Krankheit

Es gibt keine allgemeingültigen Krankheitsbegriff. Krankheit ist eine Störung des Gleichgewichts, d.h. der strukturellen und funktionellen Homeostase, die mit verminderter Leistungsfähigkeit, Herabsetzung des Lebensgenusses und seelischer Belastung einhergeht. Soziologisch sieht Parsons in einer körperlichen Krankheit die Unfähigkeit zur Aufgabenerfüllung, in einer psychischen Krankheit die Unfähigkeit zur Rollenerfüllung, er postuliert, dass Krankheit eine Befreiung von den täglichen Verpflichtungen, eine Befreiung von der Verantwortung für den kranken Zustand, eine Verpflichtung, gesund werden zu wollen und die Verpflichtung, fachkundige Hilfe aufzusuchen beinhaltet. Entsprechend definiert Parsons 1967 Gesundheit „Gesundheit kann definiert werden als der Zustand optimaler Leistungsfähigkeit eines Individuums für die wirksame Erfüllung der Rollen und Aufgaben, für die es sozialisiert worden ist“. Die WHO 1946 definiert Gesundheit als “Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen. (wegen des hohen Anspruchs wurde die WHO- Definition vielfach kritisiert). Häufig wird Gesundheit und Krankheit von den Menschen als alleiniges Schicksaal gesehen. Dabei ist das schicksaalshafte von Gesundheit und Krankheit durchaus ein wichtiger Teilaspekt. Passive Versorgungshaltung kann das prognostisch ungünstige Ergebnis der ausschließlichen Fokussierung auf das schicksaalshafte von Gesundheit und Krankheit sein. Aktive Mitarbeit im Umgang mit Risikofaktoren, Gesundheitsstörungen, und Krankheit verbessert nicht nur deren Bewältigung, sondern auch den Zustand an sich, fast unabhängig vom Ausgangszustand. Gesundheit oder Krankheit sind nicht statisch. VIktor von Weizsäcker schrieb: „Die Gesundheit des Menschen ist eben nicht ein Kapital, das man aufzehren kann, sondern sie ist überhaupt nur dort vorhanden, wo sie in jedem Augenblick des Lebens erzeugt wird. Wird sie nicht erzeugt, dann ist der Mensch bereits krank. Man kann den Sozialkranken daher auch als einen Menschen bezeichnen, bei dem die beständige Erzeugung der Gesundheit nicht mehr richtig erfolgt.“ Krankheit ist nach dem BGH 1958 und dem BSG eine Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, die geheilt oder beseitigt oder gelindert werden kann. Krankheit und Behandlungsbedürftigkeit liegt auch dann vor, wenn bei Frühstadien einer Krankheit zukünftige Beschwerden oder Arbeitsunfähigkeit abgewendet werden können. Nach der RVO ist Krankheit ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der entweder Krankenpflege erfordert oder Arbeitsunfähigkeit bedingt. Krankheit ist ansonsten ein ” rechtlicher Zweckbegriff, der von seiner Funktion geprägt wird, nämlich das versicherte Risiko zu definieren und den Tatbestand zu bestimmen, welche die Leistungspflicht der Träger der gesetzlichen Krankenversicherungen auslöst“ Leistungen bei Beeinträchtigung der Gesundheit (außer bei Arbeitsunfall/ Berufskrankheit), die der Linderung oder Wiederherstellung dienen, einschließlich der Geldleistungen bei Arbeitsunfähigkeit. Zu den Leistungen bei Krankheit zählen außer dem betrieblichen Gesundheitsdienst und der Beratung und Betreuung im wesentlichen die ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen (ambulant und in Anstalten), die Behandlung durch sonstige Heilpersonen (ambulant und in Anstalten), Heilmittel, Zahnersatz, die Unterbringung und Verpflegung bei Anstaltsaufenthalten, Fahrtkosten und die Hilfe zur Pflege. Ebenso gehören die Zahlung von Übergangs- und Krankengeld sowie die Entgeltfortzahlung zu den Leistungen bei Krankheit. Krankheiten können ausheilen- “ad integrum”, – “5-Jahresheilung”, – Defektheilung; sich in Remission befinden, rezidivierend sein, zu dauerndem Leiden führen oder zum Tod führen. (Meyer, A.E., Richter, R., Grawe, K. Graf von der Schulenburg, J.M., Schulte, B., 1991: Forschungsgutachten zu Fragen eines Psychotherapeutengesetzes. Universitätskrankenhaus Eppendorf). Wie krank sich jemand fühlt oder verhält ist sehr subjektiv, abhängig von Empfindsamkeit, Arbeitsmoral und anderen (z.B. Arbeits-) Bedingungen. Es ist immer eine Rate von 4- 6% aller versicherten Arbeitnehmer krank geschrieben. Weitere 10% der arbeitenden Bevölkerung zeigen eindeutige Krankheitssymptome, die eine Krankschreibung rechtfertigen würden. 20% aller Erwerbstätigen fühlen sich krank (und können ihre Krankheit auch benennen). Krankheitsbedingte Fehlzeiten am Arbeitsplatz sind konjunkturabhängig und Kultur- sowie Sozialsystem- spezifisch.

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur