Gedächtnis

ist die mentale Fähigkeit Informationen zu speichern (enkodieren) und wieder abzurufen. Expliziter Gedächtnisgebrauch ist dabei die bewusste Anstrengung zur Widergewinnung von Information durch Gedächtnisprozesse im Gegensatz zum impliziten Gedächtnisgebrauch bei dem es um die Verfügbarkeit von Informationen und Gedächtnisfunktionen geht ohne dass eine bewusste Anstrengung erforderlich ist diese Informationen zu enkodieren oder wiederherzustellen. Enkodieren meint dabei den Prozess der eine mentale Repräsentation (der externen Welt) im Gedächtnis aufbaut. Man geht davon aus, dass ein menschliches Gehirn etwa 100 Billionen Informationsbausteine speichern kann. Speicherung meint das Behalten von enkodierter Information über eine Zeitspanne hinweg, Gehirnstrukturen werden dabei kurzfristig wie langfristig verändert. Abruf meint die Wiedergewinnung gespeicherter Information aus dem Gedächtnis. Der Abruf enkodierter Information gelingt leichter, wenn der Kontext des Hinweisreizes mit dem Kontext bei der ursprünglichen Erinnerung übereinstimmt. Z.B. können markante Gerüche entsprechende Hinweisreize sein. Beim erinnern von Serien werden die Items der ersten (primacy- Effekt) und letzten (recency- Effekt) Position am besten erinnert (Serieller Positionseffekt). Erinnerung, Merkfähigkeit und Gedächtnis sind fundamentale geistige Vorgänge, ohne Gedächtnis wären wir nur zu einfachen Reflexen und schematischem einfachstem Verhalten in der Lage. Lernen setzt Gedächtnis voraus. Ein Nachlassen des Gedächtnisses ist eines der wichtigsten Symptome einer Demenz. Störungen des Gedächtnisses führen deshalb zu elementaren Einschränkungen und sind deshalb auch von großem Interesse. Subjektive Einschränkungen des Gedächtnisses und der Merkfähigkeit entsprechen allerdings nicht unbedingt tatsächlichen Einschränkungen, so werden Defizite besonders von dementen Patienten oft nicht bemerkt, während depressive Menschen mit gutem Gedächtnis oft leichte Einschränkungen überbewerten. Merkfähigkeit und Gedächtnis sind synonym für Veränderungen des Verhaltens durch Erfahrung, Lernen ist wesentlich ein Prozess bei dem Erinnerungen erworben werden. Man unterscheidet verschiedene Arten des Gedächtnisses. Einige Teile des Gedächtnisses speichern Ereignisse und Fakten und sind direkt dem Bewusstsein zugänglich. Diesen Teil nennt man das deklarative Gedächtnis. Einen anderen Teil des Gedächtnisses nennt man das ‘‘prozedurale Gedächtnis,’’ dieser Teil ist nicht direkt dem Bewusstsein zugänglich. Dieser Teil ist dafür zuständig erworbene Fertigkeiten zu nutzen „Gedächtnis, wie Dinge getan werden“, „wissen wie“. Wir verbessern unsere Fertigkeiten durch Übung und führen sie damit dem prozeduralen Gedächtnis zu. Durch Wissenszusammenfügung wird es möglich Handlungszusammenhänge auszuführen, ohne dass das Bewusstsein eingreift, sie zu Automatisieren. Durch Training verbessern sich so unsere Fähigkeiten Auto zu fahren oder zu Schwimmen. Fertigkeiten, die ohne Nachdenken ausgeführt werden können (Anziehen, Zubinden der Schuhe, Anlegen der Krawatte). Ohne prozedurales Gedächtnis wäre das Leben extrem anstrengend. Das deklarative Gedächtnis. und das prozedurale Gedächtnis sind unabhängig von einander. Es gibt Menschen bei denen nur das deklarative Gedächtnis oder nur das prozedurale Gedächtnis beeinträchtigt ist. Aus letzterer Tatsache folgern Neurowissenschaftler, dass es für beide Arten des Gedächtnisses unterschiedliche biologische Grundlagen geben muss und dass beide Arten in unterschiedlichen Hirngebieten lokalisiert sein müssen. Das Großhirn und der Hippocampus sind für das deklarative Gedächtnis verantwortlich, das Kleinhirn für das prozedurale Gedächtnis. Das Striatum hat eine wichtige Funktion in der Gewohnheitsbildung, Störungen dort können auch zu Zwängen führen. Die Großhirnrinde ist verantwortlich für das sensorische Gedächtnis und für Assoziationen zwischen Sinneseindrücken. Man geht davon aus, dass die Informationsspeicher des Gehirns überwiegend an den Synapsen sitzen, dort wo Nervenzellen kommunizieren. Veränderungen an den Synapsen (synaptische Plastizität) werden als biologische Grundlage des Gedächtnisses angesehen. Der zugrunde liegende Mechanismus ist bisher nur zum Teil bekannt. Sensorisches Gedächtnis: momentane Aufrechterhaltung sensorischer Reize im Gedächtnis, inkonisches Gedächtnis Sensorisches Gedächtnis für den visuellen Bereich, speichert große Informationsmengen für kurze Zeit. Echoisches Gedächtnis Sensorisches Gedächtnis für den auditiven Bereich, speichert gehörte Information für kurze Zeit. Kurzzeitgedächtnis speichert nur für kurze Zeiträume kürzliche Erfahrungen und mit begrenzter Kapazität. Speicherung von Information über 30 – 60 Sekunden. Testung mittels sog. Spannenmaße: Einzelinformationen oder kurze Geschichten werden im Sekundentakt vorgesprochen oder gezeigt, unmittelbar im Anschluss daran Wiedergabe durch den Patienten. Nur durch Wiederholung oder Beimessung einer besonderen Bedeutung gelangen diese Informationen ins Langzeitgedächtnis. Das Arbeitsgedächtnis ist eine Gedächtnisressource für Aufgaben wie Schlussfolgern oder Spracherkennung und Sprachverständnis bestehend aus phonologischer Schleife, dem visuell räumlichen Notizblock und der zentralen Exekutive. Gleichzeitiges Behalten und Anwenden von Informationen. Testung mittels sog. „Satzspannen“: Der Patient liest mehrere Sätze und soll das letzte Wort jedes Satzes wiedergeben (Bei Störung „Verlieren des roten Fadens“). – Langzeitgedächtnis: Speicherung von Information über Minuten– Jahre. Testung: Vorlesen einer Geschichte oder Demonstration von Bildern; nach 24 – 48 Stunden Reproduktion des Gehörten bzw. Gesehenen. Lernen: Fähigkeit zur Aneignung neuer Informationen. – Prospektives Gedächtnis: Fähigkeit, sich an Dinge zu erinnern, die sich auf die Zukunft beziehen („Erinnern Sie mich morgen an dieses Thema!“) Das Episodische Gedächtnis ist das Langzeitgedächtnis für autobiographische Ereignisse und den Kontext in dem sie auftraten, Behalten von Dingen, die zur eigenen Person in Beziehung stehen („Was gab es heute zum Frühstück?“ „Was haben wir gestern gemacht?“). Das semantische Gedächtnis speichert generische kategoriale Gedächtnisinhalte, wie die Bedeutung von Wörtern, Formeln oder Konzepten ohne dass der spezifische Kontext erinnert werden muss. Universelles Wissen ohne unbedingten Bezug zur eigenen Person. Ein Chunk ist eine bedeutungsvolle Informationseinheit (wie Buchstabe, Wort oder Zahl). Chunking ist der Prozess um einzelne Items von Informationen auf der Basis von Ähnlichkeiten oder einem anderen Organisationsprinzip zu rekodieren. Werden Gedächtnisinhalte in Chunks unterteilt, können dadurch größere Informationsmengen ökonomisch erinnert werden. Interferenz ist ein Gedächtnisphänomen, das auftritt, wenn Hinweisreize auf mehr als einen Gedächtnisinhalt verweisen. Informationen werden umso wahrscheinlicher im Gedächtnis behalten um so tiefer sie verarbeitet werden. Als Engramm bezeichnet man die physikalische Gedächtnisspur einer Information im Gehirn. Unser Gedächtnis verändert Informationen mit der Zeit. Neue Informationen ändern die abgespeicherten Erinnerungen an. Spätere hinzugekommene Informationen verzerren also unsere Gedächtnisinhalte. Wenn kein genauer Gedächtnisinhalt abgerufen werden kann, rekonstruiert unser Gedächtnis oft Inhalte, die durch erworbene Schemata beeinflusst werden (siehe E. Loftus). Das phonologische Arbeitsgedächtnis gilt als eine der zentralen Determinanten des Schriftspracherwerbs. Theorien zum Erwerb der Lesefertigkeit in der Muttersprache gehen davon aus, dass am Anfang der Grundschulzeit (ggf. nach einer Phase logographischen Lesens) das sequentielle (synthetische) Lesen dominiert. Dabei werden Grapheme in Phoneme übersetzt und die Phoneme aneinandergereiht, was hohe Anforderungen an das Arbeitsgedächtnis stellt. Am Ende der Grundschulzeit steht das orthographische Lesen im Vordergrund, das auf dem direkten schnellen Erkennen von Buchstabenkombinationen oder ganzer Wörter beruht. Es lässt sich die Hypothese ableiten, dass das phonologische Arbeitsgedächtnis am Anfang der Grundschulzeit die Lesegeschwindigkeit deutlich beeinflussen sollte. Dieser Einfluss sollte mit wachsender Übung und Automatisierung verschwinden. Die Annahme wurde mithilfe verschiedener Aufgaben zum phonologischen Arbeitsgedächtnis geprüft: der verbalen Gedächtnisspanne und des Vergleichs zweier unmittelbar aufeinander folgend dargebotener Rhythmen im Sekundenbereich. Das Behaltensmaterial wurde jeweils entweder akustisch oder visuell (bildlich) dargeboten. Entsprechend den Vorhersagen zeigten sich für Erstklässler, nicht jedoch für Viertklässler signifikante Korrelationen der erhobenen Arbeitsgedächtnismaße zur Lesegeschwindigkeit (Würzburger Leise Lese Probe). Im Laufe des normalen Schriftspracherwerbs scheint sich die Lesegeschwindigkeit in den Grundschuljahren von der Arbeitsgedächtniskapazität unabhängig zu machen. Beim Abruf von gespeicherten Informationen aus dem Gedächtnis besteht die Tendenz, solche Informationen vorrangig zu erschließen, die mit der übergeordneten Kategorie kongruent sind. Andererseits sind bei bloßen Wiedererkennungsaufgaben nicht-kongruente Informationen den erwartungskongruenten Informationen überlegen, da sie eine tiefergehende Verarbeitung erfahren haben. Wissen wird zudem in den Kontexten reproduziert, in denen es erworben wurde. Der Erinnerungsprozess wird gestützt, wenn die Erinnerungsaufgabe die gleichen (z.B. emotionale) Bedingungen aufweist, die beim Lernen oder Aufnehmen bestanden. So kann es beispielsweise geschehen, dass man sich an einige positive Eigenschaften einer Person so lange nicht erinnert, bis man diese Person in einer ähnlichen Situation beobachtet, wie beim der ersten Wahrnehmung dieser positiven Eigenschaften. Gefühle beeinflussen unser Erinnerungsvermögen, depressive Menschen erinnern negative Ereignisse besser als positive bei Optimisten ist dies umgekehrt. Bestimmte Gefühle machen ebenso, wie z.B. bestimmte Gerüche die dazu gehörigen Erinnerungen wahrscheinlicher. Unser Gehirn entscheidet bei Erinnerungen bereits sehr früh ob diese der Realität oder der Phantasie entspringen. Bereits dann, wenn wir etwas erkennen, hat unser Gehirn entschieden, ob es sich (nach seiner Einschätzung) um eine reale Erinnerung handelt. siehe auch unter Amnesie,

 

Subjektive Gedächtnisprobleme bei 65-85- jährigen Nicht Dementen

allgemeine Gedächtnisprobleme 40%
verlegen Dinge 40%
Wortfindungsstörungen 39%
schreiben Zettel 38%
denken langsamer 23%
schätzen sich als vergesslich ein 14%
vergessen Namen von Verwandten und Freunden 13%
Konzentrationsprobleme 8%
verlaufen sich in der Nachbarschaft 4%
Nach Schmand B, 1996 N=4028  

 

Quellen / Literatur:

Siehe auch unter Amnesie, Fugue, Gedächtnisstörungen, Konfabulationen, Korsakoff-Syndrom, Demenz R. D. Seidler, A. Purushotham, S.-G. Kim, K. Ugurbil, D. Willingham, and J. Ashe, Cerebellum Activation Associated with Performance Change but Not Motor Learning, Science 296: 2043-2046.[Abstract] [Full text] [PDF] Zimbardo Psychologie 16. Auflage 2004.

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur