Instinkthandlungen

sind angeborene Verhaltensweisen, die jedoch durch Umwelteinflüsse modifiziert werden können. Deutlich stärker als beim Menschen wird das Verhalten von Tieren von genetisch determinierten neuronalen Verschaltungen in Form artspezifischer Verhaltensprogramme gesteuert, die durch angeborene Auslösemechanismen aktiviert werden. Die für diese instinktiven Verhaltensweisen verantwortlichen genetischen Programme lassen sich in einem erweiterten Sinn als im Laufe der Entwicklungsgeschichte einer Spezies gemachte „artspezifische Erfahrungen“ auffassen. Diese, nicht von einem Individuum, sondern von all seinen Vorfahren in Form eines Reproduktionsvorteils erlebte Zweckmäßigkeit bestimmter Verhaltensreaktionen wurde im Verlauf der Artentwicklung durch die bevorzugte Weitergabe der diesen Verhaltensreaktionen zugrundeliegenden genetischen Programme im „genetischen Gedächtnis“ der betreffenden Art, ihrem Genpool, festgehalten.(Gerald Hüther: Die neurobiologische Verankerung von Erfahrungen und ihre Auswirkungen auf das spätere Verhalten Lindauer Psychotherapiewochen) Ablauf einer Instinkthandlung: Ein physiologischer Mangelzustand (Motiv) führt dazu, daß ein Individuum Reize sucht, die diesen Mangelzustand beseitigen (Appetenzverhalten ). Hierbei kann es auf einen Schlüsselreiz (bzw. Attrappe, Kindchenschema..) treffen, der durch einen angeborenen auslösenden Mechanismus (AAM) eine nach einem festen Schema ablaufende Endhandlung auslöst. Die Endhandlung kann nicht unterbochen werden. Bei Ablauf der Endhadlung ist der Handlungsantriebsabfall am größten. Dennoch kann nach der Endhandlung die Instinkhandlung von vorne beginnen, wenn der physiologische Mangelzustand nicht behoben wurde.Attrappen Sind künstliche Schlüsselreize. Die Endhandlung wird um so heftiger, je prägnanter bestimmte Merkmale ausgeprägt sind (Kindchenschema).Attrappen Sind künstliche Schlüsselreize. Die Endhandlung wird um so heftiger, je prägnanter bestimmte Merkmale ausgeprägt sind (Kindchenschema). Übersprunghandlungen Wenn gleichzeitig zwei Motive bestehen, deren Endhandlungen nicht vereinbar sind (z.B. Angriff – Flucht), wird die Spannung so groß, daß eine Übersprunghandlung einsetzt, die keinem der ursprünglichen Motive entspricht. Der Mensch kratzt sich am Kopf, wenn er unsicher ist. Diese Übersprunghandlung kann als ritualisierte Ausdrucksbewegung verstanden werden. Leerlaufhandlung Bei einer Leerlaufhandlung ist ein Motiv so stark, daß auch ohne adäquaten Schlüsselreiz die dem Motiv entsprechende (Leerlauf)Handlung gezeigt wird, z.B.: Ein Hund reißt in Folge eines unbefriedigten Jagdtriebes den Pantoffel seines Herrchens. Prägung: (Festlegung von auslösenden Objekten, z.B. Eltern) eine besondere Art des Lernens- erfolgt schnell – in einer kurzen sensiblen Phase – wird nicht verlernt, Bedürfnishierarchie (nach MASLOW)1. Physiologische Motive (s.o) 2. Sicherheit (körperliche Unversehrtheit) 3. Zuwendung 4. Anerkennung 5. Selbstverwirklichung Instinkte können als hierarchisch organisierte Organisationsprogramme definiert werden, in denen Lebewesen unter bestimmten Stimmmungen, seien sie nun durch äußere Reize, innere Ablaufsprozesse oder zeitliche Periodiken ausgelöst, in organisierte Muster von Verhalten eintreten, die bestimmten Funktionen dienen. Manche dieser Stimmungen sind vereinbar, manche sind es nicht. Das faktische Verhalten motorischer oder sonstiger Art wird häufig in unterschiedlichen Programmen benutzt, so daß man von einem Verhaltenssegment nicht notwendigerweise auf das steuernde Organisationsprogrammes schließen kann. Ein Instinkt besitzt als verhaltensregulierendes System drei Komponenten: eine detektorgefilterte Umwelt (=AM, Schlüsselreize, Sensorium, Reizfilter), einen spontanen oder endogenen Antrieb (= Stimmung, Triebe, spezifische Handlungsbereitschaft) und Erbkoordination (antriebs- oder themaspezifisches, festverdrahtetes Innervationsprogramm der Motorik). Diejenigen Handlungsabläufe, die mit einem im somatischen verankerten Belohnungssystem verbunden sind, wie die Inkorporation oder die Sexualität sind nur beschränkt modifizierbar. Es kann zu einer Fülle von unterschiedlichen Umweghandlungen kommen. Man kann Vogelnester, Haifischflossen oder Hamburger essen, schlußendlich muß man aber etwas zu sich nehmen. Andere Handlungsabläufe wie zum Beispiel das Aufzuchtverhalten haben keine körperlich umschriebene terminale Handlung. Unter einem angeborenen auslösenden Mechanismus (AM/AAM) versteht man „die Gesamtheit alles Strukturen des Organismus, die an der selektiven Auslösung einer Reaktion wesentlich beteiligt sind (unter Ausschluß motorischer Instanzen)“. Der Begriff ist seit seiner Einführung in die Ethologie umstritten und wird auch heute noch diskutiert. Häufig wird auch von einem neuronalen Reizfilter oder Filtermechanismus geredet. Sie sprechen auf bestimmte Schlüsselreize an. Unter Appetenzverhalten wird von der jeweiligen Stimmung abhängiges Suchverhalten verstanden, das schließlich zum Auffinden eines Schlüsselreizes führen kann, unter dessen Einfluß der AM in Gang gesetzt wird. Dieses Verhalten imponiert als sei es von Zielvorstellungen geleitet.Der berühmte konditionierte Speichelreflex, den Pawlow auf sein Glockensignal auslösen konnte, ist Teil des Appetenzverhaltens Nahrungsaufnahme und wird deshalb bedingte Appetenz genannt. Hätte Pawlow mit freibeweglichen Tieren gearbeitet, hätte er gesehen, daß er in Wirklichkeit das gesamte Appetenzverhalten zur Nahrungssuche und -aufnahme aktiviert hatte. Die Tiere hätten dann neben der Speichelsekretion angefangen zu suchen, zu schnüffeln etc. Es ist auch deutlich zu machen, daß solchermaßen konditionierte Reize wie die Glocke nur im Zusammenhang mit der entsprechenden Stimmung, also in diesem Falle dem Hunger als übergeordnetem Organisationszentrum, wirksam wird. Befindet sich das Tier bereits in einer ausgeprägt differenten Stimmung wie z. B. Aggression, wird der Glockenton nur sehr beschränkt wirksam werden. Die Endhandlungen (= Konsummation) sind artspezifische formkonstante Bewegungsgestalten, die man bei verwandten Tieren wiederfindet. Nach Lorenz sind solche erbkoordinierten Bewegungsabläufe in der Phylogenese sogar konservativer als die Morphologie der Organe (Lorenz 1987). Die funktionellen Zentren sind hypothetische Konstrukte deren Annahme notwendig ist, um das Geschehen angemessen abzubilden. Zentren auf gleicher Funktionsebene hemmen sich gegenseitig. Die Zentren werden durch die Veränderung innerer Schwellenwerte (Triebreize Freuds) und durch die Schlüsselreize und AMs aktiviert. Über die Aktivierung der Appetenz auf den verschiedenen Ebenen wird das Tier zu der Endhandlung hingeführt. Die zwei Pasen einer Instinkthandlung können also als Appetenzverhalten und als darauf folgende Konsummation beschrieben werden. Die Suchphase (Appetenz) zeigt eine situationsangepaßte Variabilität und verwendet soweit verfügbar Lernerfahrungen oder Einsicht. Die Endhandlung, meist eine Erbkoordination ist von „banaler Stereotypie“ . Die Konsummation kann als treibverzehrend oder kathartisch beschrieben werden und entspricht dem psychoanalytischen Konzept der Abfuhr von Libido. Schlüsselreize (Signal- oder Kennreize) sind eben solche Reize, die den AM auslösen. Wobei solche AM auch eine Lerngeschichte besitzen und und der Terminus AAM angeborene Anteil überbetont. Schlüsselreize können auch in Koevolution zwischen Empfänger und Sender entwickelte Zeichen und ihr Code sein. Man spricht dann von Auslösern. Der Begriff betont die innerartliche Entwicklung von Sender-Empfängersystemen, der Bedarf an Informationen ist wechselseitig, beide Seiten werden auf gute Verständigung ausgelesen (vs. Räuber-Beute-System). Auslöser sind also Bestandteile eines wechselseitigen Kommunikationssystems. Die Gesamtheit der Verhaltensweisen mit Mitteilungsfunktion wird Ausdrucksbewegungen genannt.

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur