Chronifizierung

chronos griechisch die Zeit impliziert, dass allein die Dauer einer Erkrankung oder einer psychischen Störung deren Chronifizierung bestimmt. Wenn akute oder vorübergehende Erkrankungen zu einem dauerhaften Zustand führen spricht man von einer Chronifizierung. Nach der WHO spricht man von einer chronischen Erkrankung wenn eines oder mehrere der folgenden Merkmale vorhanden sind: 1.) Es handelt sich um dauerhafte Erkrankungen, 2.) sie hinterlassen eine anhaltende Behinderung, 3.) sie verursachen eine nicht rückgängig zu machende krankhafte Veränderung, 4) sie sind verursacht von einer nicht rückgängig zu machende krankhafte Veränderung, 5.) sie erfordern ein spezielles Training des Patienten für die Rehabilitation oder Besserung, oder es ist zu erwarten, dass sie eine längere Zeit der Überwachung, und Beobachtung beim Patienten erfordern.

Viele Erkrankungen haben recht bald eine Tendenz zur Chronifizierung, Bluthochdruck, Arthrosen, Arteriosklerose, Schizophrenie, M. Parkinson, Demenz etc. sind oft von vorneherein chronische Erkrankungen. Die Ursachen einer Chronifizierung sind aber oft ganz verschieden von den Ursachen der akuten Erkrankung. Verspätete oder unzureichende Behandlung der akuten Erkrankung und der Krankheitsgewinn können eine Chronifizierung begünstigen. Welche Faktoren im Vordergrund stehen hängt von den Umständen und der Erkrankung ab. Chronifizierung ist nicht immer gleichbedeutend mit dem Verlust der Aussicht auf Heilung, auch hier kommt es auf die speziellen Umstände an. Manchmal chronifizieren Krankheiten auch, weil die ärztliche Diagnostik und Behandlung unzureichend waren. Überbetonung apparativer Befunde begünstigt beispielsweise die Chronifizierung von Rückenschmerzen, übereilte operative Eingriffe werden von Patienten oft falsch eingeordnet, falsche diagnostische Zuordnung begünstigt die Chronifizierung von Angststörungen…. Im Gegensatz zu akuten Erkrankungen ist bei chronischen Erkrankungen das Krankheitskonzept des Patienten von besonderer Bedeutung. Ärztliche Diagnosen haben oft erhebliche soziale Folgen, die Hoffnung auf Entschädigung kann, wenn sie unberechtigt ist, Patienten ins soziale Elend treiben. Nicht selten profitiert der Behandler von der Chronifizierung der Erkrankung, was sich unzweifelhaft auf den Behandlungsverlauf auswirkt. Das Gesundheitssystem fördert chronifizierende Behandler. Überanpassung an die Diagnose oder „Krankheit“ kann zum Ersatz-Lebensinhalt werden. Gut gemeinte aber falsche Aufforderungen zur Schonung können zur Zentrierung auf das Symptom führen. Das Defizit steht dann im Vordergrund der Lebensplanung und des Krankheitskonzeptes. Übertriebene Fürsorge kann ebenso eine Chronifizierung fördern wie ein Nichtakzeptanz des Leidens der Betroffenen.

Ein besonderes Problem stellen chronisch psychisch Kranke dar. In psychiatrischen Landeskrankenhäusern stellten sie früher einen nicht geringen Teil der Insassen. Im Ergebnis des „Bericht zur Lage der Psychiatrie“ der „Sachverständigenkommision Psychiatrie“ 1975 wurden psychiatrischen Großkrankenhäuser verkleinert, und wohnortnähere psychiatrische Abteilungen an Kreiskrankenhäusern geschaffen. Die Lage der Akutkranken hat sich im Ergebnis, überwiegend durch einen erheblich besseren Personalschlüssel und verbesserte Möglichkeiten der medikamentösen wie psychotherapeutischen Behandlung gut gebessert. Viele chronisch psychisch Kranke sind seit dem aber aufs Land verteilt in Heimen untergebracht worden. Deren Behandlung hat sich im Vergleich zum Aufenthalt in den psychiatrischen Landeskrankenhäusern oft eher verschlechtert. Gut dargestellt ist die Situation in einem Interview mit Klaus Dörner im
Caritas in NRW Ausgabe 5/2001

Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte e.V. Merkblatt Versicherungsschutz für Menschen mit Behinderung

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur