Kennedy Disease (Spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy, SBMA)

Bulbäre und spinale Muskelatrophie, spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy, bzw. Kennedy Krankheit, oder spinobulbäre X-chromosomale Muskelatrophie. Die spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy wurde 1968 erstmals von Kennedy et al. beschrieben [Neurology 1968; 18: 671–680] deren zugrundeliegender genetischer Defekt wurde 1991 von LaSpada et al. beschrieben [Nature 1991; 352: 77–79 ]. Es handelt sich um eine X-chromosomal rezessive Erkrankung. Entsprechend sind überwiegend Männer betroffen. Heterozygote Frauen sind symptomfrei, homozygote Frauen haben meist milde Symptome ohne endokrine Symptome und einen sehr gutartigen Verlauf. Die Prävalenz wird mit 1-9 / 100 000 angegeben, in Finnland tritt die Erkrankung häufiger auf. Diese spinobulbomuskuläre Atrophie ist eine langsam progrediente erbliche neurodegenerative Erkrankung der Motoneurone, bei der sich frühzeitig Faszikulationen zeigen. Ebenso wie bei der ALS sind die Vorderhornzellen betroffen. Die Faszikulationen (besonders der Gesichtsmuskeln) gehen typischerweise den anderen Symptomen voraus und entstehen durch eine axonale Übererregbarkeit. Die genetische Grundlage der Erkrankung bilden Triplet (>38 CAG) Wiederholungen am Androgenrezeptorgen auf dem X Chromosom. Je länger die CAG- Wiederholungen um so früher beginnt die Erkrankung, wobei der Verlauf wohl weniger von der Anzahl der CAG- Wiederholungen abhängt. Es gibt auch asymptomatische Träger der Mutation, und Berichte nach denen die CAG- Wiederholungen nicht den Erkrankungbeginn anzeigen,

Symptome und Verlauf: Viele der Patienten entwickeln schon als Teenager eine Gynäkomastie (weiblich aussehende Brust bei Männern) die das häufigste Frühsymptom ist. Erektionsprobleme und Hodenatrophie sowie verminderte Fruchtbarkeit bzw. Zeugungsfähigkeit sind ebenfalls gehäuft. Auch ein Diabetes soll gehäuft auftreten. Vermehrter Speichelfluss und vermehrtes Schwitzen kommen vor. Muskelschmerzen und Muskelkrämpfe und eine vorzeitige muskuläre Erschöpfung bei körperlicher Anstrengung (manchmal auch bei geistiger Anstrengung) sind ebenfalls Frühsymptome. Die Faszikulationen können über viele Jahre vorhanden sein, ohne dass sich eine Schwäche ausbildet. Ein Haltetremor und manchmal auch ein Aktionstremor der Hände ist oft noch ein Frühzeichen und tritt im Durchschnitt mit 33 Jahren auf. Bei vielen Patienten ist auch das Vibrationsempfinden vermindert und/oder es liegt eine distal symmetrische Hypästhäsie der Beine vor. Die Muskelschwäche zeigt sich zuerst in den Beinen meist etwa 10 Jahre später, im Verlauf der nächsten Jahre müssen viele der Patienten sich dann beim Treppensteigen am Geländer hochziehen. Durchschnittlich mit 50 Jahren treten Schluckstörungen (Dysphagie) und Sprechstörungen (Dysarthrie) auf, mit durchschnittlich 59 Jahren benötigen die Patienten einen Stock, mit 61 Jahren im Durchschnitt einen Rollstuhl. Insgesamt ist die Lebenserwartung ist nur wenig beeinträchtigt, auch im Langzeitverlauf sind die neurologischen Behinderungen mäßig. Trotz Fibrillationen, Faszikulationen und Atrophie der Zunge ist Sprechen und Schlucken oft wenig beeinträchtigt. Trotz bulbärer Symptome wird nur sehr selten eine Magensonde oder Beatmung benötigt, viele der Patienten bleiben auch viele Jahre nach Diagnosestellung gehfähig. Durch Training lassen sich die Muskelatrophien leider nicht wesentlich bessern. Häufigste Todesursache sind Lungenentzündungen.

Labor: Die Creatinkinase (CK) ist häufig erhöht, Testosteron oder Progesteron sind erhöht, die Fertilität ist vermindert. Muskelbiopsien zeigen eine überwiegend neurogene Atrophie. Sensible Nerven sind oft bei Messung der Nervenleitgeschwindigkeiten nicht ableitbar, die Amplituden der Motorischen Nervenantwortpotenziale sind oft vermindert. Im SSEP zeigen sich oft fehlende kortikal ableitbare Latenzen oder verminderte Amplituden. Die Muskeleigenreflexe sind abgeschwächt.

Differenzialdiagnose: Die klinischen Symptome überlappen sich mit anderen Neuromuskulären Erkrankungen wie der ALS oder spinalen Muskelatrophien und hereditären Neuronopathien. Besonders in den frühen Krankheitsstadien ist nur mit genetischen Untersuchungen eine sichere Unterscheidung möglich.

 

Quellen / Literatur:

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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur