Hippocampus

Der Hippocampus ist Teil des mittleren Bogens des Limbischen Systems. Er sitzt im mittleren Temporallappen unterhalb der choroidalen Fissur und des Temporalhorns. In der sagittalen Ebene ist der Hippocampus eine wie eine Tasse geformte Struktur, in drei Teile eingeteilt, Kopf, Körper und Schweif. Der vordere Teil des Kopfes hat Einkerbungen und wird auch Fuß (pes) des Hippocampus genannt. Die graue Substanz des Hippocampus ist eine Erweiterung des Subiculum des parahippocampalen Gyrus. Der Hippocampus ist der Ort an dem die meisten Temporallappenepilepsien entstehen. Beim M. Alzheimer kommt es früh neben einer Rindenatrophie auch zu einer Atrophie des Hippocampus, die mit für die Gedächtnis und Merkfähigkeitsstörungen verantwortlich ist. Der Hippocampus ist der Organisator des bewusstseinsfähigen, deklarativen Gedächtnisses, und zwar zusammen mit der ihn umgebenden Rinde, die aus dem entorhinalen , perirhinalen und parahippocampalen Cortex (zusammen EPPC genannt) besteht. Der Hippocampus kann mit dem Schreiblesekopf eines Computers verglichen werden, er weist die Gedächtnisinhalte der entsprechenden Hirnrinde zu. Damit eine neue Information in den Hippocampus gelangt und dort gespeichert wird, ändert sich vorübergehend die Fähigkeit von Synapsen, neuronale Informationen weiterzuleiten. Der Neurotransmitter Dopamin setzt während des Lernens im Hippocampus die synaptische Plastizität in Gang, bestimmte, dopaminhaltige Rezeptoren (D1/D5) verstärken oder vermindern die synaptische Übertragung im Hippocampus. Sehr wahrscheinlich wird ein „Neuigkeitssignal“ im Gehirn in eine bestimmte Region geschickt, in das ventrales Tegmentum, wo sich die Zellkerne der dopaminhaltigen Neuronen befinden: Die Zellen werden dadurch aktiviert und setzen unter anderem auch im Hippocampus Dopamin frei, was die synaptische Plastizität und das Lernen verstärkt. Das dopaminerge System verändert damit via D1/D5 Rezeptoren Langzeitveränderungen der an der Synapse, diese Veränderung sind entscheidend für das Erlernen und Erinnern neuer Informationen The Journal of Neuroscience, July 19, 2006, 26(29):7723-7729; Der Hippocampus ist eine der komplexesten und vulnerabelsten Gehirnregionen. Seine genaue Funktion bezüglich des Gedächtnisses ist in Teilen strittig. Sicher ist, dass er für das episodische und kontexuale Gedächtnis, die Entdeckung von Neuem, die sprachliche Informationsverarbeitung, und die räumliche Erinnerung die wichtigste Hirnregion überhaupt ist. Eingänge aus dem assoziativen Isocortex laufen über den perirhinalen bzw. parahippocampalen Cortex und von dort über den entorhinalen Cortex, der das corticale „Eingangstor“ zum Hippocampus bildet. Direkte subcorticale Afferenzen des Hippocampus kommen vom basalen Vorderhirn (genauer vom medialen Septum), von der basolateralen Amygdala, vom Hypothalamus, von den limbischen Thalamuskernen, den Raphe-Kernen, dem Locus coeruleus und dem PAG (um nur die wichtigsten Zentren zu nennen). Die Ausgänge des Hippocampus ziehen über den EPPC wieder zu isocorticalen Zielgebieten zurück sowie zur Amygdala, zum basalen Vorderhirn, zum Nucleus accumbens und zum Hypothalamus. Die Speicherung des Wissens findet nicht im Hippocampus und im EPPC selbst statt, sondern modalitäts- und funktionsspezifisch in den verschiedenen Rindenarealen. Entsprechend befindet sich das visuelle Gedächtnis in den visuellen Cortexregionen, das auditorische Gedächtnis in den auditorischen Arealen, die sprachlichen Erinnerungen in den Sprachzentren usw. Eine bilaterale Zerstörung des Hippocampus führt zu zeitlich begrenzter retrograder Amnesie, d.h. zum Verlust von Teilen des Altgedächtnisses, sowie zur anterograden Amnesie, d.h. zur Unfähigkeit, neue Inhalte in das deklarative bzw. semantische und episodische Gedächtnis einzufügen. Für derartige Patienten ist alles neu, was ihnen nicht seit langem bekannt und „eingeschliffen” ist. Hippocampus, EPPC und Amygdala arbeiten im Bereich des deklarativen und emotionalen Gedächtnisses „arbeitsteilig“. Im Rahmen einer klassischen Konditionierung, in dem bei Normalpersonen ein Nebelhorn Schreckreaktionen auslöste, konnten Patienten mit einer bilateralen Schädigung der Amygdala genau angeben, welcher sensorische Stimulus mit dem Schreckreiz gepaart worden war, sie zeigten aber keinerlei vegetative Furchtreaktion, gemessen über die Veränderung des Hautwiderstands. Sie entwickelten also keine Furcht- oder Schreckempfindungen und nahmen die Ereignisse „emotionslos” hin. Umgekehrt hatten Patienten mit bilateraler Schädigung des Hippocampus keine bewusste Information über die Paarung von sensorischem Reiz und Schreckreiz, zeigten aber eine deutliche vegetative Furchtreaktion. Während also ihr emotionales Gedächtnis funktionierte, versagte ihr deklaratives Gedächtnis, was nach der Hippocampus-Läsion auch zu erwarten war. Die Patienten mit Amygdala und ohne Hippocampus erlebten also Angst und Schrecken, ohne zu wissen, warum. Eine einmalige Gabe von Kortison bessert kurzfristig die Bildung neuer Gedächtnisinhalte und verschlechtert den Zugriff auf das Altgedächtnis. Eine Reaktion die bei akutem Stress sinnvoll ist, bei chronischen Stressreaktionen zu kognitiven Einbußen führt. (Wie das Gehirn die Seele macht, Prof.Dr.Dr. Gerhard Roth, Lindauer Psychotherapiewochen). Das Volumen des Hippocampus nimmt ab dem 20. Lebensjahr ab, dies trifft offensichtlich besonders für Männer zu. 1.5% Schrumpfung pro Jahr sagen manche Untersuchungen, manche Untersuchungen sahen dies bei Männer und Frauen gleichermaßen, andere zwischen 20 und 50 Jahren nur bei Männern. Ob die Gedächtnisleistung von Männern schneller nachlässt, als die von Frauen ist noch nicht genau bekannt. Pruessner et al. Age and Gender Predict Volume Decline in the Hippocampus J. Neurosci., January 1, 2001, 21(1):194–200 199. Dass beim M.Alzheimer eine Atrophie des Hippocampus regelmäßig erfolgt ist lange bekannt. (J Neurol Neurosurg Psychiatry 2001;71:315–321)Londoner Taxifahrer benötigen ein sehr gutes Ortsgedächtnis und eine gute Orientierung. Eine vor 3 Jahren veröffentlichte Studie untersuchte mit funktioneller Kerspintomographie die Gehirne dieser Taxifahrer und verglich sie mit altersentsprechenden Kontrollpersonen. Der hintere Teil des Hippocampus dieser Taxifahrer war signifikant größer als der der Kontrollpersonen. Das Volumen des Hippocampus korrelierte mit der Zeit die diese Fahrer als Taxifahrer berufstätig gewesen waren. Der hintere Teil des Hippocampus speichert die Raumorientierung, offensichtlich wächst dieser Hirnteil bei Menschen mit zunehmenden Navigationsfähigkeiten. Ähnliches ist bereits von Vögeln und niedrigen Säugetieren bekannt, die Lebensmittel als Vorrat anlegen. Vogelarten, die ihre Nahrung an verschiedenen Orten speichern haben im Gegensatz zu ihren Verwandten ebenfalls einen vergrößerten Hippocampus. Diese Beobachtung belegt die Plastizität des gesunden erwachsenen Gehirns als Reaktion auf entsprechende Anforderungen. Ähnliche plastische Anpassungsmechanismen des Gehirns sind bei Musikern im Vergleich zu Nichtmusikern bekannt. Bei manchen Tieren gelingt gar bereits der Nürnberger Trichter, der Fibroblasten- Wachstumsfaktor (FGF)-18, nimmt bei bestimmten Tierarten im Temporalhirn in dem der Hippocampus lokalisiert ist zu. Wenn man diesen Wachstumsfaktor anderen Tieren in diese Hirnregion einspritzt, verbessert sich deren Fähigkeit der räumlichen Orientierung. Genexpression lautet hier das entscheidenden Stichwort, durch den Wachstumsfaktor werden in den Hirnzellen vorhandene schlafende Gene aktiviert. Wissenschaftler hoffen so eine pharmakologische Möglichkeit zu finden, die Lernfähigkeit zu verbessern. Interessant ist, dass auch Sport den Hippocampus wachsen lässt. Der Insulinähnliche Wachstumsfaktor (IGF-I) soll hierfür verantwortlich sein. Zumindest bei Raten verbessert auch dieser Wachstumsfaktor das Erinnerungsvermögen und vergrößert den Hippokampus. Die Schrumpfung des Hippokampus korreliert mit der Alzheimerschen Erkrankung, zumindest im Gruppenvergleich ist die Kernspintomographie des Hippokampus aussagekräftig in der Diagnosestellung bezügliche der Alzheimerdemenz. Normaler Altersabbau führt nicht zu einer Hippokampusatrophie. In besonderem Maße werden bei der Hippokampusatrophie die Verbindungen zwischen Depression und Demenz deutlich. Auch Depressionen führen zu Atrophie von Pyramidenzellen im Hippokampus, ein Prozess, der allerdings unter Einwirkung einer erfolgreichen Behandlung reversibel ist. Die Atrophie war im Durchschnitt vorhandener Studien in der Kernspintomographie 8% linksseitig und 10% rechtsseitig. Man vermutet, dass die Hippokampusatrophie nur bei chronischen Depressionen eintritt, die Anzahl der durchgemachten depressiven Episoden korreliert insbesondere mit der rechtsseitigen Hippokampusatrophie. Menschen, die an bipolaren Störungen (manisch depressiven Erkrankungen) leiden sollen keine Hippokampusatrophie bekommen. Nach manchen Studien haben Menschen mit einem Autismus ebenso, wie deren Eltern einen vergrößerten Hippokampus.

Quellen / Literatur:

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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur