Ketoazidose

durch Insulinmangel oder Hemmung der Insulinwirkung stark erhöhte Blutzuckerwerte (Blutglukose) und Ketonkörper im Urin und Blut. Ketone sind Endprodukte des Fettabbaues (riechen wie süßlich-fauliges Obst), Azidose meint Übersäuerung. Der vermehrte Fettabbau wegen Insulinmangel führt dazu dass Betahydroxybuttersäure und Azetessigsäure (wird durch Abspaltung von CO2 zu Azeton) in der Leber im Überschuss produziert werden, dadurch entsteht die Übersäuerung. Blutzuckerwerte liegen meist zwischen 300 mg/dl (16,7 mmol/l) und 1000 mg/dl (55,6 mmol/I). Ab einem Blutzucker von 250 mg/dl sollten Diabetiker Ketonkörper im Urin bestimmen. Wenn die Ketonkörper zweifach oder dreifach positiv sind muss der Diabetiker in der Regel die doppelte Korrekturdosis spritzen, da Insulin bei Ketoazidose vermindert wirksam ist. Ursache sind oft verspätet behandelte Hyperglykämien (erhöhte Blutzuckerwerte, Infekte, Fieber, Alkoholgenuss, Schlaganfälle, Herzinfarkte, Pankreatitis, Traumen, Blutzuckersteigernde Medikamente (z.B. Kortison), unzureichende Blutzuckerkontrollen, zu viele Kohlehydrate, zu wenig Insulin ( eine Spritze vergessen, defekte Pumpe, Kortisoneinnahme, nicht mehr wirksames Insulin das beispielsweise im Kühlschrank gefroren war oder in der Sonne lag, unzureichende Basalrate). Wenn ein Typ 1 Diabetiker sein Insulin weglässt, entwickelt sich regelmäßig eine Ketoazidose. Selten sind auch quasi bewusst herbeigeführte Zustände mit Trinken von Zuckerhaltigen Getränken und Weglassen des Insulins direkte Ursache. Meist sind dann Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten vorbekannt. Am gefährlichsten ist ein ketoazidotisches Koma als Erstmanifestation des Diabetes m., letzteres passiert immer dann, wenn der Diabetes trotz eindeutiger Symptome zu spät diagnostiziert wird. Viele Ketoazidosen entstehen durch mangelnde Mitarbeit der Diabetiker bei der Insulinbehandlung, oft ist hier psychotherapeutische Hilfestellung erforderlich. Es muss mit etwa 3000 Fällen pro Jahr in Deutschland gerechnet werden, in 99% bleibt die Ketoazidose bei adäquater Behandlung ohne Folgen. Der Flüssigkeitsverlust beträgt meist 5-7% der Körpergewichts sehr selten bis zu 15%. In der Behandlung wird außer bei komatösen Patienten von 5-7% ausgegangen. Insulin hemmt normalerweise den Fettabbau. Wenn kein Insulin zur Verfügung steht, können die Körperzellen die im Blut vorhandene Glukose nicht nützen, als Energielieferant wird vermehrt und rasch Fett abgebaut. Im Verlauf nimmt die Insulinwirkung ab. Entsteht oft im Verlauf von Stunden bei schlecht eingestelltem Blutzucker, begünstigt durch Infekte. Symptome: starker Durst, häufiges Wasserlassen, Bauchweh, Müdigkeit, Apathie, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Hyperventilation, Tachykardie (Herzklopfen), Kussmaul´sche Atmung, Azetongeruch in der Atemluft. Im Zweifel ist bei den genannten Symptomen muss immer der BZ und die Ketonkörper im Urin kontrolliert werden. Die Ketoazidose kann in ein diabetisches Koma mit Bewusstlosigkeit einmünden. Im Zweifel ist bei jeder Ketoazidose der Diabetologe hinzuzuziehen, im Zweifel auch immer stationäre Behandlung, komatöse Patienten immer auf der Intensivstation. Behandelt wird mit Insulin (initial meist 10-15 IE entsprechend etwa 20% der Tagesbedarfes) und Flüssigkeit (1 Liter Wasser pro Stunde trinken), sowie Elektrolyten, (Kalium, Natrium). Regelmäßige am besten stündliche BZ- Kontrollen sind erforderlich. Diabetiker mit beginnender Ketoazidose sollten nicht alleine bleiben. Wenn sich die Symptome nicht bessern muss der Notarzt oder der Krankenwagen gerufen werden. Weitere Insulininjektionen alle 2 Stunden sind meist erforderlich. Die Geschwindigkeit mit der im Krankenhaus in schweren Fällen das Insulin und Salze sowie Flüssigkeit substituiert werden ist Gegenstand der Diskussion. Gefürchtet ist die Komplikation eines Hirnödems, zeigt sich im CCT oder NMR ein beginnende Hirnödem wird in der Klinik mit hypertonen Mannitolinfusionen behandelt. CCT- Untersuchungen zeigen bei der Ketoazidose häufig verengte Ventrikel bereits am Beginn der Behandlung, diese werden als Ausdruck eines latenten Hirnödems gesehen, das allerdings meist glücklicherweise folgenlos bleibt. Dieser Befund macht den Vergleich von Daten verschiedener Studien schwierig, da die Definition des Hirnödems unterschiedlich ist. Wesentlich in der Entwicklung ist das osmotische Gefälle zwischen dem Intra- und Extrazellularraum und die Bluthirnschranke. Die Zellen des ZNS (zentralen Nervensystems) schützen ihr Zellvolumen unter hyperosmolaren Bedingungen in dem sie intrazellelulär osmotisch aktive Moleküle, so genannte „idiogene Osmole“ (Myo-inositol, N-Acetylaspartat, Cholin (einschließlich Glycerophosphorylcholin), und Taurin) — produzieren. Diese Moleküle beeinträchtigen die Funktion der Hirnzellen nicht. Einmal gebildet, lösen sich diese Moleküle nur langsam wieder auf. Bei zu schneller Reduktion der Plasmaosmolalität durch Gabe von freiem Wasser unter diesen Bedingungen entsteht ein Gradient der Wasser in die Hirnzellen zieht und so die Hirnzellen zum Anschwellen bringt. Diese Pathophysiologie gilt sowohl für die hypernatraemische Dehydratation als auch für die diabetische Ketoazidose. Eine wirkliche Absicherung dieser Theorie durch kontrollierte Daten aus Studien fehlt allerdings bisher. Besonders bei Kindern kann das Hirnödem bereits durch die Ketoazidose an sich vorhanden sein, es scheint aber auch mit der Geschwindigkeit der Substitution (meist empfohlen verteilt auf 48h) zusammenzuhängen. Ein besonders hohes Risiko der Entwicklung eines Hirnödems haben Kinder und Jugendliche die bei Aufnahme ins Krankenhaus eine hohe Serumharnstoffkonzentration und eine Hypokapnie haben. Auch ein langsamer Anstieg des Serumnatriums in Relation zum sinkenden Blutzucker unter Behandlung soll auf dieses Risiko hinweisen. Dabei soll allerdings soweit kein Blutdruckabfall vorliegt, das Serumnatrium langsam korrigiert werden. Die Behandlung mit Bikarbonat und die zu großzügige Flüssigkeitszufuhr kann das Risiko erhöhen. Allerdings gibt es auch Vermutungen, dass die hohe Flüssigkeitszufuhr in Studien nur deshalb ein hohes Risiko bedeutetet, weil die besonders ausgetrockneten Kinder im schlechten Zustand eine besonders schlechte Prognose haben. Die initiale Serumglukosekonzentration oder deren Korrektur spielt dagegen wohl keine Rolle. Das Hirnödem kann schon initial entstehen, häufig entwickelt es sich aber erst einige Stunden nach Beginn der Behandlung, zu einem Zeitpunkt, wenn der Blutzucker schon fällt und die Azidose teilweise kompensiert ist. Ein Hirnödem entwickelt sich bei knapp einem Prozent der Kinder mit einer Ketoazidose, es verläuft in fast einem Viertel der Fälle tödlich, 35% behalten neurologische Folgeschäden. 70-80% der Todesfälle von Kindern mit Diabetes unter 12 Jahren sind Folge des Hirnödems. Beim nichtketotischen hyperosmolaren Koma des Diabetikers liegen im Gegensatz zum ketoazidotischen Koma zwar hohe Blutzuckerwerte, aber kein Ketonurie vor. Ein Behandlungsprotokoll der diabetischen Ketoazidose bei Kindern ist von Eric I. Felner, MD* and Perrin C. White, MD 2001 in Pediatric veröffentlicht worden.

Diagnostische Kriterien für eine diabetische Ketoazidose oder ein hyperglykämisches Koma

Mild Mäßig Schwer Hyperglykämie
Plasmaglukose (mg/dl) >250 >250 >250 >600
Arterieller pH 7,25–7,30 7,00–7,24 <7,.00 <7.30
Serumbikarbonat (mEq/l) 15–18 10-<15 <10 >15
Urinketone Positiv Positiv Positiv niedrig Positiv

Effektive Serumosmolalität (mOsm/kg)

Variabel Variabel Variabel >320
Anionen Gap >10 >12 >12 Variabel
Veränderungen der Bewusstseinslage und der Wahrnehmung Wach Wach/leicht benommen Stupor/Koma Stupor/Koma
Hyperglycemic Crises in Patients With Diabetes Mellitus Diabetes Care 2003 26: 109-117. [Full Text]

 

Quellen / Literatur:

N Engl J Med 2001;344:264-9.,A P C P Carlotti et al, Importance of timing of risk factors for cerebral oedema during therapy for diabetic ketoacidosis Archives of Disease in Childhood 2003;88:170-173 Inward CD, Chambers TL. Fluid management in diabetic ketoacidosis. Arch Dis Child 2002;86:443–4, Lee JH, Arcinue E, Ross BD. Organic osmolytes in the brain of an infant with hypernatremia. N Engl J Med 1994;331:439–42 J A Edge et al, The risk and outcome of cerebral oedema developing during diabetic ketoacidosis, Arch Dis Child 2001;85:16-22 Siehe unter Diabetes mellitus und HbA1c, Hypoglykämie, Polyneuropathie

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur