Kontextverarbeitung

Jede Kategorisierung oder Wahrnehmung ist prinzipiell kontextgebunden. Man kann das banalerweise daran erkennen, dass Erscheinungen oder Vorkommnisse, die nicht den Erwartungen entsprechen, als überraschend und erklärungsbedürftig empfunden werden. Wenn man eine Hörsaaltür von innen öffnet, erwartet man, auf einen Flur oder jedenfalls in einen anderen Raum zu gelangen. Stößt man, um ein krasses Beispiel zu verwenden, auf das Innere eines Pferdestalls, ist das ein kaum akzeptables Ereignis, das bestenfalls durch die Reparatur-Annahme außergewöhnlicher verursachender Umstände (ein Wunder!) verständlich wird. Kontexte sind eine Form von Gedächtnis. Dieses Gedächtnis wird durch vorangegangene Ereignisse aktiviert und gewährleistet den Zusammenhang der Wahrnehmung. Es kann kein Zweifel sein, dass Kontexte grundsätzlich immer an der Kategorisierung der Welt beteiligt sind. Sie können als eine Art Filter verstanden werden, der bestimmte Kategorisierungen zulässt und andere ausfiltert (Auflösung von Mehrdeutigkeiten!). Der Benennvorgang beginnt bei der Wahrnehmung des zu benennenden Objekts zunächst mit einem weiten Kontext, jedenfalls weit bezüglich der möglichen Wahrnehmungen. Die visuelle Wahrnehmung und die Konzeptidentifikation, sobald sie erfolgreich sind, führen zur Beschränkung der Erwartungen (= des Kontexts) auf solche, die zu dem identifizierten Konzept passen. Diese Erwartungen haben dann Konsequenzen für nachfolgende Wahrnehmungen. Erweisen sich die Kontexterwartungen als unzureichend, wird der Kontext erweitert; sofern die reine Kontexterweiterung nicht zu einem Verarbeitungserfolg führt, können Vorstellungen generiert werden, die ein stützendes Merkmalsangebot für die Kategorisierung bereitstellen (siehe oben Abbildung 1-2). Auf diese Weise kann anstelle einer bloßen Erweiterung des Kontextes auch eine Verschiebung des Kontextes erreicht werden. Was passiert bei Alzheimer-Demenz? Wir gehen von der Annahme aus, dass eines der wesentlichen Defizite bei der Alzheimer-Demenz die Verlangsamung des Reparaturmechanismus ist (Kochendörfer, 1998). Es kann durch Simulation gezeigt werden, dass eine solche Verlangsamung zur Störung des Sprachverstehens unter bestimmten Bedingungen und zu Gedächtnisproblemen führt, während andere typischerweise in frühen Stadien einer Alzheimer-Demenz erhaltene Fähigkeiten tatsächlich unbeeinträchtigt bleiben. http://www.klinische-linguistik.de/

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur