Behinderung

(engl. disablement). Behindert sind Personen, die wegen körperlicher oder psychischer Einschränkungen nicht alle die Aktivitäten ausüben können, die für Menschen gleichen Alters und Geschlechts selbstverständlich sind. Ursache dafür (Schädigung) können angeborene Störungen sein, Folgen von Krankheit und Alter oder Unfall- bzw. Verletzungsfolgen. Die dadurch bedingten Einschränkungen haben vor allem auch Auswirkungen auf Selbständigkeit, Bildungsfähigkeit und Berufsfähigkeit der Person. Die Kausalität der Behinderung geht also von der Schädigung (engl. impairment) über die Einschränkung der Fähigkeiten (engl. disability) zur Beeinträchtigung (engl. handicap).. Gesetzlich: Anhang SGB IX § 1 SGB IX – Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder Rechnung getragen. § 2 SGB IX – Behinderung (1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist. (2) Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Links: Lexikon der Erwachsenenbildung unter besonderer Berücksichtigung von geistiger Behinderung bidok: behindertenintegration – dokumentation volltextbibliothek Syndrome

Bezugsebenen, auf denen die Auswirkungen einer Behinderung zu messen sind (Dimensions of Disability)

Bezugsebene Charakterisierung Behinderung
Zellen/Gewebe Pathophysiologie Struktureller Defekt oder Störung physiologischer Prozesse
Organ/Organsystem Funktionsbeeinträchtigung (Impairment) Verlust oder Abnormalität einer Körperstruktur oder Funktion
Person Funktionelle Einschränkungen/ Möglichkeiten (Functional Limitation/ Activity) Einschränkung der Fähigkeit Aktivitäten durchzuführen
Soziale Funktion Behinderung/Teilnahme (Disability/Participation) Unfähigkeit, typische soziale Rollen und Funktionen zu übernehmen
Reaktionen der Umwelt Einschränkung durch die Gesellschaft (Societal Limitation/ Context Factors) Grenzen der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben durch physische, psychologische oder politische Hürden
Deutsches ÄrzteblattJg. 98Heft 50, 14. Dezember 2001

Vor- und Nachteile eines Schwerbehindertenausweises

Vorteile
Nachteile
bei bestehendem Arbeitsplatz
bei Suche eines Arbeitsplatzes:
— Probleme mit Arbeitgebern, Vorurteil der verminderten Belastbarkeit
— Kündigungsschutz
— Steuervorteile
bei bestehendem Arbeitsplatz:
— Kündigungsschutz wird oft »umgangen«
— Zusatzurlaub

Einen Antrag für einen Schwerbehindertenausweis stellt man beim zuständigen Versorgungsamt und oft auch beim Ordnungsamt.. Dazu reicht ein formloses Schreiben aus. Man kann dem Schreiben eine ärztliche Bescheinigung über die Art der Behinderung beizulegen und mit dem Arzt zuvor die Beantragung des Ausweises zu besprechen. Nach Eingang des Schreiben sendet Ihnen das Versorgungsamt den amtlichen Antragsvordruck zu, den Sie ausgefüllt zurücksenden müssen. Das Versorgungsamt setzt sich dann mit den behandelnden Ärzten in Verbindung und fordert ergänzende ärztliche Unterlagen an. Grundlage für die Entscheidung „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ 1996. Nach – allerdings nicht weiter begründeter – Auffassung des BFH sind die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ bloße Empfehlungen, die selbst für die Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz keine Bindungswirkung haben..“ Bereits die Formulierung „Anhaltspunkte“ macht deutlich, dass es sich nicht um zwingende Vorschriften, sondern um bloße Empfehlungen handelt, die selbst für die Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz keine Bindungswirkung haben. (VIII R 62/99 BFH – Urteil vom 16. April 2002) Sind Sie bei einem ablehnenden oder ungünstigen Bescheid der Meinung, dass Ihnen ein höherer Grad der Behinderung oder bestimmte Merkzeichen zustehen, so können Sie gegen den Bescheid innerhalb eines bestimmten Zeitraums (in der Regel ein Monat) Widerspruch beim Versorgungsamt einlegen. Dazu genügt ein formloses Schreiben. Wurde der Bescheid des Versorgungsamtes auch nach Ihrem Widerspruch wiederum nicht revidiert, bleibt Ihnen die Möglichkeit auf dem Klagewege den Bescheid anzufechten. Dies geschieht durch Einreichen einer Klage beim zuständigen Sozialgericht. Gute Rechtliche Hinweise liefert eine Schrift bzw. ein PC- Programm des VDK, allerdings kostenpflichtig unter http://www.anhaltspunkte.de/index.htm Anhaltspunkte.subnet.dk/ Unter Informationen Versorgungs- und Schwerbehindertenrecht http://www.uwendler.de/vsb/ findet sich eine Vielzahl nützlicher Infos. Siehe auch vdk./nordrhein-westfalen/ VdK Pflegegutachter Pflegegutachter Jobs-für-Schwerbehinderte.de Anhaltspunkte.vsbinfo.de/

Im Falle der Bewerbung um einen Arbeitsplatz kann das Verschweigen einer Behinderung – auch wenn sie nicht amtlich festgestellt ist – die Anfechtung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber wegen „arglistiger Täuschung“ zur Folge haben. Mit einer solchen Konsequenz ist jedenfalls dann zu rechnen, wenn der Behinderte wusste oder wissen musste, dass sich seine Behinderung auf dem angestrebten Arbeitsplatz nachteilig auswirken wird. GdB Tabellen finden Sie sonst bei einem Teil der jeweiligen Krankheitsbilder, meist am Ende der Darstellung. Ob eine Person einen GdB von 50 aufweist und somit schwerbehindert ist, steht mit der Frage, ob bei ihr nach dem SGB VI aF Erwerbsunfähigkeit oder nach dem SGB VI nF volle Erwerbsminderung besteht, in keinerlei Wechselwirkung, weil die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen völlig unterschiedlich sind. BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 SB 5/01 B. Viele Betroffene wundern sich, warum die einzelnen GdBs nicht zusammengezählt werden. Bei Funktionsstörungen mit Einzel-GdB-Graden von 30, 20, 20 und mehreren 10er-Graden kann die sorgsame, konkret auf den Einzelfall bezogene Bewertung durchaus dazu führen, einen Gesamt-GdB von 50 zu rechtfertigen. Letztlich entscheidend ist aber, ob der Zustand des Betroffenen mit dem Bild eines Schwerbehinderten zu vergleichen ist, für den die AHP (exemplarisch) einen GdB von 50 vorsehen. L 10 Vs 107/97 LSG NW – Urteil vom 25. Februar 1998

Die Merkzeichen auf dem Schwerbehindertenausweis haben folgende Bedeutung: Genaueres unter http://www.lvf.bayern.de/schwbg/br-schwbg.html#werist

B Ständige Begleitung des behinderten Menschen bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist notwendig Sofern eine ständige Begleitung von schwerbehinderten Menschen bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmittel erforderlich und dies im Ausweis eingetragen ist (Merkzeichen B), wird auch die Begleitperson des schwerbehinderten Menschen unentgeltlich befördert. Nicht möglich ist dagegen die gegenseitige Begleitung von schwerbehinderten Menschen, deren Ausweise das Merkzeichen B tragen. Die notwendige Begleitperson wird auch dann unentgeltlich befördert, wenn der schwerbehinderte Mensch keine Wertmarke beantragt hat und deshalb selbst nicht freifahrtberechtigt ist. Gemäß § 146 Abs 2 SGB IX ist ständige Begleitung bei schwerbehinderten Menschen notwendig, die bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel infolge ihrer Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Dementsprechend ist zunächst zu prüfen, ob bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig fremde Hilfe beim Ein- oder Aussteigen oder während der Fahrt des Verkehrsmittels notwendig ist oder bereit sein muss (vgl Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit <...> nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) 1996 Nr 32 Abs 2 Satz 2). Das Merkzeichen „B“ ist zu gewähren bei Querschnittsgelähmten, Ohnhändern und Blinden. Zwar sind diese Behinderungen keine Regelbeispiele dafür, welches Ausmaß Behinderungen haben müssen, damit der Nachteilsausgleich anerkannt wird. Der Schweregrad der Behinderung muss aber in seinen funktionellen Auswirkungen auf die Sicherheit des Behinderten und Dritter in die Richtung der in den AHP genannten Personenkreise weisen. Nur gelegentlich auftretende Funktionseinschränkungen sind weit von einem solchen Ausmaß entfernt. L 18 SB 29/01 Bayerisches LSG – Urteil vom 05. Juni 2002
Bl Der behinderte Mensch ist blind
G Der behinderte Mensch ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt bzw. erheblich gehbehindert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein – d.h. altersunabhängig von Nichtbehinderten – noch zu Fuß zurückgelegt werden. Nach der Rechtsprechung gilt als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird. Entscheidend soll eine Wegstrecke von 2 km ebenerdig unter normalen Witterungsbedingungen sein. Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit (Nummer 26.3, Seite 55(Anhaltspunkte) zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten. Bei geistig Behinderten sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die Behinderten sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB um 100 immer und mit einem GdB um 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht. Eine Störung der Orientierungsfähigkeit kann den Nachteilsausgleich „G“ auch dann begründen, wenn eine wesentliche Einschränkung der Gehfähigkeit nicht vorliegt. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Behinderte in einer ihm vertrauten Umgebung (Wohnort) zurechtfindet, da nicht auf die Verhältnisse am Wohnort des Behinderten abgestellt wird. Bei einem Schwerbehinderten mit psychischen und neurologischen Behinderungen kommt der Nachteilsausgleich „G“ erst ab einem GdB von 70 in Betracht, weil erst bei dieser Höhe des GdB ein Vergleich mit epileptischen Anfällen mittlerer Häufigkeit gegeben ist Bei behinderten Menschen, bei denen ein GdB von mindestens 80 oder von mindestens 70 und eine Geh- und Stehbehinderung (Merkzeichen G) vorliegt, können auch Kraftfahrzeugkosten für Privatfahrten in angemessenem Rahmen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG neben dem Pauschbetrag berücksichtigt werden. Wird der Eintritt einer Schwerbehinderung und einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen „G“) erst „verspätet“ rückwirkend festgestellt, stehen dem Antragsteller wegen der Unmöglichkeit, rückwirkend für denselben Zeitraum noch unentgeltliche Personenbeförderung nach § 59 SchwbG in Anspruch zu nehmen, keine Ausgleichsansprüche in Geld zu. B 9 SB 3/01 R BSG – Urteil vom 07. November 2001 Für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs „G“ (erhebliche Gehbehinderung) sind Gehstreckentests nicht geeignet. LSG B-BR – L 13 SB 44/04 – Urteil vom 14.12.2004 Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs „G“ (erhebliche Gehbehinderung) sind bei Gesundheitsstörungen der unteren Gliedmaßen, die mit einem GdB von 30 bewertet sind, nicht erfüllt. Gibt ein Sachverständiger an, eine im Ortsverkehr üblicherweise zurückzulegende Wegstrecke von zwei Kilometer in 30 Gehminuten könne nicht bewältigt werden, beurteilt er aber die sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 30, so ist sein Gutachten nicht schlüssig LSG Saarland – L 5 SB 18/03 – Urteil vom 05.10.2004
aG Der behinderte Mensch ist außergewöhnlich gehbehindert. Schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung (Merkzeichen aG) und Blinden (Merkzeichen Bl) können Parkerleichterungen dadurch gewährt werden, dass sie durch Ausnahmegenehmigungen von bestimmten Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung befreit werden. Zur Feststellung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs „aG“ ist bei nicht beinamputierten Behinderten der Vergleich mit den Personen zu ziehen, die nach der Verwaltungsvorschrift zu § 46 StVO als außergewöhnlich gehbehindert genannt sind. Bei einem Vergleich mit Doppelunterschenkelamputierten, ist nicht der prothetisch gut versorgte Behinderte Vergleichsmaßstab, sondern der Doppelunterschenkelamputierte, der prothetisch nicht oder unzureichend versorgt ist. Wenn das BSG die Zuerkennung des Merkmals „aG“ nicht von der Möglichkeit der prothetischen Versorgung abhängig macht und folglich auch ein prothetisch gut versorgter Doppelunterschenkelamputierter das Merkzeichen „aG“ erhält, so ist bei einem Vergleich von anderen – nicht beinamputierten – Gehbehinderten mit Doppelunterschenkelamputierten doch zu beachten, dass das BSG in seiner Entscheidung vom 17.12.1997 die Zugehörigkeit der Doppelunterschenkelamputierten zum genannten Personenkreis mit den häufig auftretenden Stumpfbeschwerden begründet; wegen der damit verbundenen Prothesenunverträglichkeit sind Doppelunterschenkelamputierten dann in der Fortbewegungsfähigkeit aufs Schwerste behindert. Daraus folgt, dass andere als durch Amputationen die gehbehinderte Personen nur dann mit dem Personenkreis nach der Verwaltungsvorschrift zu § 46 StVO – insbesondere auch mit Doppelunterschenkelamputierten – vergleichbar sind, wenn sie so stark gehbehindert sind wie prothetisch nicht oder unzureichend versorgte Beinamputierte. LSG NW, Urteil vom 12. März 2002 – L 6 SB 120/01. Zu den Querschnittsgelähmten, denen der Nachteilsausgleich „aG“ zusteht, zählen nur Behinderte mit einer kompletten Querschnittslähmung. Das Gehen mit einem Rollator ist rechtlich nicht der Fortbewegung mit fremder Hilfe gleichzustellen. Unter „fremder Hilfe“ ist die Hilfeleistung durch eine weitere Person zu verstehen. LSG B-W – L 6 SB 122/04 – Urteil vom 23.09.2004 Die für „aG“ geforderte große körperliche Anstrengung ist gegeben, wenn der behinderte Mensch bereits nach 30 Metern eine Pause deshalb machen muss, weil er bereits nach dieser kurzen Wegstrecke erschöpft ist und neue Kräfte sammeln muss. Wenn das Ein- und Aussteigen behinderungsbedingt die Möglichkeit erfordert, die Autotür möglichst weit zu öffnen, handelt es sich um eine Schwierigkeit bei der Benutzung des gewöhnlichen Parkraums, die nicht dem Schutzbereich der durch das Merkzeichen „aG“ auszugleichenden Behinderung unterfällt. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs durch Berücksichtigung eines berufsbedingten Bedürfnisses nach einem nahegelegenen Parkplatz scheidet aus. Dies kann auch nicht aus der Tatsache, dass das SGB IX verstärkt auf die Teilhabe am Arbeitsleben abstellt, hergeleitet werden. LSG Berlin – L 13 SB 9/03 – Urteil vom 18.05.2004 Bei der Frage, ob ein behinderter Mensch außergewöhnlich gehbehindert (Nachteilsausgleich aG) ist, kommt es nicht immer darauf an, welche Restgehstrecke ihm tatsächlich verblieben ist. Wenn der behinderte Mensch nämlich nicht so stark beeinträchtigt ist, dass ihm schon auf den ersten Metern eine Fortbewegung nur mit großer körperlicher Anstrengung möglich ist, scheidet die Feststellung der Nachteilsausgleichs aus. Bay. LSG – L 18 SB 45/04 – Urteil vom 05.10.2004 Die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich „aG“ sind erfüllt, wenn der behinderte Mensch an ausgeprägten Lähmungen im Bereich eines Beines leidet, die einem Unterschenkelverlust vergleichbar sind, und wenn gleichzeitig eine Lähmung eines Armes mit der Folge besteht, dass mittels einer Gehhilfe der Funktionsverlust des Beines zumindest teilweise nicht kompensiert werden kann. SG Bayreuth – S 4 SB 469/01 – Urteil vom 13.10.2005 Treten nach einer Wegstrecke von nur 20 m massive Schmerzen auf und ist die Wegstrecke wegen Luftnot auf 100 m beschränkt, begründet diese Einschränkung der Gehfähigkeit einen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs „aG“; denn das damit erforderlich werdende Pausieren zwischen parkenden Fahrzeugen bzw. im allgemeinen Kraftfahrzeugverkehr auf einem Parkplatz ist einem multimorbiden Betroffenen unzumutbar LSG NS-B – L 5 SB 173/04 – Urteil vom 14.12.2005 Schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung können sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihrer Kraftfahrzeuges bewegen. Zu diesem Kreis gehören Demenzerkrankte, die weglaufen und orientierungslos umherirren nicht; denn die die körperliche Gehfähigkeit, auf die abzustellen ist, ist nicht eingeschränkt. Als „Ausgleich“ ist der Nachteilsausgleich „B“ (Notwendigkeit ständiger Begleitung) vorgesehen. SG Duisburg – S 24 SB 94/04 – Urteil vom 16.11.2004 Einem an Demenz erkranktem Menschen, der wegen der Beeinträchtigung seines Orientierungsvermögens und seines unkontrollierbaren Bewegungsdranges der Führung durch eine Begleitperson bedarf, steht der Nachteilsausgleich „aG“ allein deswegen nicht nicht zu. Hinzukommen muss vielmehr eine so starke Selbstgefährdung oder Gefährdung Dritter, dass eine verantwortungsbewusste Begleitperson ihn im innerstädtischen Fußgängerverkehr nicht mehr führen, sondern regelmäßig nur noch im Rollstuhl befördern würde.LSG NRW – L 7 SB 176/04 – Urteil vom 25.08.2005 Begründen die festgestellten Funktionseinschränkungen für sich nicht das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung, sondern verursacht erst das Hinzutreten einer Adipositas per magna die Geheinschränkung, sind die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich „aG“ nicht erfüllt. Das Gehen mit einem Rollator ist rechtlich der Fortbewegung mit fremder Hilfe nicht gleichzustellen LSG Rh-Pfalz – L 4 SB 54/05 – Urteil vom 19.07.2005 Nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften kommt es nicht darauf an, welche Wegstrecke ein Schwerbehinderter außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewältigen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung – praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an – erfüllt, qualifiziert sich für den Nachteilsausgleich „aG“ auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt. BSG – B 9 SB 7/01 R – Urteil vom 10.12.2002
H Der behinderte Mensch ist hilflos. Voraussetzung für die Feststellung von Hilflosigkeit ist ein täglicher Zeitaufwand an Hilfeleistungen von mindestens zwei Stunden bei mindestens drei Verrichtungen. Hilflosigkeit kann darüber hinaus vorliegen, wenn für die Hilfeleistungen nur ein Zeitaufwand von ein bis zwei Stunden erforderlich, aber den Hilfeleistungen ein besonderer wirtschaftlicher Wert zuzumessen ist.
RF Der Behinderte erfüllt die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht und die Nachteilsausgleiche bei den Telefongebühren. ,Blinde, Nicht nur vorübergehend wesentlich Sehbehinderte mit einem GdB von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung, Hörgeschädigte, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist, behinderte Menschen mit einem GdB von wenigstens 80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Trotz schwerer Bewegungsstörung und Unfallgefährdung infolge verringerter Knochendichte kann ein behinderter Mensch – im vorliegenden Einzelfall – in zumutbarer Weise mit seinem Rollstuhl und einer Begleitperson einen großen Teil öffentlicher Veranstaltungen besuchen (Nachteilsausgleich „RF“), auch wenn er Veranstaltungen mit großen Menschenansammlungen meiden muss. Zu berücksichtigen ist bei der Beurteilung auch, dass im allgemeinen auf einen Rollstuhlfahrer in der Öffentlichkeit mehr Rücksicht genommen wird als auf einen Menschen, der nicht offensichtlich schwer behindert ist. LSG Rh-Pfalz – L 4 VS 6/04 – Urteil vom 28.06.2005 Eine rechtsseitige Hemiparese, die lediglich ein ein- bis zweimaliges Erheben aus dem Sitzen und wieder Hinsetzen sowie ein kurzzeitiges nicht freihändiges Stehen zulässt und die Benutzung eines – selber nicht zu handhabenden – Rollstuhls erfordert, rechtfertigt auch in Verbindung mit ausgeprägten Sprachstörungen, die sowohl die Sprachproduktion als auch das Sprachverständnis betreffen und somit die Kommunikationsfähigkeit deutlich reduzieren, nicht die Feststellung, dass der Betroffene, an der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen ständig gehindert ist (Nachteilsausgleich RF).LSG NRW – L 10 SB 17/03 – Urteil vom 17.11.2004 Auch wenn der Betroffene Flatulenzen auf der psychischen Ebene sehr negativ erlebt und sich subjektiv gehindert fühlt, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen (Merkzeichen „RF“), führt dies nicht dazu, dass er ständig an seine Wohnung gebunden ist. Es liegen keine vergleichbaren Verhältnisse mit einem unzureichend schließenden Anus praeter vor, weil Blähungen nur eine temporäre Geruchsbelästigung verursachen, während ein unzureichend verschließbarer Anus praeter zu einer dauerhaften Geruchsbelästigung führt.LSG NRW – L 7 SB 133/02 – Urteil vom 05.02.2004
Gl Der behinderte Mensch ist gehörlos
VB Anspruch auf Versorgung nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes
EB Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 50%, Entschädigung nach § 28 des Bundesentschädigungsgesetzes

Wie lange das Merkmal RF noch bestehen bleibt ist ungewiss. Zitat aus einem Urteil: BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 28.6.2000, B 9 SB 2/00 R Ungeachtet der Zugehörigkeit auch psychisch Behinderter zum Kreis der Berechtigten hält der Senat an seiner Auffassung fest, dass ein durch Gebührenbefreiung ausgleichbarer Mehraufwand behinderter Rundfunk- und Fernsehteilnehmer kaum je entstehen dürfte, weil die deutsche Bevölkerung unabhängig von Behinderungen nahezu vollständig Rundfunk hört und fernsieht (vgl zur Frage, ob das Merkzeichen „RF“ den gewandelten gesellschaftlichen Bedingungen noch entspricht BSG SozR 3-3870 § 48 Nr 2 und Urteil des Senats vom 16. März 1994 – 9 RVs 3/93 – unveröffentlicht). Der Senat sieht deshalb in der Gebührenbefreiung für Behinderte einen Verstoß gegen den gebührenrechtlichen Grundsatz der verhältnismäßigen Gleichbehandlung aller Nutzer (vgl BVerfGE 50, 217, 227; BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 2; Vogel in Hdb des Staatsrechts, Bd IV, 1990 § 87 Nr 100; ebendort Kirchhof, § 88 RdNr 203). Die daraus folgende Konsequenz kann aber nur der Verordnungsgeber ziehen. Denn die Versorgungsverwaltung und die Sozialgerichte haben lediglich – allerdings mit verbindlicher Wirkung für die Rundfunkanstalten (vgl BVerwGE 66, 315 ff) – über ein gesundheitliches Merkmal des Befreiungstatbestandes der RGVO, nicht über die – möglicherweise gegen höherrangiges Recht verstoßende – Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zu entscheiden. Im übrigen eröffnet der Nachteilsausgleich RF auch den Zugang zu günstigeren Tarifen von – inzwischen durchweg privatrechtlich organisierten – Anbietern der Telekommunikation (vgl dazu BSG SozR 3870 § 3 Nr 13).

Hilfen für Behinderte für eine Barrierefreies Leben im eigenen Haus : Online-Wohn-Beratung.de/ Reha-anbieterverzeichnis.de/ Deutsche Gesellschaft für Gerontotechnik Barrierefrei leben Nullbarriere.de/ Bauordnungen.de/ Liste der Wohnberatungsstellen in Deutschland,

 

Quellen / Literatur:

Versorgungsmedizinische Grundsätze Grundsätze zur versorgungsmedizinischen Bewertung von Schädigungsfolgen, Grundsätze zur Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) sowie um Kriterien zur Ermittlung eines Gesamt-GdS, die Übernahme der „GdS/GdB-Tabelle“, Grundsätze für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 BVG, Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 BVG.

Rechtskommentar von Felix Welti zu § 2 SGB IX Behinderungsbegriff auf der Seite des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. Download der Anhaltspunkte für die Ärztliche Gutachtertätigkeit beim BMAS

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur