CADASIL

(Cerebrale autosomal dominante Arteriopathie mit subkortikalen Infarkten und Leukenzephalopathie) Diese dominant vererbte Erkrankung der kleinen Gefäße äußert sich mit rezidivierenden Schlaganfällen, auch Pseudobulbärparalyse und Multiinfarktdemenz. Frühzeitig soll es zu Störungen der exekutiven Funktionen kommen. 60–85% der Patienten haben Transiente ischaemische Attacken (TIA) und Schlaganfälle. Die Patienten sind meist jünger und haben im CT oder MRT eine deutliche Hirnatrophie, multiple subkortikale Infarkte und eine SAE, ohne dass die üblichen Risikofaktoren vorliegen. Manche werden durch eine Demenz auffällig. Viele jüngere Patienten haben eine Migräne mit Aura und die genannten CT-MRT-Veränderungen. Entsprechende Veränderungen im Kernspinbild bei jungen Migränepatienten sind auf das Krankheitsbild verdächtig. 20–40% der Patienten mit CADASIL haben eine Migräne mit Aura, was etwa 5x häufiger ist als in der Allgemeinbevölkerung. Die Häufigkeit der Migräne ohne Aura ist bei CADASIL nicht erhöht. Die meisten Patienten habe eine übliche visuelle Aura, 50% der Patienten haben zusätzlich atypische Attacken mit Basilaris-, hemiplegischer, oder verlängerter Aura, einige haben sehr schwere Attacken mit Verwirrtheit, Fieber, Meningitis und Koma. 20% der Patienten haben schwere depressive Episoden. 5–10% der Patienten haben sekundäre epileptische Anfälle.

Die genaue Häufigkeit des Syndroms ist nicht bekannt, es sind aber über 500 Familien mit CADASIL weltweit beschrieben. Eine kleine Studie ging für England von einer Prävalenz von 4/100 000 aus, wobei angesichts sporadischer Fälle, die Häufigkeit auch deutlich höher sein könnte. CADASIL soll für 2% der Fälle lacunärer Schlaganfälle mit Leucoaraiose bei Patienten unter 65 Jahren und für 11% der Fälle bei Patienten unter 50 Jahre verantwortlich sein. Die

In der Hautbiopsie lassen sich elektronenmikroskopisch typische Veränderungen finden. Das Gen für diese autosomal dominante Krankheit ist identifiziert und wird auf einen Genort auf Chromosom 19 bezogen. Es ist eine Mutation im NOTCH3. Diese Gen encodiert einen Transmembranrezeptor aus 2321 Aminosäuren mit einer extrazellulären Oberfläche, die 34 epidermale Wachstumsfaktor Repeats (EGFR) enthält. Bei entsprechendem klinischem Syndrom und entsprechenden Kernspinveränderungen ist eine genetische Testung möglich. Hierdurch kann die Diagnose gesichert werden.

Es gibt vier wesentliche klinische Manifestationen, die meist nacheinander auftreten. Zunächst Migräne mit oder ohne Aura, Schlaganfälle und schlaganfallähnliche Episoden, psychiatrische Auffälligkeiten und am Ende eine Demenz. Bei den meisten Patienten finden sich keine klassischen vaskulären Risikofaktoren. Im dritten Lebensjahrzehnt haben die Betroffenen meist stumme lakunäre Infarkte oder im Kernspin sichtbare Veränderungen der weißen Substanz. Die Krankheit verläuft entweder chronisch-progredient oder verschlechtert sich attackenförmig. Meist liegt der Beginn der Symptome in dem Lebenszeitabschnitt zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr. In den folgenden 20 Jahren kommt es zur Demenz, psychiatrischen Störungen, kognitive Beeinträchtigungen sind bei ca. 60% der CADASIL Patienten, und psychiatrische Störungen bei fast 30% vorhanden. 3/4 der Patienten mit einer Demenz sind bereits über 60 Jahre alt. Die häufigsten kognitiven Beeinträchtigungen zu Beginn sind leichte exekutive und visuoräumliche Defizite, psychomotorische Verlangsamung und Apathie. Allmählich treten auch Defizite des Arbeitsgedächtnisses, des Kurzzeitgedächtnisses schleichend auf. Im späten Verlauf kann es zu einer Abulie und anderen schweren exekutiven Dysfunktionen kommen. Die durchschnittliche Dauer vom Symptombeginn bis zum Tod beträgt 14 Jahre. Zum Zeitpunkt des Todes besteht meist eine ausgeprägte Pseudobulbärparalyse und eine subkortikale Demenz. Die Kernspintomographie zeigt eine diffuse Leukenzephalopathie mit subkortikalen Infarkten in den Basalganglien und in der weißen Substanz des Marklagers. Die neuropathologischen Veränderungen erinnern sehr an die Veränderungen wie sie auch bei der Binswanger’schen Erkrankung gesehen werden. Die Diagnose wird sehr erleichtert, seitdem auch ähnliche Gefäßveränderungen bei Hautbiopsien gefunden wurden. Obwohl der Genlokus bekannt ist, ist die genau Pathogenese der Erkrankung weiter ungeklärt.

Diagnostischen Kriterien für CADASIL sind

1. Alter bei Beginn < 50 Jahre,

2. mindestens zwei der folgenden klinischen Auffälligkeiten:
– schlaganfallähnliche Episoden mit permanenten neurologischen Ausfällen,
– Migräne,
– psychiatrische Auffälligkeiten,
– Demenz.
Weitere Kriterien sind das Fehlen vaskulärer Risikofaktoren, der Nachweis eines autosomal dominanten Erbgangs und die typischen kernspintomographischen Veränderungen.

Eine gesicherte Therapie existiert im Moment nicht. Die Behandlung erfolgt symptomatisch. Angesichts der Seltenheit und des sehr unterschiedlichen Verlaufs, wird es sicherlich länger dauern, bis gesicherte Erkenntnisse zur Therapie vorliegen. ASS zur Schlaganfallprophylaxe, übliche Migränebehandlung, Antidepressiva, Krankengymnastik, Rehabilitationsbehandlungen sind je nach Symptomatik indiziert. Von Marcumar wird bei erhöhtem Blutungsrisiko abgeraten. Donezepil hat in einer Multicenterstudie keine sichere Wirkung gezeigt.

 

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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur