komplexe Fertigkeiten im Beruf wie in der Freizeit, setzen komplexe Wahrnehmungsfähigkeiten voraus. Wahrnehmungsfähigkeiten und –präferenzen sind zumindest teilweise erlernt, teilweise sind sie auch bei uns Menschen instinktiv oder angeboren. Wir adaptieren unsere Sinnesorgane an Wahrnehmung, was zu einer Wahrnehmungsverzerrung durch die Adaptation führt. Ein einfaches Beispiel ist der Weber´sche-drei-Schalen-Versuch: In Schalen befindet sich Wasser unterschiedlicher Temperatur. Eine Hand in eine Schale mit heißem, die andere Hand in eine Schale mit sehr kaltem Wasser gehalten. Nach 2 Minuten werden beide Hände in die andere Schale mit zimmerwarmem Wasser gehalten. Die Temperatur des zimmerwarmen Wassers wird nun von jeder der beiden Hände anders empfunden. Je nach Anpassungsniveau erscheint das zimmerwarme Wasser entweder kalt oder warm. Signal: Unter einem Signal versteht man in der Wahrnehmungsforschung einen Reiz, der einem Probanden dargeboten wird (meist wird nur eine Sinnesmodalität angesprochen: Duftstoff, Geschmackstoff, Ton, Lichtreiz, Farbe, Schmerzreiz,…), unter Rauschen versteht man die anderen Reize der Umgebung, da bei Experimenten der Reiz in der Regel sehr schwach ist, kann die Versuchsperson bei wenig intensiven Reizen Signal und Rauschen leicht verwechseln, es kommt dann zum falschen Alarm. Die Schwelle für die Signalentdeckung ist dabei je nach Situation variabel. Sie wird auch durch Beobachter beeinflusst. Die Unterschiedsschwelle bezeichnet den gerade merklichen Reizunterschied, den eine Versuchsperson wahrnehmen kann. In vielen Bereichen gilt dabei für unsere Sinne das Webersche Gesetz. Delta S/S=K. K ist dabei eine als Weberscher- Quotient bezeichnete Konstante. Delta S ist der kleinste spürbare Unterschied. Er ist über ein breites Spektrum an Reizintensitäten konstant. Nachgewiesen hat dies Weber mit Gewichten, proportional zum Gewicht steigt der eben spürbare Unterschied zwischen Gewichten an. Wenn wir ein kleines Gewicht in den Händen halten, spüren wir auch kleine Unterschiede, …Das Antwortkriterium definiert in psychologischen Experimenten die Stärke oder Größe des Signals das erforderlich ist, damit der Proband ein Singal als wahrnehmbar bezeichnet. Es ist erheblich abhängig von der Persönlichkeit des Probanden (z.B.: vorsichtig/genau  wagemutig/impulsiv). Es ist auch abhängig von der Situation und den aus der Wahrnehmung möglichen positiven oder negativen Konsequenzen. In Angstsituationen nehmen wir äußere wie innere Reize wesentlich schneller wahr und intensiver wahr, unsere Wahrnehmungsschwelle sinkt, das heißt viel kleinere Reize werden wahrgenommen, dies allerdings mit der Folge, dass wir auch viel häufiger Teile des Rauschen als Signal wahrnehmen. Dies kann auch beim Gesunden bis zu illusionären Verkennungen gehen (z.B. Reiter über den Bodensee, Goethes Erlkönig). Unser Antwortkriterium ist auch durch andere manipulierbar und hängt erheblich von der Erwartung an die Situation ab. Alle Sinnessysteme besitzen die Fähigkeit bei Teilwahrnehmungen nach dem Gedächtnis Ergänzungen vorzunehmen am einfachsten wird diese Fähigkeit beim visuellen System nachgewiesen, unvollständige Objektgrenzen, die häufig in visuellen Szenen auftreten, werden zu vollständigen Szenen oder Objekten ergänzt. Wahrnehmungskonstanz bedeutet, dass Merkmale von Objekten, die wir wahrnehmen konstant bleiben obwohl sich die Wahrnehmungsbedingungen ändern. Unabhängig davon, aus welchem Blickwinkel und bei welcher Beleuchtung wir eine Kiste ansehen, sie behält eine rechteckige Form für unsere Wahrnehmung und auch ihre braune Farbe. Wir nehmen also die reale Gestalt, nicht die meist trapezförmige Abbildung auf der Netzhaut war. Im Falle von Formen bezeichnet man das Formkonstanz, im Falle von Farbe als Farbkonstanz, wenn es um die Helligkeit der Farben eines Objektes geht als Helligkeitskonstanz. Letztere gehen auf das Verhältnisprinzip zurück. Auf diese Weise können wir Objekte als gleichbleibend wahrnehmen. Wahrnehmen, (obwohl zunächst ein Prozess, der sich nur im Jetzt abspielt), ist ohne Gedächtnis nur eingeschränkt möglich. Das Gedächtnis ist in diesem Zusammenhang die aktive Ordnungsstruktur des Wissen und der Wahrnehmung zugleich. Wir sehen wonach wir suchen können, zumindest sehen wir bekanntes wesentlich schneller und besser, wir können es erkennen. Bereits bekanntes strukturiert daher unsere Wahrnehmung vor (Priming). Neue Wahrnehmungen verändern die bereits im Gedächtnis vorhandenen Schemata und Informationen. Dadurch verändern und erweitern neue Wahrnehmungen auch unsere Fähigkeit wahrzunehmen, gleichzeitig schränken unsere vorgefertigten Gedächtnisinhalte auch das Spektrum dessen ein, was wir wahrnehmen. Für jede Wahrnehmung sind bereits vorgefertigte Schemen zur Informationsverarbeitung erforderlich, die sich mit der Wahrnehmung aber auch laufend ändern. Die Möglichkeiten der Veränderung sind dabei für unterschiedliche Wahrnehmungssystem unterschiedlich. Vieles bleibt lebenslang flexibel und veränderbar. Wenn wir uns auf etwas konzentrieren und unsere Aufmerksamkeit darauf richten, werden zum einen die Wahrnehmungsprozesse, die sich mit diesem speziellen Objekt befassen verstärkt, andere werden aktiv in den Hintergrund gedrängt. Findet dieser Aufmerksamkeitsprozess für ein Objekt häufiger statt, stellt sich unser Gehirn darauf ein, sowohl die Hemmung der störenden Umgebungsreize, als auch die Aufmerksamkeit für den spezifischen Reiz werden zunehmend erleichtert und automatisiert, sie sind deshalb auch mit größerer Sicherheit und Geschwindigkeit möglich. Es ist davon auszugehen, dass diesem Prozess neu gebildete Synapsen zu Grunde liegen. Wahrnehmung führt an dieser Stelle also zu lernen und einer Veränderung in der Hirnsubstanz. Wahrnehmung ist auch bei allen Handlungsprozessen begleitend eine unbedingte Voraussetzung. Für jede geführte Bewegung ist die Rückmeldung der Bewegungsrezeptoren in den Muskelspindeln, Gelenkrezeptoren, dem Sehen wie dem Gleichgewichtsorgan Bedingung. Schon der Ausfall eines dieser Systeme beeinträchtigt die Zielgenauigkeit der Bewegung. Auch bei einfachen Erkenntnisvorgängen werden meistens mehrere Wahrnehmungssysteme gleichzeitig benutzt. Manche Wahrnehmungsprozesse können in kritischen Entwicklungsperioden irreversibel gestört werden. Viele dieser Wahrnehmungsprozesse werden früh in erheblichem Maße vorgeprägt und sind später nicht mehr elementar zu ändern. Wenn beispielsweise bei Säuglingen eine zeitlang nach einer Operation ein Auge verschlossen wird, besteht ein hohes Risiko, dass dieses Auge schwachsichtig wird. Wenn Kinder länger unbehandelt schielen, bilden sich in der Sehrinde weniger von beiden Augen versorgte Neurone, die Kommunikation zwischen den Wahrnehmungen der beiden Augen in der Hirnrinde ist dann oft auf Dauer gestört. Beidäugiges Sehen wird zwischen dem 2 und 4.-8. Lebensjahr ausgebildet, später ist dies nur noch in geringerem Ausmaß möglich . Der Wahrnehmungsprozess geschieht überwiegend unbewusst und ist bisher nur teilweise erforscht. Wahrnehmung ist dennoch immer ein aktiver Prozess. Vermutlich sind an jeder einzelnen Wahrnehmung eine Vielzahl von Mechanismen beteiligt, die bisher nur teilweise aufgeklärt sind. Verschiedene Forschungsrichtungen sehen historisch wie aktuell unterschiedliche Mechanismen im Vordergrund. Ein Großteil der Untersuchungen konzentriert sich dabei bisher auf die Wahrnehmungen durch ein Sinnessystem, vermutlich wirken aber bei unserer Wahrnehmung in den meisten Fällen Informationen aus mehreren Sinnen zusammen. Wahrnehmung wird im Gehirn nach Mustern organisiert, aus Teilen werden größere Einheiten (Wahrnehmungsorganisation) Grundsätzlich unterschieden wird bei den verschiedenen Wahrnehmungstheorien zwischen Top- down- und Bottom- up- Verarbeitung. Bei der Top-down- Verarbeitung geht die Informationsaufnahme vom Vorwissen, und damit von höheren Zentren im Gehirn aus. Es bestehen also in diesem Fall kognitive Einflüsse auf die Wahrnehmung. Einfacher zu untersuchen ist die Bottom- up- Verarbeitung, dabei bildet zunächst der Sinnesreiz die Grundlage, erst in der späteren Verarbeitung werden die höheren Zentren mit ins Spiel gebracht. Wahrnehmungspsychologie: Die W. ist ein Teilbereich der Allgemeinen Psychologie. Hier werden die Ergebnisse der Reizverarbeitung im Organismus erforscht. Thematischer Schwerpunkt der W. sind Wahrnehmungstäuschungen (neuerdings nicht nur beim Sehen und Hören: auch beim Figur,- Farb,- Bewegungs,- Zeitwahrnehmen Wir nehmen nur wahr, was unser Gehirn für realistisch hält, scheinbar unrealistisches sortieren wir ohne es zu wissen aus .Emotionen spielen dabei eine genauso wichtige Rolle wie gelernte Fakten. Jede aktuelle Erfahrung wird mit ähnlichen Reizen in der Vergangenheit in unserm Hirn in Bezug gesetzt. Besonders unter dem Einfluss starker Emotionen neigen generell auch gesunde Menschen zu Sinnestäuschungen, die altbewährten Methoden der Informationsverarbeitung in unserem Gehirn können dann versagen. Da unsere Wahrnehmung gewohnt ist mehr zu sehen als tatsächlich vorhanden ist, sehen die meisten Menschen beispielsweise die beiden roten Linien unterschiedlich lang, die obere wird üblicherweise als länger wahrgenommen. Ohne dass diese vorhanden wären sehen wir in der Abbildung unten 2 große Dreiecke ein großes blaues und ein großes weißes Dreieck. Real sind 3 kleine Dreiecke vorhanden. Voreingenommenheit ist auch beim besten Willen nicht zu vermeiden, sie macht die Sortierung unserer Wahrnehmung einfacher. Wir sollten nur wissen, dass eine solche Voreingenommenheit immer vorhanden ist. Sie bei komplexeren Wahrnehmungen immer größer als bei den einfachen bebilderten Beispielen hier. Unterschiede in Zeugenaussagen vor Gericht, oder die unterschiedliche Wahrnehmung im Rahmen einer Ehescheidung sind typische Beispiele. Falsche Zeugenaussagen von Augenzeugen gelten als der Hauptgrund für falsche Verurteilungen vor Gericht. Samuel R. Gross (2004) Wir tun also gut daran, unseren Sinnen nicht unkritisch zu trauen. „Unsere vermeintlich zuverlässigen Wahrnehmungen sind lediglich Hypothesen über die Welt, die unser Gehirn unbewußt-rational konstruiert, und falsche Hypothesen führen zu Wahrnehmungstäuschungen. Der uns angeborene „Gestaltungsdruck“ lässt uns in Zufallsereignisse Gesetzmäßigkeiten hineininterpretieren, die wir dann selektiv wahrnehmen und uns gut merken. Haben wir einmal eine bestimmte Überzeugung gewonnen, neigen wir dazu, selbst an fiktiven Zusammenhängen unbeirrbar festzuhalten – auch dann, wenn diese Zusammenhänge experimentell widerlegt worden sind. Diese „Credomanie“ (Glaubsüchtigkeit) erweist sich als eine tierische Erblast und ist eine unerschöpfliche Quelle menschlicher Fehlvorstellungen.“ Wahrnehmungstäuschungen bei GWUP Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP). Ob man an paranormale Phänomene glaubt oder nicht hängt eventuell auch von der Hirnchemie ab. Der Neruotransmitter Dopamin wird nach einer in der Zeitschrift New Scientist veröffentlichten Studie für die Anfälligkeit an Paranormales zu glauben verantwortlich gemacht. New Scientist Print Edition siehe auch Dr. Martina Belz-Merk Beratung für Menschen mit ungewöhnlichen Erfahrungen Ambulanz des Psychologischen Instituts an der Universität Freiburg The Skeptic’s Dictionary – Deutsche Abteilung Vorstellungskraft entspricht aus der Sicht eines Neurologen am ehesten der sensorischen Antizipation. Ein mentales Bild entsteht dabei in Vorbereitung auf was wir sehen, fühlen, riechen, schmecken oder hören, solange das wirkliche Wahrnehmungsobjekt noch nicht oder nicht präsent ist. Gedächtnisinhalte werden benutzt um den Wahrnehmungsapparat des Gehirn in einen Zustand einer hohen Erwartung zu versetzen. Eine Erwartung die so lebendig ist, dass man sie als eine Surrogaterfahrung bezeichnen könnte. Der Cortex besitzt eine hierarchische Organisation Rückprojektionen ( heavy back-projections) zwischen jedem Verarbeitungsschritt können in beide Richtungen geschehen. Die selben neuronalen Schaltkreise können für bottom-up druch die Wahrnehmung oder für top-down durch Vorstellungen benutzt werden. Es gibt große Unterschiede in der individuellen Lebendigkeit und Stabilität von Vorstellungskraft, bzw. sensorischer Antizipation. Bei der Müller-Lyer‘sche Täuschung (typisches Beispiel einer optischen Täuschung) entsteht bei kürzer erscheinenden Strecke entsteht der Eindruck einer vorspringenden, in unmittelbarer Nähe des Betrachters befindlichen Kante, bei der anderen Figur scheint die Ecke dagegen in weiterer Entfernung zu liegen. Die subjektive näherliegende Kante erscheint kürzer (Prinzip der Größenkonstanz). Eine andere Erklärung ist, dass die Elemente an den Enden jeweils in die subjektive Einschätzung der Streckenlängen mit einbezogen werden, so verlängern die nach außen gerichteten Pfeilspitzen die zwischen ihnen liegende Strecke. Bei der längeren Strecke sind zur Abtastung mehr Augenbewegungen nötig.

Wahrnehmungsstörungen und Halluzinationen

Wahrnehmungsstörungen und Halluzinationen Besonders das schizophrene Krankheitsbild geht oft auch mit Wahrnehmungsstörungen einher, die alle Sinne betreffen können. Die Patienten hören, fühlen, sehen, riechen oder schmecken Dinge, die andere nicht wahrnehmen. Man nennt dies auch Sinnestäuschungen oder Halluzinationen. So hören die Betroffenen z. B. Stimmen von tatsächlich nicht anwesenden Personen, die sich über sie unterhalten, ihnen Befehle geben oder ihr Tun mit Bemerkungen kommentieren oder die drohen, schimpfen, rufen oder flüstern. Es kommen auch reine Geräuschhalluzinationen vor, wobei die Patienten Töne und Geräusche hören, wie z. B. ein Klopfen, Donnern, Summen oder Pfeifen. Geruchs- oder Geschmackshalluzinationen können sich z. B. darin äußern, daß die Patienten meinen, sie würden unangenehme Düfte riechen oder alles, was sie essen, würde z. B. nach Seife oder Essig schmecken. Oft gehen diese Halluzinationen mit der Angst einher, vergiftet zu werden. Die Halluzinationen können für Patienten absolut realistisch sein, und sie fühlen sich sogar mißverstanden, wenn Ärztin/Arzt oder Angehörige darauf hinweisen, daß das, was sie erleben, nicht in Wirklichkeit vorhanden ist. Dies ist ganz typisch für die Krankheit, und wenn es den Kranken wieder besser geht, können sie erkennen, daß sich diese Erlebnisse nur „in ihnen selbst“ abgespielt haben. Bei akustischen Halluzinationen werden die selben zusammenarbeitenden Hirngebiete aktiviert wie bei der normalen Sprachproduktion und Verarbeitung von gehörter Sprache oder auch stummen Selbstgesprächen. Eine Spekulation ist, dass den Halluzinationen eine verminderte Wahrnehmung dafür zu Grunde liegt, dass ein inneres Selbstgespräch geführt wurde. Halluzinationen könnten also Folge einer abnorm verminderten Funktion der Überwachung für selbst erzeugte innere Vorgänge (self- monitoring) sein. Andere gehen sogar von einem epileptischen Herd in der Hörrinde aus, der willentlich nicht kontrolliert werden kann. Der nicht der Kontrolle unterliegende Vorgang erzeugt so oder so den Eindruck einer äußeren Realität an Stelle der real vorhandenen inneren Realität. Möglicherweise spielen ähnliche Phänomene bei Träumen eine Rolle. Jedenfalls scheinen Verbindungen zwischen verschiedenen Hirnregionen während der Halluzinationen hier in ihrer Funktion beeinträchtigt zu sein. Siehe auch: Shergill SS, Arch. Gen Psychiatry; 57;2000; 1033 ff

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur